Strauss Innovation Der Niedergang eines Traditionshändlers

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Was Strauss den Untergang brachte

Der Niedergang beginnt schleichend. 2004 übergibt Geringhoff die Ladenkette an seinen Sohn Peter. Wenig später zeigen sich die ersten Risse in der Erfolgsgeschichte.

Denn der schnelle Sortimentswechsel wird immer exzessiver von Discountern wie Aldi und Lidl nachgeahmt. Später betreten Online-Händler wie Amazon das Turnierfeld. Durch sie werden plötzlich auch ausgefallene Deko-Artikel und Eichrichtungsaccessoires jederzeit verfügbar. Der Impuls, bei zeitlich befristeter Aktionsware schnell zugreifen zu müssen, wird dadurch empfindlich abgeschwächt.

Die spektakulärsten Pleiten 2014
Stadtwerke GeraWas bislang in Deutschland als undenkbar galt, ist im Sommer 2014 erstmals eingetreten: In Gera, der mit 95.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Thüringens, haben die Stadtwerke Insolvenz angemeldet. Insolvenzverwalter Michael Jaffé aus München, der schon das Insolvenzverfahren von Kirch-Media betreut hat, setzt seither auf eine Sanierung der Stadtwerke, in deren Sogwelle auch der Verkehrsbetrieb und die Flugbetriebsgesellschaft Insolvenz anmelden mussten. Busse und Bahnen fuhren zwar unverändert weiter, aber Jaffé arbeitete Sparkonzepte aus, um den Zuschussbedarf für den Betrieb zu senken. Außerdem lotet er den Einstieg privatwirtschaftlicher Investoren aus und plant den Verkauf von Anteilen an einer Wohnungsbaugesellschaft. Die Folgen der Pleite reichen indes weit über die Grenzen von Gera hinaus. Auch in andere Kommunen ist die Schuldenlast drückend, gelten Insolvenzen städtischer Tochtergesellschaften nach Gera-Exempel nicht mehr als ausgeschlossen. Damit könnten zugleich aber auch Fragen nach der Absicherung und Eigenkapitalunterlegung von Bankkrediten an öffentliche Unternehmen auf die Agenda rücken. Quelle: dpa
Burger King GmbHNach monatelangen Querelen reichte im Dezember der größte Betreiber von Burger King Restaurants in Deutschland einen Insolvenzantrag ein. 89 Schnellrestaurants mit 3000 Mitarbeitern sind betroffen. Sie hatten schon im November schließen müssen,  nachdem die Burger-King-Zentrale dem Franchisenehmer Yi-Ko nach Schlagzeilen um Hygienemängel und schlechte Arbeitsbedingungen fristlos gekündigt hatte. Der vorläufige Insolvenzverwalter Marc Odebrecht erreichte eine schnelle Einigung mit Burger King und die Wiedereröffnung der Restaurants. Die insolvente Gesellschaft soll nun verkauft werden.   Quelle: dpa
ProkonDie Insolvenz des Windkraftunternehmens Prokon war nicht nur ein Schock für die Beschäftigten. Betroffen waren auch rund 74.000 Anleger, die insgesamt 1,4 Milliarden Euro in das Unternehmen investiert hatten. Sie werden nach Angaben von Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin wohl rund die Hälfte ihres eingesetzten Kapitals verlieren. Penzlin will Prokon über ein Insolvenzplanverfahren sanieren und sondiert derzeit die Möglichkeit, den Konzern als Genossenschaft weiter zu führen. Quelle: dpa
WeltbildEine Debatte um erotische und esoterische Literatur stürzte das Verlagshaus Weltbild ab 2011 in eine tiefe Krise. Weltbild geriet ins Abseits, dann drehte die Kirche den Geldhahn zu. Anfang 2014 musste der defizitäre Verlag Insolvenz anmelden. Für die Beschäftigten begann ein Jahr der Ungewissheit: Ein interessierter Käufer sprang kurz vor einem Vertragsabschluss wieder ab. Doch Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz konnte einen neuen Kaufkandidaten aus dem Hut zaubern: Im Sommer übernahm die Düsseldorfer Droege Group den Verlag und kündigte weiteren Jobabbau an. Knapp ein Drittel der einst mehr als 3500 Stellen war zu diesem Zeitpunkt bereits weggefallen. Quelle: dpa
MS DeutschlandDie finanzielle Havarie der als ZDF-„Traumschiff“ bekannten MS Deutschland wurde im Oktober offenkundig. Die Geschäftsführung der MS-Deutschland-Beteiligungsgesellschaft stellte beim Amtsgericht Eutin Insolvenzantrag. Auf dem Schiff lasten Schulden von rund 56 Millionen Euro, davon sind 50 Millionen Anleiheschulden und drei Millionen Euro Zinsen. Wie viel die Anleger davon wiedersehen werden, hängt vom Verkaufserlös des Schiffes ab, den der Insolvenzverwalter Reinhold Schmid-Sperber erzielen kann. Quelle: dpa
MifaMifa, der größte deutsche Fahrradhersteller meldete Ende September Insolvenz an. Zuvor war eine Vereinbarung mit der indischen Hero Cycles gescheitert. Hero sollte eigentlich mit mindestens 15 Millionen Euro bei dem Unternehmen einsteigen. Zuletzt machte Mifa 13,2 Millionen Euro Verlust. Zudem kamen Fehler in der Bilanzierung ans Licht. So wurde Investoren 2012 und 2013 ein profitables Geschäft vorgegaukelt, das es so nie gegeben hat. Die Insolvenz trifft auch Mifa-Großaktionär Carsten Maschmeyer. Statt ihm steuert nun Insolvenzverwalter Lucas Flöther das Unternehmen. Quelle: dpa
StrenesseDer Nördlinger Modehersteller Strenesse stellte im April einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung. Grund für den Schritt waren drückende Altlasten, die die Sanierung des Unternehmens behinderten wie der Strenesse-Vorstand erklärte. Seither mühen sich Sanierungsexperte Michael Pluta und der Sachwalter Jörg Nerlich um die Rettung des Modeunternehmens. Von der Insolvenz sind mehr als 350 Beschäftigte betroffen. Quelle: dpa

