Tengelmann Wie es nach dem Gerichtsentscheid weitergeht

Der Gerichtsentscheid gegen die Ministererlaubnis für den Kaiser's-Edeka-Deal führt die Kette in eine ungewisse Zukunft. Eine Zerschlagung scheint möglich. Was das für die Mitarbeiter bedeutet und wie es weitergeht.

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Edeka, Tengelmann und das Bundekartellamt im Twister Quelle: Fotolia, Montage: Marcel Stahn für WirtschaftsWoche Online

Per Ministererlaubnis hatte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel die Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka bewilligt – zumindest unter Auflagen. Nach vorläufiger Prüfung urteilt das Landgericht Düsseldorf im Eilverfahren: die Ministererlaubnis ist rechtswidrig.

Für Jörg Funder, geschäftsführender Direktor des Instituts für Internationales Handels- und Distributionsmanagement (IIHD), steht fest, dass mit dem Gerichtsentscheid das Ende des Zusammenschlusses zwischen Edeka und Kaiser’s Tengelmann besiegelt ist. „Ich sehe keine Möglichkeit, wie die Fusion noch zustande kommen sollte“, sagt er. Wie es nun für die Beteiligten weitergeht.

Was bedeutet das Scheitern der Fusion für Edeka?

Edeka-Chef Markus Mosa hatte zuletzt bei der Bilanzvorlage Ende April darauf hingewiesen, dass die Übernahme für den mit einem Marktanteil von mehr als 27 Prozent führenden deutschen Lebensmitteleinzelhändler „extrem wichtig“ sei. „Sie bringt uns in der Expansion um viele Jahre nach vorne.“

Ohne die Fusion kann Mosa seine Expansionspläne fürs Erste an den Nagel hängen. Denn organisches Wachstum ist im hochkonzentrierten deutschen Lebensmittelhandel nur extrem schwer möglich. Lediglich durch Zukäufe ließe sich signifikantes Wachstum generieren, so Funder. „Die einzige Möglichkeit für Edeka zu expandieren, wäre es, über die Fusion die Marktmacht auszubauen.“ Genau das befürchtete die Monopolkommission.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Die Mitarbeiter von Edeka dürften im Gegensatz zu Mosa erst einmal aufatmen. Um die Fusion zu realisieren hätte Edeka aufgrund der Auflagen der Ministererlaubnis eine Arbeitsplatzgarantie für die Beschäftigten Kaiser’s Tengelmann abgeben müssen. Das wäre möglicherweise zulasten der Stellen von Edeka-Mitarbeitern umgesetzt worden, wie Verdi monierte. Der Begründung der Ministererlaubnis ist nicht zu entnehmen, ob die Möglichkeit eines fusionsbedingten Stellenabbaus bei Edeka in die Entscheidung einbezogen wurde.

Wird Rewe nun den Zuschlag kriegen?

 

Wird Rewe nun den Zuschlag kriegen?

Der Kölner Handelskonzern hat sein Übernahmeangebot zumindest noch einmal erneuert. Gegenüber der Bild-Zeitung sagte Rewe-Chef Alain Caparros, dass er weiterhin bereitstehe. „Rewe würde die Arbeitsplätze sichern, bestehende Tarifverträge übernehmen und die betriebliche Mitbestimmung in vollem Umfang garantieren.“

Dass es zu einer Blockübernahme durch Rewe kommen wird, bezweifelt Handelsexperte Funder aber: „Da das Gericht die Ministererlaubnis für Edeka einkassiert hat, dürfte Rewe auch keine besseren Aussichten haben.“ Zumal die Aspekte, die die Monopolkommission bei einer Fusion mit Edeka monierte, auch für Rewe gelten dürften: Die Marktmacht des zusammengeschlossenen Unternehmens wäre in Berlin, Bayern und Nordrhein-Westfalen zu groß und die Position bei Verhandlungen mit Lieferanten zu stark.

 

Ministererlaubnis

Was wird nun aus Kaiser’s Tengelmann?

Schon im Vorfeld drohte Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub indirekt mit einem Aus für die Supermarktkette, sollte die Fusion mit Edeka nicht zustande kommen. Ohne eine Einigung gebe es für Kaiser’s Tengelmann „verschiedene Möglichkeiten, aber keine sympathischen“.

Der Betriebsratsvorsitzende bei Kaiser’s Tengelmann, Volker Bohne, machte gegenüber der Berliner Zeitung bereits im Februar deutlich, was das heißen könnte: „Dann wird Tengelmann sämtliche Filialen schließen.“

Ob es soweit kommt? Eher nicht. Wahrscheinlicher ist, dass Kaiser’s Tengelmann zerschlagen wird. „Die Übernahme durch mehrere, hoffentlich kleinere Anbieter ist die wahrscheinlichste Option“, sagt Funder.

Auch Kartellrechtler Jörg Karenfort von der Kanzlei Dentons hält eine Aufspaltung für das wahrscheinlichste Szenario. „Was wir beobachten ist ja die klassische kartellrechtliche Konstellation. Wenn etwas fusionskontrollrechtlich nicht geht, dann wird nur der Teil verkauft, der wettbewerblich unbedenklich ist“, sagt der Jurist.



