Streit zwischen Alnatura und dm-Drogeriemarkt „dm-Entscheidung ist natürlich unerfreulich“

Die Drogeriemarktkette dm hat einen Großteil der Alnatura-Produkte aus ihren Regalen verbannt. Im Interview sagt Alnatura-Gründer Götz Rehn, wie es für das Bio-Unternehmen jetzt weiter geht. Ein Interview.

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Götz Rehn hat Alnatura 1984 gegründet. Quelle: Oliver Rüther für WirtschaftsWoche

Der Mann, der die Bio-Branche gerade in Atem hält, gibt sich gelassen: Von Streit um die Marke Alnatura will Götz Rehn, der Chef und Gründer der Bio-Marke, nicht wissen. Viel lieber parliert der anthroposophisch geprägte Unternehmer in der Unternehmenszentrale im hessischen Bickenbach dieser Tage über die schönen Dinge des Lebens: frischen Babyspinat mit Parmesan zum Beispiel oder Hühnerbrüstchen samt Wok-Gemüse, die sich der Alnatura-Chef aus hauseigenen Zutaten just am Wochenende gebrutzelt hat.

Und die Klage seines Schwagers Götz Werner, Gründer der Drogeriekette dm, der Ansprüche auf die Markenrechte an Alnatura erhebt? „Ach, da wird viel geschrieben“, sagt Rehn im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. Auseinandersetzungen zwischen Geschäftspartnern gehörten schließlich zum Leben als Unternehmer dazu. Inzwischen hat die „Lebensmittelzeitung“ berichtet, dass neben Werner auch Wolfgang Gutberlet, Gründer der Lebensmittelkette Tegut, klagt. Höchste Zeit also, etwas mehr über den Großkonflikt in der Bio-Branche und die Folgen für Alnatura zu erfahren. 

Nettoumsatz von Alnatura

WirtschaftsWoche Online: Herr Rehn, Sie haben gerade reichlich Ärger mit der Drogeriemarktkette dm...
Götz Rehn: ...das ist mir zu provokant formuliert. Wir befinden uns in einer Umbruchphase und stehen vor großen Herausforderungen.  

Wie bitte? Die Drogeriekette hat reihenweise Alnatura-Produkte ausgelistet. dm-Gründer Götz Werner, der zugleich ihr Schwager ist, macht Ihnen die Markenrechte an Alnatura streitig und sein Konzern will bei der Auswahl ihrer Vertriebspartner mitbestimmen. Das soll kein Ärger sein? 
dm hat einen Strategiewechsel bei der Sortimentsgestaltung vorgenommen, bei der rund die Hälfte der Alnatura-Produkte ausgelistet wurde. Das ist natürlich unerfreulich aber wir sind ständig mit Veränderungen konfrontiert. Meine Aufgabe als Unternehmer besteht darin, schnell und gut darauf zu reagieren und Ersatz zu finden.

Zur Person

Wird dm weitere Alnatura-Artikel aus den Regalen nehmen? 
Das wissen wir noch  nicht. Die Entscheidung liegt bei dm, wir listen uns ja nicht selbst aus. Wenn bei dm Interesse besteht, werden wir weiter zusammen arbeiten. 

Trotz der Gerichtsprozesse?
Ach, da wird viel geschrieben. Richtig daran ist, dass es eine Klage  gegen uns gab, die ist in erster Instanz abgewiesen wurde. Jetzt müssen wir abwarten, was passiert. Aber rechtliche Auseinandersetzungen finden auch zwischen anderen Unternehmen statt. Interessanter ist für uns die Frage: Wie geht's jetzt weiter?