Entsprechend trüben sich die Strauss-Geschäfte immer stärker ein. 2008 bewahrt der schwedische Finanzinvestor EQT die Firma vor dem Ruin und kann mit dem Handelsmanager Thorsten Hermelink an der Strauss-Spitze das Ruder noch einmal herum reißen. Doch als EQT die Ladenkette 2011 an den amerikanischen Finanzinvestor Sun Capital Partners weiterreicht, zeigt sich, dass die Erholungsphase eher ein letztes Aufbäumen als die Wende war.

Strauss wird austauschbar

Denn zum strukturellen Ungemach kommt fortan reichlich Missmanagement. Nachdem Strauss-Frontmann Hermelink kurz nach dem Eigentümerwechsel den Dienst quittiert, zieht sich die Nachfolgesuche über Monate hin.

Noch entscheidender: Das Unternehmen verliert sein Trendgespür. Das Angebot von Strauss wird austauschbar und die Shoppingbereitschaft der Kunden zunehmend über Rabatte stimuliert. Doch ähnlich wie bei der Baumarktkette Praktiker gehen die Rotstiftaktionen langfristig nach hinten los.

Zahlen, Daten und Fakten zu Insolvenzen in Deutschland

Anfang 2014 stellt die Geschäftsführung Antrag auf ein so genanntes Schutzschirmverfahren, eine Insolvenzvariante, bei der meist ein erfahrener Sanierungsexperte gemeinsam mit dem Management versucht, das Unternehmen neu zu justieren. Bei Strauss übernimmt Hans Peter Döhmen den Job. Der Kölner Insolvenzexperten Andreas Ringstmeier beaufsichtigt als Sachwalter die Rettungsmission. Das Duo verordnet dem Unternehmen harte Einschnitte. 19 der bis dahin 96 Filialen werden geschlossen, fast 300 der 1400 Mitarbeiter müssen gehen. Immerhin: Das so zurechtgestutzte Unternehmen zieht wieder Investoren an.

Im August 2014 verkündet Strauss den Einstieg der Beteiligungsgesellschaft Mühleck Family Office. Die Unternehmerfamilie aus Baden-Württemberg betrieb bis dahin hauptsächlich Spielhallen – "Magic Casino" - und Fitness-Studios unter dem Namen „Body Fit“. Man sei als „langfristig orientierter strategischer Investor“ an Bord, heißt es damals.

Unausweichliche Insolvenz

Allein, das Engagement währt nicht lang. Dem Vernehmen nach soll sich der Investor getäuscht gefühlt haben, als die Umsatzentwicklung unter den Prognosen bleibt. Zwischenzeitlich wird dem Vernehmen nach bereits über den Einstieg eines weiteren Investors verhandelt. Doch dazu kommt es nicht mehr.

Im Juni muss Strass erneut Insolvenz anmelden. „Die notwendige Finanzierung der Winterkollektion ist zuletzt gescheitert. Dadurch konnten notwendige Bestellungen nicht durchgeführt werden, und die Insolvenzanträge wurden unausweichlich", teilt das Unternehmen damals mit. Für den Insolvenzverwalter eine heikle Situation – Piepenburg muss bereits kurz nach seiner Einsetzung durch das Gericht entscheiden, ob noch Ware geordert werden kann.

Auch sonst gibt es offenbar reichlich Gegenwind. So ist zunächst offen, ob die Mitarbeiter überhaupt Insolvenzgeld beziehen dürfen, da das erste Insolvenzverfahren nur wenige Monate zurück lag. Kaum ist das operative Geschäft gesichert, beginnt die Investorensuche. Doch das Interesse hält sich offenbar in Grenzen. Der Mühleck-Clan will kein weiteres Geld riskieren, heißt es unternehmensintern. Auch ein Modeunternehmen, das sich vor allem für die zentral gelegenen Filialen interessiert hatte, soll sich wieder aus dem Verkaufsprozess verabschiedet haben.

Sollte sich in den kommenden Wochen kein Käufer finden, droht dem Unternehmen der finale Schlussverkauf. Piepenburg: „Ohne Investor können wir das Geschäft bis Weihnachten weiterführen, aber nicht auf Dauer.“

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