Studie zum Handel Generation Z macht Shoppen zum Event

Onlinehandel ist doch nicht alles: Lokale Geschäfte gewinnen laut einer Studie für junge Kunden wieder an Bedeutung. Zugleich steigt der Druck auf Händler: Wer beim Kundenservice schwächelt, wird gnadenlos abgestraft.

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Lokale Geschäfte sind für die Mehrzahl der jungen Kunden eine wichtige Shoppingquelle. Quelle: dpa

Düsseldorf Wenn einkaufen, dann direkt vor Ort: im Geschäft um die Ecke. Das gilt für Anna von Boetticher in erster Linie für Nahrungsmittel und Haushaltswaren, aber auch für Bekleidung: „Im Laden kann ich die Sachen immer direkt anprobieren. Das kann ich online nicht und zahle dann auch oft noch Versandkosten.“ Die Studentin gehört zur jüngsten Käufergeneration, der so genannten Generation Z. Dazu zählen je nach Definition die Geburtenjahrgänge 1995 bis 1999.

Doch ist sie eine Ausnahme? Oder steht sie exemplarisch für die Kunden der Zukunft? Im Consumer Survey 2017 der Unternehmensberatung Accenture wurde das Käuferverhalten der Generation Z nun erstmals näher untersucht. Befragt wurden insgesamt 9750 Kunden zwischen 18 und 37 Jahren aus 13 Ländern – 750 der Studienteilnehmer kamen aus Deutschland. Das Ergebnis: Um bei Kunden wie Anna von Boetticher zu punkten, reicht der Ruf einer Marke allein nicht mehr aus. Vielmehr setzt sich das perfekte Shoppingerlebnis aus mehreren Mosaiksteinchen zusammen.

Eines dieser Steinchen ist das stationäre Geschäft. Die Studie von Accenture kommt zu dem überraschenden Ergebnis, dass das klassische Geschäft bei der Generation Z wieder an Bedeutung gewinnt. 72 Prozent der Befragten aus dieser Käufergruppe geben den stationären Handel als wichtigsten Verkaufskanal an. Bei der Vorgängergeneration, den Millenials, waren es rund zehn Prozent weniger. Dabei nutzt die Generation Z die Geschäfte nicht nur, um sich mit Artikeln einzudecken, sondern auch, um sich über Trends zu informieren und Anregungen zu holen.

Onlineshops sind der zweitwichtigste Verkaufskanal für die jüngste Einkaufsgeneration. Sie haben in den Bereichen Mode und Elektronik dem stationären Handel bereits den Rang abgelaufen. „Elektronikartikel kaufe ich fast nur noch online, weil ich im Internet die Produkte viel leichter vergleichen kann und mir gleichzeitig die Kundenrezensionen sehr weiterhelfen“, meint dazu von Boetticher. Damit zählt sie zu den 50 Prozent der Käufer, die laut Studie mindestens die Hälfte solcher Einkäufe online abwickeln.

Weil man bei der Fülle an Modeartikeln im Internet schon mal den Überblick verlieren kann, hat sich ein neuer Geschäftszweig gebildet: das Curated Shopping. Dahinter stecken Firmen wie Outfittery oder Kisura, die ihre Kunden online oder am Telefon über Modeartikel beraten. Anschließend wird für den Kunden eine persönliche Produktvorauswahl getroffen und ihm zugeschickt. Der Kunde behält und bezahlt letztlich nur das, was er behalten möchte. Das kommt bei den jungen Kunden an: Über die Hälfte zeigt sich offen für dieses Modell in den Bereichen Mode, Elektronik und Pflegeprodukte. Anna Alex, Gründerin und Geschäftsführerin von Outfittery, sieht den Vorteil von Curated Shopping vor allem beim Kundenservice: „Wir geben keine Rabatte, aber investieren dafür voll in guten Service.“

Insgesamt werden die jungen Käufer immer experimentierfreudiger. Neuestes Beispiel sind Bestellungen über Voice-Assistenten, wie Amazons Echo oder Google Home. Laut Accenture-Studie können sich rund 73 Prozent der Befragten vorstellen, per Sprachbefehl Produkte zu erwerben oder nutzen diesen neuen Markt bereits.


Social Media wird zum Verkaufskanal

Aber auch Produktabschlüsse direkt über die sozialen Medien wie Facebook und Co werden in Zukunft immer häufiger möglich sein: Rund die Hälfte der Befragten können sich diesen Bestellweg in Zukunft vorstellen. Diesen Trend nehmen auch die Händler wahr. So interessiert sich die Elektrohandelskette Media-Markt sehr für dieses Bestellverfahren. Zwar sei ein Direktkauf über Social Media derzeit noch nicht möglich, mittelfristig aber durchaus denkbar, teilte eine Sprecherin von Media-Markt auf Anfrage mit. Derzeit würden zu dem Thema bereits erste Tests laufen.