Ihre Antwort haben Sie vor wenigen Wochen gegeben. Sie verkaufen Alnatura-Produkte jetzt auch bei Edeka, Deutschlands größtem Lebensmittelhändler. Sind Sie mit der Kooperation zufrieden?
Ich bin nie zufrieden, ein Unternehmer darf nie zufrieden sein. Was in den vergangenen Wochen entstanden ist, ist beeindruckend und ich bin auch sehr dankbar dafür. Alnatura ist mittlerweile in mehr als 3000 Edeka-Läden vertreten, das war ein großer Kraftakt. Aber das reicht noch nicht, um die Umsatzeinbußen zu kompensieren. Es gibt einzelne Edeka-Händler, die ein breites Alnatura-Sortiment führen und bei denen sich die Umsätze sehr gut entwickeln. Bei anderen muss erst Platz für unsere Marke geschaffen werden, was etwas dauert. Aber es kommen fast jeden Tag neue Kaufleute dazu. Und wir kooperieren nicht nur mit Edeka, sondern auch mit Händlern wie Budni, der Kieler Coop, Tegut, Hit und Globus. In der Schweiz arbeiten wir mit der Migros und in Österreich mit Merkur, Billa und MPreis zusammen.

"Da gibt es noch viel Luft nach oben."

Wird es Alnatura in weiteren Ländern geben?
Dazu gibt es noch keine Entscheidung, aber wir prüfen, welche Möglichkeiten es gibt.    

Die beliebtesten Händler der Deutschen
Das Logo des Parfümerie- und Handelskette "Douglas" Quelle: dpa
Das Aldi-Logo Quelle: REUTERS
Eine Kaffeetasse in einer Tchibo-Filiale vor einem Produktregal. Quelle: dpa
Ansicht des Logos und des Schriftzugs der Drogeriemarktkette Müller Quelle: dpa
Eine Kundin schiebt in einer Rossmann-Filiale einen Einkaufswagen. Quelle: dpa
Ein Kugelschreiber mit der Aufschrift "Otto...find ich gut." Quelle: dpa
Eine Verkäuferin ordnet die Buchauslagen in einer Thalia Filiale Quelle: dpa

Gleichzeitig eröffnen Sie weitere eigene Alnatura-Märkte. Wie viel Platz sehen Sie für die Expansion in Deutschland?
Wir werden Mitte März in der Berliner Friedrichstraße unsere 100. Filiale eröffnen, Ende 2016 wird es deutschlandweit rund 110 Märkte geben. Langfristig ist ein Vielfaches möglich, da zeichnen sich noch keine Grenzen ab. Wir erleben gerade eine erstaunliche Nachfrage. Nehmen Sie eine Stadt wie Freiburg. Dort betreiben wir vier Märkte, doppelt so viele wären möglich. Allein in München könnte ich mir 25 Alnatura-Läden vorstellen. Das einzige Problem ist, dass es in den Metropolen kaum noch gute Standorte gibt.

Kleine Bio-Händler sind von derlei Expansionsplänen wenig begeistert. Sie monieren, dass Alnatura zu offensiv mit dem klassischen Handel kooperiert und befürchten Preiskämpfe in der Bio-Branche.
Wir sollten uns in der Branche lieber Gedanken darüber machen, wie wir mehr und nicht weniger Menschen erreichen. Momentan liegt der Bio-Anteil am Gesamtumsatz im Lebensmittelhandel bei fünf Prozent. Da gibt es noch viel Luft nach oben. Wir müssen überlegen, wie wir Anteile von 20 oder sogar 50 Prozent erreichen können und was jeder einzelne Händler tun kann, um mehr Kunden zu gewinnen.      

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Haben kleine selbständige Bio-Händler überhaupt noch eine Chance?
Es gibt extrem erfolgreiche Bio-Einzelhändler, die sensationelle Umsätze machen. Sie haben ihre Läden allerdings erweitert oder sich stärker spezialisiert. Auch Hofläden und Geschäfte mit einem höheren Gastronomieanteil sind im Kommen. Es gibt also viele Möglichkeiten. Nur wer sich nicht verändert, wird langfristig keinen Erfolg haben. Nur abzuwarten, dass die Kunden zum Einkaufen kommen, funktioniert nicht mehr.

Welche Trends sehen Sie in der Branche?
Seit Jahren steigt die Zahl der Veganer und Vegetarier. Darüber hinaus gibt es aber auch sehr viele Menschen, die aus gesundheitlichen und Umweltschutzgründen einfach weniger Fleisch essen möchten. Das ist ein Trend, der immer stärker wird und den wir auch in den Geschäften spüren. Zwei Drittel der Alnatura-Produkte sind vegan. Der Marktanteil ist insgesamt zwar klein, aber die Richtung stimmt.

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