Nicht ganz zwei Monate dauerte der Spuk beim Brausestäbchen-Hersteller Sadex bei Winnenden. Der Traditionsbetrieb meldete Anfang 2012 Insolvenz an. Zwei Hauptgründe für die Zahlungsunfähigkeit machte der Insolvenzverwalter aus: hohe Außenstände für bereits gelieferte Ware und den rekordverdächtig hohen Zuckerpreis. Die hohen Rechnungen für den unverzichtbaren Rohstoff konnte Sadex nicht mehr zahlen. Um den Betrieb zu erhalten, musste das Unternehmen verkauft werden.
Zur Zeit der Sadex-Insolvenz kostete ein Tonne Zucker 654 Euro. Und für die Süßwaren- und Getränkehersteller, die zusammen für mehr als ein Drittel des gesamten deutschen Zuckerbedarfs stehen, hat sich die Lage weiter verschlimmert. Heute kostet eine Tonne Zucker im Schnitt 728 Euro und damit noch mal elf Prozent mehr als zu Zeit der drohenden Sadex-Pleite. 2010 lag der Preis für die Tonne noch deutlich unter 500 Euro. Von den Preissteigerungen sind auch andere Branchen betroffen: Bäckereien und Konditoreien ebenso wie Hersteller von Speiseeis und Milchprodukten, Marmeladen oder Obstkonserven. Haushaltszucker macht etwa 16 Prozent der gesamten Nachfrage in Deutschland aus.
Diesmal sind die Agrarspekulanten von jeder Schuld reingewaschen. Diesmal haben keine irrwitzigen Geschäfte mit dem landwirtschaftlichen Rohstoff den Preis nach oben getrieben. Das Paradoxe am Fall Sadex und der Zuckerkrise in der Süßwaren- und Getränkeindustrie: Der Preis ist immens hoch, obwohl Zucker eigentlich im Überfluss vorhanden ist. Trotzdem kämpfen die Branchen, die Zucker im großen Stil weiterverarbeiten, mit Versorgungsengpässen. Das Angebot an Zucker ist immer wieder knapp, die Nachfrage kann zeitweise nicht gestillt werden. Das treibt den Zuckerpreis.
Allerdings erklimmt der Zuckerpreis nur in Europa immer neue Höhen. Auf dem Weltmarkt ist Zucker auch nicht knapp – und deshalb mit einem Preis um die 370 Euro je Tonne rund um die Hälfte billiger als der EU-Zucker. Bereits seit 2011 fällt der Zuckerpreis auf dem Weltmarkt.
Schuld am hohen Europapreis ist maßgeblich die Europäische Union, die mit ihrer Zuckermarktreform den Produzenten ein enges Korsett gegeben hat. Um Überkapazitäten bei den Rübenbauern und Raffinerien in Europa abzubauen und die Branche gleichzeitig wieder international wettbewerbsfähig zu machen, wurde die produzierte Menge in der EU 2006 begrenzt, die sogenannte Zuckerquote. Seitdem dürfen die Zuckerhersteller nur noch 80 bis 85 Prozent des europäischen Bedarfs decken. Der Rest soll seit 2009 vorrangig aus Entwicklungsländern zollfrei importiert werden, um die dortige Zuckerherstellung zu stärken. Große Zuckerexporteure wie Brasilien, Thailand oder Australien werden durch hohe Schutzzölle in Höhe von 419 Euro pro Tonne vom europäischen Markt ferngehalten. Zuletzt lag die Zuckerquote bei 13,7 Millionen Tonnen. Der Bedarf in der EU lag um drei Millionen Tonnen höher. Zum Vergleich: Vor der Reform wurden in der EU 22 Millionen Tonnen Zucker produziert, davon konnten nach Deckung der Nachfrage aus Europa noch sechs Millionen Tonnen exportiert werden.