Trend-Getränk Tee ist der neue Latte Macchiato

Viele Jahre lang war Tee alles andere als hip und höchstens von Kennern geschätzt. Doch das ändert sich jetzt. Start-ups und etablierte Anbieter erkennen neue Potentiale im Lieblingsgetränk der Ostfriesen.

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Tee ist ein Kultgetränk Quelle: Getty Images

Sein wohl prominenteste Anhänger ist die Queen, bei Ostfriesen steht er hoch im Kurs und in vielen deutschen Haushalten gehört er zum Frühstück wie Brot und Butter. Tee, meist Schwarztee, zählt schon viele Jahre zu einem der beliebtesten Heißgetränke in Deutschland.

27,5 Liter trinkt jeder Deutsch im Schnitt pro Jahr pro Kopf und Jahr. Die Absatzzahlen steigen seit Jahren, wie der Deutsche Teeverband in seinem aktuellen Jahresbericht frohlockt. 2013 wurden hierzulande knapp 19.400 Tonnen Tee konsumiert, was einem Wachstum von rund zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Vor zehn Jahren wurden auf dem deutschen Markt noch rund 700 Tonnen Tee weniger verkauft.

Wenig Angebot beim Tee

Und dennoch: Tee ist weit weg davon, ein Lifestyle-Getränk wie beispielsweise der Espresso zu werden. Während der kleine Kaffee sich in den vergangen Jahren einem enormen Zuspruch erfreute, George Clooney und seinem Kapselsystem sei Dank, hat der Tee es bisher noch nicht wirklich aus den Supermarktregalen, hinein in die Szenecafés geschafft. So bekommt der Kunde auch in jedem noch so kleinen Café in der Provinz einen Espresso oder Latte Macchiato, bei Tee reicht das Angebot selten über Schwarz-oder Pfefferminztee aus dem Beutel hinaus.

Die beliebtesten Teemarken in Deutschland

Das zeigt auch eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Teeverbands. Immer noch werden mehr als die Hälfte aller Tees im Supermarkt verkauft, die Gastronomie schafft es gerade einmal auf knapp fünf Prozent des Gesamtumsatzes. Dennoch tut sich etwas auf dem Markt mit den aromatischen Pflanzenblättern. Denn Hersteller wie Händler erkennen: Mit dem wachsenden Gesundheitsbewusstsein der Deutschen könnte die große Stunde des Tees bald kommen. Denn Tee gilt seit jeher als gesundheitsfördernd, während viele Mediziner von übermäßigem Kaffeekonsum abraten.

Tee aus der Kapsel

Das beste Beispiel für das Bestreben vieler Hersteller, Tee als Lifestyle-Getränk zu etablieren, liefert einer der Big Player auf dem deutschen Markt. Teekanne, neben Meßmer die bekannteste Teemarke Deutschlands, hat Anfang Oktober ein Kapselsystem vorgestellt, mit dem angeblich jeder den perfekten Tee schnell und einfach aufbrühen kann.

„Wir haben erkannt, dass Tee immer mehr als Genussmittel wahrgenommen wird und gleichzeitig das Interesse an einfach zu bedienenden Lösungen, die perfekten Genuss ermöglichen, enorm gestiegen ist“, erklärt Jesper Petersen, Leiter des Marketing bei Teekanne. So sollen Teefreunde in Zukunft den perfekten Tee nach dem Nespresso-Prinzip ganz einfach aufgießen können.

Insgesamt sei die Produktvielfalt hierzulande in den vergangenen Jahren enorm gestiegen, gleichzeitig werde Tee immer mehr im Alltag konsumiert. „Bis vor kurzem wurde Tee hauptsächlich zuhause getrunken, mittlerweile sieht man immer mehr Menschen die auch in der Öffentlichkeit, im Café oder der Bar Tee ordern“, sagt Petersen. Er glaubt, dass es vor allem das gesteigerte Gesundheitsbewusstsein vieler Menschen ist, das für neuen Wind auf dem Teemarkt sorgt: „Der Verbraucher honoriert es, wenn er ein Getränk hat, das ihm Genuss verschafft, gleichzeitig aber auch gesund ist.“

Startups mischen den Tee-Markt auf

Ganz ähnlich sieht das Patrick Ulmer: „Tee ist das perfekte Getränk für den Arbeitsalltag denn es hält einen geistig wie auch körperlich fit.“ Ulmer ist Geschäftsführer von 5Cups and some sugar, einem Berliner Startup, das seit einem guten Jahr Tee zum Selbstmischen anbietet. Im Onlineshop des zehn Mann starken Unternehmens kann der Kunde aus zahlreichen Sorten wählen, diese mischen, mit Aromen versehen oder mit unterschiedlichen Blüten verfeinern.

