Toys 'R' Us meldet Insolvenz an Ausgespielt

Der Online-Handel rafft die US-Einzelhändler dahin. Nun hat es die Spielzeugkette Toys 'R' Us erwischt. Zahlen müssen letztlich die Gläubiger und Lieferanten – darunter auch zwei europäische Spielzeugmarken.

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Toys 'R' Us meldet Insolvenz an Quelle: Reuters

New York Das jüngste Opfer heißt Toys 'R' Us. Drei Monate vor Weihnachten hat der weltberühmte Spielzeughändler in den USA Gläubigerschutz beantragt. Damit will das mit fünf Milliarden Dollar verschuldete Unternehmen sicherstellen, dass es seine besorgten Zulieferer wie Mattel und Hasbro im wichtigen Feiertagsgeschäft bezahlen kann.

Toys 'R' Us hatte zuletzt vor allem die Konkurrenz des Online-Giganten Amazon zu schaffen gemacht. Während der Spielzeughändler früher als Buhmann der Branche kritisiert wurde, der kleine unabhängige Läden zerstörte, wird er nun selbst Opfer eines noch größeren Konkurrenten und hausgemachter Fehler. 

Mittlerweile vergeht kaum ein Monat ohne neue Schreckensmeldungen aus dem US-Einzelhandel. Allein in diesem Jahr haben schon 20 große US-Ketten Gläubigerschutz unter dem so genannten „Chapter 11“  beantragt. Dazu gehören auch bekannte Namen wie die Elektronik-Kette RadioShack,, Payless Shoe Source und vor wenigen Tagen die Damenschuh-Kette Aerosoles.

Grund ist in den meisten Fällen die aggressive Konkurrenz aus dem Internet. Auch Toys 'R' Us mit seinen 1600 Geschäften weltweit hat sich nicht schnell genug auf den Handel im Internet eingestellt und bei der Auswahl des Sortiments Fehler gemacht.

Toys 'R' Us ist aber auch Opfer der Finanzinvestoren: Denn für die hohen Schulden sind nicht zuletzt die Beteiligungsgesellschaften KKR und Bain Capital verantwortlich. Die hatten den Spielzeughändler 2005 zusammen mit dem Immobilienfonds Vornado Realty Trust für 6,6 Milliarden Dollar übernommen und die Schulden dem Unternehmen aufgeladen. Das geschieht, indem sich die Beteiligungsfirmen hohe Dividenden auszahlen lassen, die das Unternehmen dadurch finanziert, dass es Schulden aufnimmt.

Im vergangenen Jahr fielen allein für die Zinszahlungen 457 Millionen Dollar an. Ohne diese Ausgaben wäre Toys 'R' Us, das bei 11,5 Milliarden Dollar Umsatz unterm Strich einen Verlust von 35 Millionen Dollar machte, sogar äußerst profitabel gewesen.

Unter dem amerikanischen Gläubigerschutz nach Chapter 11 leiten Unternehmen die Reorganisation sein und nicht die Liquidierung. In dieser Zeit können Gläubiger keine Ansprüche stellen und auch keine Zwangsvollstreckungen durchsetzen. Ziel ist es, das Unternehmen wieder so auf die Beine zu stellen, dass es wieder aus dem Chapter 11-Verfahren herauskommt und weiter operieren kann.

Toys 'R' Us will sich vom Gericht im Zuge der Umschuldung einen neuen Kredit von JP Morgan und anderen Banken über mehr als drei Milliarden Dollar genehmigen lassen. Damit will das Unternehmen in der wichtigen Weihnachtszeit geöffnet bleiben, in der es 40 Prozent seines Umsatzes macht. „Unsere Geschäfte und Webseiten bleiben geöffnet, und unsere Teammitglieder freuen sich darauf, Freudestrahlen in die Gesichter der Kinder zu bringen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Dave Brandon.

