Tabakkonzerne Hersteller inszenieren die gesündere Zigarette

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Weltweite Aufrüstung

Denn die Konkurrenz entwickelt ähnliche Produkte. Längst investiert etwa British American Tobacco massiv in das Segment – eine Milliarde Dollar spendierte BAT-Chef Nicandro Durante für seine NGPs, seine Next Generation Products. Dazu hat sich der Londoner Konzern Zug um Zug eine ganze Stange von Töchtern zugelegt: In Polen schnappte er sich 2015 den Marktführer Chic Group, in England komplettierte 2016 das Unternehmen Ten Motives das Portfolio. Schon jetzt sagt BAT-Deutschland-Statthalter Ralf Wittenberg, 54: „Wenn man alles einrechnet, sind wir in Europa schon jetzt der größte Anbieter im E-Zigaretten-Markt.“

Doch BAT will mehr: 50 Milliarden Dollar haben die Londoner für die Komplettübernahme ihrer Minderheitsbeteiligung Reynolds in den USA geboten. Folgen ihnen die Reynolds-Aktionäre, hätte BAT das Sagen beim wichtigsten E-Zigaretten-Hersteller in den USA.

Mit dieser Dominanz und seiner Erfahrung, Marken erfolgreich zu verkaufen, könnte BAT nun versuchen, den aktiven Wortschatz seiner Kundschaft zu erweitern. Denn bislang hat sich die Branche nicht wirklich auf ein Wort einigen können, das beschreibt, was Konsumenten eigentlich tun, wenn sie an der E-Zigarette ziehen.

Die Konsolidierung in der Tabakindustrie geht weiter. Der britische Konzern BAT kauft für gut 49 Milliarden Dollar den US-Wettbewerber Reynolds. Die jüngste Schwächephase bei Tabakaktien bietet Anlegern Einstiegschancen.
von Frank Doll

Auf dem Weg, das Produkt aus der Nische heraus in den Massenmarkt zu hieven, schwebt BAT-Manager Wittenberg aber ein ganz anderes Wörtchen vor. Er möchte, dass der Name Oberbegriff einer ganzen Gattung wird. So wie Tempo für Papiertaschentücher: „Ich fände es schön, wenn die Kunden vypen sagen würden; wie in: Ich gehe jetzt mal eine vypen.“ Vype, so heißt die E-Zigaretten-Marke von BAT.

Mit dem Druck seiner ganzen Organisation hat es BAT (Lucky Strike, Pall Mall) bereits geschafft, seine Vype-Produkte in 7000 Verkaufsstellen unterzubringen: „Und das ist erst der Anfang“, sagt Wittenberg. Bei Shell etwa ist Vype bereits vertreten, weitere Gespräche mit Tankstellenbetreibern laufen und sollen noch in diesem Jahr zu neuen Abschlüssen führen. Be-Posh-Mann Beyer ist dagegen schon froh, dass er seine Nikotinspender in bislang 4500 Fachgeschäften unterbringen konnte. Insgesamt haben beide Anbieter Luft nach oben – deutschlandweit bringen 80 000 Verkaufsstellen herkömmlichen Tabak unter die Leute.

Ob die Kunden bei diesen Wachstumsplänen mitspielen, hängt auch an den politischen Rahmenbedingungen: So hofft Wittenberg für die weitere Verbreitung der Vype auch auf eine Ausnahme vom geplanten Werbeverbot für Zigaretten. Denn geworben werden darf in Deutschland – anders als in fast allen anderen Ländern der EU – noch immer auf Plakatwänden und Bushaltestellen; eine Verschärfung des Gesetzes ist vom Kabinett zwar beschlossen. Doch vor der Bundestagswahl wird daraus wohl nicht mehr.

„Auch mit dem nun dampfen genannten Tabakkonsum über die E-Zigarette geht es den Konzernen nur darum, Kunden in Abhängigkeit zu führen, um sie langfristig an die Sucht zu führen und schließlich in Krankheit und oft genug in den vorzeitigen Tod“, schimpft dagegen der SPD-Gesundheitspolitiker Lothar Binding. Dennoch glaubt Wittenberg an seine Chance: „Ein Totalwerbeverbot für ein legales Produkt ist ein extremer Eingriff in den Markt – und gerade bei der E-Zigarette fragen wir natürlich, ob das aus gesundheitspolitischer Sicht überhaupt sinnvoll ist.“

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