Ein Onlineshop für Tees nach dem MyMuesli-Konzept. Und offenbar einer mit Potenzial: Ulmer und sein Team haben im ersten Geschäftsjahr Tee für rund 1,2 Millionen Tassen verkauft.

Mythen rund um Kaffee
Kaffee Quelle: dpa
Kaffee-Filter Quelle: dpa
Kaffee Quelle: dpa
Kaffeetasse und Kaffeebohnen Quelle: dpa
Gerücht: Kaffee schadet dem HerzenDieses Gerücht scheint falsch zu sein, denn viele Studien ergaben sogar das Gegenteil: So fanden Forscher der Universität Utrecht heraus, dass täglich zwei bis vier Tassen Kaffee das Risiko eines Herzinfarkts um bis zu 20 Prozent senken können. Südkoreanische Wissenschaftler erklärten zudem, dass wenige Tassen am Tag verstopfte Arterien verhindern können. Auch ihre Forschungsergebnisse zeigten, dass Testpersonen, die drei bis fünf Tassen Kaffee pro Tag tranken, deutlich seltener unter Vorzeichen von Herzkrankheiten litten. Quelle: dpa
Gerücht: Kaffee schützt vor DiabetesZumindest senkt Kaffeekonsum das Diabetes-Risiko. Dies hat eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung ergeben. Bei täglich über vier Tassen Kaffee lässt sich das Diabetes-Risiko um ein Viertel senken. Quelle: dpa
Gerücht: Kaffee ist das beliebteste Getränk beim ersten DateTatsächlich geht mit 73,3 Prozent die Mehrheit der Deutschen beim ersten Date einen Kaffee trinken. Dies hat eine Umfrage der Online-Partnervermittlung ElitePartner ergeben. Essen gehen liegt mit 72,1 Prozent knapp dahinter. Nur 5,4 Prozent treffen sich beim ersten Date direkt zu Hause. Quelle: Fotolia

Der Geschäftsführer von 5Cups sieht in Tee das „neue große Ding“ auf dem Getränkemarkt. „Viele Tees kommen aus einem Bio-Anbau und es ist ein veganes Getränk, das passt perfekt zu dem heutigen Lebenswandel vieler Leute.“

Außerdem sei Tee aufgrund seiner vielen Variationsmöglichkeiten das perfekte Getränk für den ganzen Tag. „Am Morgen macht mich ein schwarzer Tee wach, Mittags hält mich eine grüne Variante fit und am Abend beruhigt mich ein Kräuter-oder Früchtetee“, preist Ulmer die Vielfalt an.

Viel Auswahl zu einem stolzen Preis

Der 5Cups-Chef will mit seinem Kollegen die Langeweile ablösen, die seiner Meinung nach auf dem deutschen Teemarkt vorherrscht: „Seit der Erfindung des Teebeutels vor rund 100 Jahren gab es hier keine wirkliche Innovation mehr.“

Doch nicht nur die Verpackung der Teeblätter stört ihn, auch die Möglichkeiten Tee zu kaufen hält Ulmer für veraltet: „Die meisten kaufen heute ihren Tee im Supermarkt oder in der Drogerie. Ein Teetrinker wird da allerdings nicht glücklich, weil er keinen Einfluss auf den Geschmack, auf die Zusammensetzung hat.“

Fakten zum Tee und Teekonsum

In Fachgeschäften könne man die Zusammensetzung auch nicht beeinflussen, lediglich die Auswahl der Sorten sei größer. Bei 5Cups hingegen seien rechnerisch mehr als zwei Milliarden Teemischungen möglich, außerdem würden spezielle Algorithmen garantieren, dass die am Computer erstellte Mischung auch harmoniere.