Er will die finanzielle Flexibilität nutzen, um in bessere Kundendienste und ins Online-Geschäft zu investieren, und sich „in dem immer schwierigeren und immer schneller wandelnden weltweiten Marktumfeld“ besser zu positionieren, wie er selbst sagt. In der Vergangenheit hat Chapter 11 schon vielen Unternehmen geholfen, sich wieder aufzurappeln. So haben etwa Fluggesellschaften wie United Airlines dank dieser Regelung überlebt und sind heute wieder profitabel.


Die Kunden schauen die Ware im Laden an – und kaufen bei Amazon

David Berliner, Partner bei der Beraterfirma BDO Consulting, glaubt, dass auch bei Toys 'R' Us die Würfel noch nicht gefallen sind. „Was für sie spricht ist, dass sie der letzte wichtige Akteur in ihrem Markt sind“, sagte Berliner der Nachrichtenagentur Reuters. Deshalb räumt er dem Spielzeughändler gute Überlebenschancen ein. Toys 'R 'Us hatte erst in diesem Jahr wieder auf dem Times Square in New York temporär einen Laden eröffnet - knapp zwei Jahre nachdem das Vorzeigegeschäft einen Block weiter wegen der hohen Mieten dicht gemacht hatte.

Ein Blick auf andere Einzelhändler gibt allerdings weniger Grund zur Hoffnung: Es gibt bisher kaum Ketten, die einmal Gläubigerschutz beantragt haben und wieder erfolgreich geworden sind. Die Elektronikkette Radioshack etwa ließ im März 2015 den Gläubigerschutz unter Chapter 11 hinter sich, nachdem sie bereits die Hälfte der Läden geschlossen hatte. Doch erholt hat sich die Kette nicht: Zwei Jahre später war wieder Chapter 11 angesagt, um den Ausverkauf der letzten Vermögenswerte einzuleiten.

Die einst angesagte Bekleidungskette American Apparel hatte ebenfalls vor zwei Jahren den Gläubigerschutz hinter sich gelassen, nur um ihn neun Monate später erneut zu beantragen. Mittlerweile hat der kanadische Bekleidungshersteller Gildan Activewear das Unternehmen übernommen. Die Sportartikel-Kette Sports Authority hat dagegen keinen Käufer gefunden und ihre Unternehmensteile nur in kleinen Stücken verkaufen können.

Viele Einzelhändler sind zu schnell expandiert und sitzen heute auf viel zu vielen Läden. Dabei haben sie oft das Online-Geschäft sträflich vernachlässigt. Das Ergebnis: Die Kunde kommen, probieren die Produkte aus und bestellen sie dann auf Amazon.

Eine löbliche Ausnahme ist die Elektro-Kette „Best Buy“. Das Unternehmen hat in den vergangenen sechs Quartalen stets die Erwartungen der Analysten übertroffen. Das liegt nicht nur an einer besseren Online-Präsenz. Auch die Läden mit ihren gut ausgebildeten Mitarbeitern sind gut besucht. Und weil Best Buy eine Garantie gibt, mit Amazon-Preisen mitzuhalten, kaufen die Kunden auch vor Ort.

Ob ein solcher Ansatz auch bei Spielzeugen klappt, ist unklar. Toys 'R' Us hat bereits viel ausprobiert. Auch ist die Kundenbindung bei Spielzeugen schwierig, da die Kunden schnell aus den Produkten herauswachsen und sich für Anderes interessieren. Bei Toys 'R' Us kommen die extrem hohen Schulden mit den einhergehenden Zinszahlungen hinzu, die Investitionen bremsen.

Sollte der Wandel unter Chapter 11 nicht gelingen, sind die Gläubiger dran. Dazu gehören auch Zulieferer wie Mattel und Hasbro, denen der Spielzeughändler laut Gerichtspapieren je 135 Millionen Dollar und 59 Millionen Dollar schuldet. Einem Bericht der WirtschaftsWoche zufolge sind auch Lego und Playmobil betroffen. Zumindest wissen diese Unternehmen, wem sie es zu verdanken haben: Amazon & Co und den Strategien der Finanzinvestoren, Firmen zu übernehmen und diese dann selbst für den Kauf aufkommen zu lassen.

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