In der Vergangenheit hatte bereits die Handelsgruppe Coop mit Sitz in Kiel, die unter der Marke Sky zahlreiche Märkte in Norddeutschland betreibt, Interesse an den Kaiser’s Tengelmann-Märkten in Berlin und Brandenburg signalisiert. „Coop hat schon länger ein Auge auf Berlin geworfen“, sagte im vergangenen Jahr eine Unternehmenssprecherin gegenüber der WirtschaftsWoche.

Ein anderer Teil der Filialen könnte an das hessische Handelsunternehmen Tegut gehen. „Sollte es bei Kaiser’s Tengelmann Bewegung geben, sind wir an den bayrischen Märkten interessiert und würden gerne in die Verhandlungen einstiegen“, sagte Geschäftsführer Thomas Gutberlet ebenfalls im vergangenen Jahr. Auch der Tegut-Eigner, die Schweizer Handelsikone Migros, hatte bereits Interesse angemeldet.

 

Was wird im Falle einer Zerschlagung aus den Mitarbeitern?

Bis zu 8000 Mitarbeiter könnten ihren Job verlieren, sollte die Fusion nicht zustande kommen – das hatte Tengelmann-Chef Haub mehrfach angedroht. „Aus Sicht der Tengelmann-Mitarbeiter war der Gerichtsentscheid schlecht“, vermutet auch Funder. „Im Falle einer Zerschlagung wird es kaum mehr eine Arbeitsplatzgarantie geben.“

Schon das Ursprungsangebot von Edeka sah ein Restrukturierungsprogramm inklusive Arbeitsplatzverlusten bei Kaiser’s Tengelmann vor. „In Summe gibt es im deutschen Lebensmitteleinzelhandel zu viel Einkaufsfläche “, sagt Funder. „Es kann also durchaus zu einer Marktbereinigung kommen.“ In der Konsequenz heißt das: einzelne Kaiser's-Tengelmann-Filialen könnten geschlossen werden.

Höchstwahrscheinlich trifft das vor allem Filialen in Nordrhein-Westfalen. Dort ist der Restrukturierungsstau sowie die Konkurrenz am höchsten.

 

Ist der Gerichtsentscheid endgültig?

Gibt es eine Möglichkeit, dass Kaiser’s Tengelmann in der jetzigen Form erhalten bleibt?

Die Handelskette zählt seit Langem zu den Sorgenkindern der Mühlheimer Familienunternehmensgruppe Tengelmann. Allein zwischen 2000 und 2015 soll sie insgesamt mehr als 500 Millionen Euro Verlust eingefahren haben.

Um die Supermarktkette zu erhalten bräuchte es einen Finanzinvestor mit großer Brieftasche und Restrukturierungskompetenz. „Dass sich jemand findet, bezweifle ich“, sagt Funder. „Kaiser’s Tengelmann ist zu klein, als dass sich darauf als Einzelunternehmen ein wirtschaftliches Rational im Sinne einer Eigenkapital- und Wettbewerbsfähigkeit abbilden ließe.“

Kann der Gerichtsentscheid noch angefochten werden?

Zumindest will Wirtschaftsminister Gabriel gegen den gerichtlichen Stopp der Fusion vorgehen. Sein Ministerium werde Rechtsmittel prüfen und einlegen, um das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf zu revidieren, sagte Gabriel. Das Urteil enthalte „eine ganze Reihe falscher Tatsachenbehauptungen.“

Ob Gabriels Vorstoß gelingt, ist offen. „Dem Wirtschaftsminister bleibt fast keine andere Wahl als gegen das Urteil vorzugehen, will er die eigene Reputation nicht riskieren“, sagt Funder, gibt aber auch zu bedenken: „Die Richter haben sicherlich alle Hinweise und Fakten geprüft, bevor sie ein so folgenreiches Urteil gefällt haben.“

Ein Blick in die Historie zeigt jedoch, dass Rechtsmittel gegen eine Ministererlaubnis durchaus schon einmal kassiert worden sind. Damals, 2002, ging es um die Übernahme des Gasriesen Ruhrgas durch den Energieversorger E.On. Das Bundeskartellamt und die Monopolkommission hatten die Fusionspläne zunächst abgelehnt. Auch damals standen Verfahrensfragen im Vordergrund der Diskussion, es kam zur Klage. Die Fusion konnte schließlich doch stattfinden, nachdem die Beschwerdeführer das Rechtsmittel zurückgenommen hatten“, sagt Kartellrechtler Karenfort.

Die Ministererlaubnis an sich ist kein neues Instrument, aber umstritten und selten. Bislang gab es erst 22 solcher Anträge, nur in drei Fällen wurde eine Erlaubnis ohne Auflagen erteilt.

Das Recht, eine Ministererlaubnis zu beantragen, steht im Gesetz und entsprechend versuchen Unternehmen, dieses Recht zu nutzen. Die Ministererlaubnis ist aber gleichzeitig eine Besonderheit des deutschen Kartellrechts, deren Sinnhaftigkeit man hinterfragen kann. Das sagt Kartellrechtsexperte Frederik Wiemer von der Sozietät Heuking Kühn Lüer Wojtek. „Dass diffuse Gemeinwohlargumente einer differenzierten rechtlichen Bewertung durch das Bundeskartellamt per se vorgehen sollen, leuchtet aus rechtsstaatlicher Sicht nicht immer ein.“

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