Für die persönliche Teemischung bei 5Cups zahlt man einen stolzen Preis, im Schnitt rund neun Euro je 100 Gramm. Zum Vergleich: Im Supermarkt kostet dieselbe Menge Tee etwa fünf Euro.

Das Startup rechtfertigt den hohen Preis auch mit der Qualität der Teesorten eine hervorragende Qualität und damit, dass sie meist aus Bio-Anbau stammen.

Doch sind Teetrinker hierzulande bereit, solch einen hohen Preisunterschied zu zahlen? Dessen ist sich Oliver Hausmann sicher. Der 39-Jährige ist Geschäftsführer von Lieblingstee.de, einem Onlineshop, der sich auf den Verkauf von hochwertigen Tees spezialisiert hat. „Gerade für Biotees von einer hohen Qualität sind die Kunden bereit, tiefer in die Tasche zu greifen da solch ein Tee immer mehr als Genussmittel verstanden wird“, sagt Hausmann. Auf seiner Website kosten die Tees im Schnitt rund acht Euro je 100 Gramm, neben Privatkunden beliefert er „gehobene Gastronomie“ in Köln und Berlin.

Exotische Sorten und Biotees werden beliebter

Ein Blick auf die Zahlen verrät, dass gerade Biotees in den letzten Jahren tatsächlich beliebter geworden sind. Während 2003 noch lediglich zwei Prozent der in Deutschland getrunkenen Tees aus biologischem Anbau stammten, hat sich dieser Wert heute verdreifacht.

Zehn Dinge, die Sie noch nicht über Kaffee wussten
Brasiliens Anbaufläche ist geschrumpft. Von 2 402 993 Hektar im Jahr 1970 auf 2 148 775 Hektar 2011. Dennoch ist es auch weiterhin mit großem Abstand der nach Fläche größte Produzent von Rohkaffee weltweit, es folgten 2011 mit 1293000 Hektar Indonesien und Kolumbien schon nur noch mit weniger als einem Drittel der Fläche Brasiliens, 739 413 Hektar. Quelle: AP
Trinken Sie Ihren Kaffee. Warmhalten ist nämlich schlecht. Der PH-Wert von Kaffee sinkt kontinuierlich. Beträgt er laut eines Versuchs des Westdeutschen Rundfunks zu Beginn noch 5,28, sinkt er nach einer Stunde auf 4,93 und nach drei Stunden auf der Warmhalteplatte nur noch 4,90. Unklar ist, ob das für Röstkaffee ebenso gilt wie für löslichen – fest steht aber, dass aus 100 Kilogramm Kaffeefrüchten 14 Kilo Röstkaffee produziert werden, aber nur neun Kilogramm löslicher Kaffee. Quelle: ZBSP
Eine Tasse Kaffee hat etwa 0,18 Liter Inhalt. Um eine Tasse Kaffee zu produzieren, sind bis zu dem Moment, in dem er getrunken wird, 140 Liter virtuelles Wasser nötig. Der weltweite Kaffeekonsum benötigt eine Wassermenge, die 1,5 mal so hoch ist, wie die Menge, die jährlich den Rhein hinabfließt: 120 Billionen Liter. Wer noch Milch dazu tut: Ein Liter Milch verbraucht 1000 Liter Wasser laut Vereinigung deutscher Gewässerschutz und ein Kilo Zucker 1500 Liter. Quelle: dpa
Reden wir über Geld. Arabica gilt gemeinhin als die wertvollere Sorte im Vergleich zu Robusta. Im Kilo kostet er konventionell und gewaschen mindestens 2,34, Bio-Kaffe hingegen 2,84. Robusta hingegen konventionell 1,76 das Kilo und Bio 2,26. Wer den Robusta jedoch vorschnell als Billigsorte abtut, ignoriert, dass ein Großteil der Espressomischungen für italienische Bars einen guten Prozentsatz Robusta enthält, auch, weil er dann zuverlässiger gelingt. Quelle: dpa
Wer ist Barista-Weltmeister? Welches Land stellt Ende 2013 die durch die „Specialty Coffee Association of Europe“ meisten Barista, die eine Prüfung mit Kaffeewissen und Anwendung ablegen müssen? Richtig. Südkorea. Mit 58. Ach, nicht Italien? Nein, nur 19, da hat Deutschland mit 27 mehr! Platz drei nach Deutschland geht übrigens in die Schweiz mit 24 zertifizierten Baristas. Die USA hat einen – gut, ist ja auch nicht Europa. Quelle: dpa
Dass die Kaffeekultur in den USA nicht allein durch Starbucks geprägt wird, ist jedem Reisenden mit offenen Augen klar. Sie trinken in absoluter Menge auch den meisten. 22 238 000 Säcke a 60 Kilogramm Rohkaffee haben die USA 2012 verbraucht, die Brasilianer kaum weniger mit 20 330 000. Doch dann auf Platz drei: Die Deutschen mit 8 830 Säcken a 60 Kilo. Was aber auch immer auf Madagaskar los ist: Die haben mit 425 Prozent den höchsten Anstieg im Kaffeekonsum zwischen 2000 bis 2012. Quelle: AP
Wer sind diese Menschen? Wo wohnen sie, was tun sie? 0,3 Prozent der Deutschen trinken ein mal pro Monat Kaffee. Ein Prozent immerhin einmal die Woche. Doch die größte Gruppe mit 50,3 sind diejenigen, die täglich mehrfach Kaffee trinken. Quelle: dpa

