Der Niedergang beginnt schleichend. 2004 übergibt Geringhoff die Ladenkette an seinen Sohn Peter. Wenig später zeigen sich die ersten Risse in der Erfolgsgeschichte.
Denn der schnelle Sortimentswechsel wird immer exzessiver von Discountern wie Aldi und Lidl nachgeahmt. Später betreten Online-Händler wie Amazon das Turnierfeld. Durch sie werden plötzlich auch ausgefallene Deko-Artikel und Eichrichtungsaccessoires jederzeit verfügbar. Der Impuls, bei zeitlich befristeter Aktionsware schnell zugreifen zu müssen, wird dadurch empfindlich abgeschwächt.
Entsprechend trüben sich die Strauss-Geschäfte immer stärker ein. 2008 bewahrt der schwedische Finanzinvestor EQT die Firma vor dem Ruin und kann mit dem Handelsmanager Thorsten Hermelink an der Strauss-Spitze das Ruder noch einmal herum reißen. Doch als EQT die Ladenkette 2011 an den amerikanischen Finanzinvestor Sun Capital Partners weiterreicht, zeigt sich, dass die Erholungsphase eher ein letztes Aufbäumen als die Wende war.
Strauss wird austauschbar
Denn zum strukturellen Ungemach kommt fortan reichlich Missmanagement. Nachdem Strauss-Frontmann Hermelink kurz nach dem Eigentümerwechsel den Dienst quittiert, zieht sich die Nachfolgesuche über Monate hin.
Noch entscheidender: Das Unternehmen verliert sein Trendgespür. Das Angebot von Strauss wird austauschbar und die Shoppingbereitschaft der Kunden zunehmend über Rabatte stimuliert. Doch ähnlich wie bei der Baumarktkette Praktiker gehen die Rotstiftaktionen langfristig nach hinten los.
Zahlen, Daten und Fakten zu Insolvenzen in Deutschland
Unternehmensinsolvenzen | Verbraucherinsolvenzen | |
2013 | 26.120 | 91.360 |
1. Hj 2014 | 12.060 | 43.870 |
2014 | 24.030 | 86.480 |
1. Hj 2015* | 11.100 | 40.200 |
*geschätzt
Quelle: Creditreform
Betroffene Arbeitnehmer | Veränderung in Prozent | |
2013 | 285.000 | -17,6 |
1. Hj 2014 | 89.000 | -23,3 |
2014 | 264.000 | -7,4 |
1. Hj 2015* | 77.000 | -13,5 |
*geschätzt
Rechtsform | Anteile in Prozent | Vorjahr |
freie Berufe | 2,9 | 3,1 |
Kleingewerbetreibende | 48,4 | 46,8 |
BGB-Gesellschaft | 0,7 | 0,8 |
Einzelfirma | 3,3 | 3,3 |
OHG | 0,1 | 0,2 |
KG | 0,3 | 0,4 |
GmbH & Co. KG | 4,0 | 4,8 |
GmbH | 31,5 | 32,0 |
UG (haftungsbeschränkt) | 7,5 | 7,1 |
AG | 0,5 | 0,7 |
Sonstige | 0,8 | 0,8 |
Zeitraum: 1. Hj 2015
Anfang 2014 stellt die Geschäftsführung Antrag auf ein so genanntes Schutzschirmverfahren, eine Insolvenzvariante, bei der meist ein erfahrener Sanierungsexperte gemeinsam mit dem Management versucht, das Unternehmen neu zu justieren. Bei Strauss übernimmt Hans Peter Döhmen den Job. Der Kölner Insolvenzexperten Andreas Ringstmeier beaufsichtigt als Sachwalter die Rettungsmission. Das Duo verordnet dem Unternehmen harte Einschnitte. 19 der bis dahin 96 Filialen werden geschlossen, fast 300 der 1400 Mitarbeiter müssen gehen. Immerhin: Das so zurechtgestutzte Unternehmen zieht wieder Investoren an.
Im August 2014 verkündet Strauss den Einstieg der Beteiligungsgesellschaft Mühleck Family Office. Die Unternehmerfamilie aus Baden-Württemberg betrieb bis dahin hauptsächlich Spielhallen – "Magic Casino" - und Fitness-Studios unter dem Namen „Body Fit“. Man sei als „langfristig orientierter strategischer Investor“ an Bord, heißt es damals.
Unausweichliche Insolvenz
Allein, das Engagement währt nicht lang. Dem Vernehmen nach soll sich der Investor getäuscht gefühlt haben, als die Umsatzentwicklung unter den Prognosen bleibt. Zwischenzeitlich wird dem Vernehmen nach bereits über den Einstieg eines weiteren Investors verhandelt. Doch dazu kommt es nicht mehr.
Im Juni muss Strass erneut Insolvenz anmelden. „Die notwendige Finanzierung der Winterkollektion ist zuletzt gescheitert. Dadurch konnten notwendige Bestellungen nicht durchgeführt werden, und die Insolvenzanträge wurden unausweichlich", teilt das Unternehmen damals mit. Für den Insolvenzverwalter eine heikle Situation – Piepenburg muss bereits kurz nach seiner Einsetzung durch das Gericht entscheiden, ob noch Ware geordert werden kann.
Auch sonst gibt es offenbar reichlich Gegenwind. So ist zunächst offen, ob die Mitarbeiter überhaupt Insolvenzgeld beziehen dürfen, da das erste Insolvenzverfahren nur wenige Monate zurück lag. Kaum ist das operative Geschäft gesichert, beginnt die Investorensuche. Doch das Interesse hält sich offenbar in Grenzen. Der Mühleck-Clan will kein weiteres Geld riskieren, heißt es unternehmensintern. Auch ein Modeunternehmen, das sich vor allem für die zentral gelegenen Filialen interessiert hatte, soll sich wieder aus dem Verkaufsprozess verabschiedet haben.
Sollte sich in den kommenden Wochen kein Käufer finden, droht dem Unternehmen der finale Schlussverkauf. Piepenburg: „Ohne Investor können wir das Geschäft bis Weihnachten weiterführen, aber nicht auf Dauer.“