Ob nun auf den einzelnen Kunden zugeschnittene Bekleidungsboxen, Bestellungen per Sprachbefehl oder ganz klassisch der Kauf im lokalen Geschäft – Shoppen geht über das einfache Stillen rationaler Bedürfnisse hinaus. „Shopping ist nicht mehr der einfache Prozess von Beratung und preisorientiertem Kaufen“, meint Thomas Täuber, Geschäftsführer für den Bereich Einzelhandel bei Accenture. Vielmehr werde Shopping „immer mehr zu einem emotionalen Erlebnis, das der Kunde mit all seinen Sinnen erfahren will.“ Dieser Prozess fängt bereits bei Werbung in sozialen Netzwerken an. Angesagt sind zur Zeit Facebook, Instagram und vor allem Snapchat. Für den Modeanbieter Outfittery ist Social Media von zentraler Bedeutung: „Über Facebook-Werbung sind wir quasi groß geworden“, meint Anna Alex. „Soziale Netzwerke bieten eine tolle Plattform, um neue Formate auszuprobieren und hier mit den Kunden im Dialog zu bleiben.“

Das Ende der Kette bilden die lokalen Geschäfte und gerade dort sieht Thomas Täuber großen Handlungs- und Wandlungsbedarf. Insbesondere die Anforderungen an die Einzelhandelsverkäufer ändern sich zusehends. „Wenn es nach den Kunden geht, soll der Verkäufer ihnen dieselbe Informationstiefe wie das Internet bieten und dazu noch eine persönliche Note. Das kann er aber nicht ohne Hilfe leisten“, meint Täuber. Daher sollten Unternehmen mehr Daten über ihre Kunden sammeln und diese den Verkäufern vor Ort bei Bedarf an die Hand geben. So könne der Kunde in seinem Einkaufsprozess individuell abgeholt werden.

Für ein individuelles Erlebnis müssen Onlineauftritte, Werbekampagnen und stationäre Geschäfte der Unternehmen miteinander verschmelzen. Funktioniert dieser Prozess nicht reibungslos, ist der Kunde weg. Ein wichtiger Faktor ist zum Beispiel der Service bei Retouren und Mängeln. Auch für Anna von Boetticher ist der Kundenservice extrem wichtig: „Wenn ich ein Produkt zurückschicken muss, dann erwarte ich, dass vor allem die Rückerstattung schnell und problemlos klappt.“ Dass Retouren kostenlos sind, setzen die meisten jüngeren Kunden sowieso voraus.

Gerade Deutschland gilt als der anspruchsvollste Markt für den Einzelhandel. Er ist geprägt durch ein hohes Preisbewusstsein und eine quasi nicht vorhandene Markenbindung. Da junge Kunden heutzutage Fehler kaum noch verzeihen, müssen die Einzelhändler dafür Sorge tragen, dass der potenzielle Käufer die Komplexität, die hinter der Vermarktung von Produkten steckt, gar nicht erst bemerkt. Thomas Täuber von Accenture geht davon aus, dass Unternehmen in Zukunft bis zu 80 Prozent ihrer Energie darauf verwenden müssen, bei der Vermarktung Verknüpfungsprobleme zwischen On- und Offline-Kanälen zu lösen.

Noch scheuen die meisten Händler davor zurück, große Beträge in die Verknüpfung von Online- und Offline-Handel zu stecken. Zwar sind die Chancen bekannt – aber eben auch die Risiken. Dem Einzelhandel bleibt trotzdem nichts anderes übrig, als sich auf die Generation Z einzustellen. Wer das nicht schafft, wird in arge Bedrängnis kommen. „Gerade kleine Player werden kaum Chancen haben, sich im Markt zu positionieren“, meint dazu Handelsexperte Täuber. Da inzwischen auch große Unternehmen darauf setzen, dank Datenanalyse und künstlicher Intelligenz immer mehr auf die individuellen Wünsche der Kunden einzugehen, würden über kurz oder lang auch immer mehr Nischen verschwinden, in denen sich kleinere Geschäfte bisher noch halten konnten. Große Händler und gleichzeitig Datensammler wie Amazon diktieren mit ihren Innovationen schon jetzt das Entwicklungstempo. Daher werde es in Zukunft nur noch eine „gefühlte Vielfalt“ für den Verbraucher geben, die in Wirklichkeit nur von wenigen starken Firmen gesteuert werde, so Täuber.

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