Oliver Hausmann glaubt, das die wachsende Vielfalt auf dem deutschen Markt für immer mehr Teetrinker sorgen wird: „Früher war es hauptsächlich Schwarz-und Kräutertee, heute werden exotischere Sorten wie Matcha-, Mate -, Chai- oder Oloong-Tees immer beliebter.“  Um neue Teesorten ausfindig zu machen ist Hausmann daher jedes Jahr in bekannten Anbauländern wie Taiwan oder Japan unterwegs.

Wie man guten Tee erkennt?

Doch woran erkennt man einen guten Tee? Hier scheiden sich die Geister: Während Hersteller von klassischen Teebeuteln stets betonen, dass die Größe der Teeblätter keinen Einfluss auf die Qualität habe, schwören viele Teefanatiker auf lose Blätter. „Sie sollten die Blattstruktur erkennen können, außerdem ist der Geruch ein entscheidender Faktor um die Teequalität beurteilen zu können“, erklärt Hausmann.

Ebenso wichtig sei es, den Tee in einem Sieb aufzugießen,  damit er genug Platz zum aufquellen habe. Wer trotz aller Vorbehalte beim Teegenuss dennoch nicht auf die Vorzüge eines Teebeutels verzichten wolle, dem empfiehlt Patrick Ulmer von 5Cups die moderne Variante des Teebeutels, der die Form einer Pyramide hat.

Tee geht nicht nur heiß

Bei all der Uneinigkeit über die Zubereitung von Tee, sind sich die Experten in einer Sache einig: Tee ist nicht nur gesünder als Kaffee, er hält auch besser und länger wach: „Kaffee reißt einen förmlich aus der Müdigkeit, lässt einen aber genauso schnell wieder fallen. Tee hingegen nimmt einen langsam in den Arm, weckt auf und hält einen dort lange fit“, schwärmt Patrick Ulmer. Dabei müsse Tee noch nicht einmal heiß getrunken werden.

So bieten Unternehmen wie Teekanne spezielle Mischungen an, die mit kaltem Wasser aufgegossen werden und so einen Eistee ergeben. „Es gibt mittlerweile auch Barkeeper die Cocktails mit Tee mischen oder Bars, in denen man sogenannte Teeshots bestellen kann“, erläutert Patrick Ulmer weitere Zubereitungsmöglichkeiten. Teeshots seien kleine Aufgüsse, bei denen der Tee in einer Espressomaschine zubereitet wird. „Mit Tee kann man einfach so viel mehr machen als mit Kaffee“, freut sich Ulmer.

Wird also der Tee den Kaffee hierzulande bald ablösen? So weit ist es noch nicht, dessen ist man sich bei allem Enthusiasmus einig. „Ich glaube aber, dass es immer mehr Mischtrinker gibt und geben wird, die neben Kaffee auch gerne Tee trinken“, erklärt Oliver Hausmann.

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