Trend Regionalität Das Geschäft mit den Wochenmärkten

Den Händlern auf dem Wochenmarkt geht es gut. Das liegt vor allem daran, dass die Deutschen immer mehr auf regionale Lebensmittel setzen. Probleme gibt es für die Händler aber trotzdem.

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Auf dem Rheinischen Bauernmarkt in Düsseldorf sind die Händler zufrieden mit ihrem Geschäft. Quelle: Lisa Oenning

Viele Konsumenten assoziieren mit regionalen Lebensmitteln eine höhere Qualität. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney. Auch Wochenmarkt-Besucherin Ina Dedjak ist fest davon überzeugt, dass regionale Produkte besser und damit gesünder sind als herkömmliche aus dem Supermarkt. Wöchentlich schiebt die junge Frau ihren Kinderwagen über das Friedensplätzchen im Düsseldorfer Stadtteil Unterbilk und kauft auf dem Rheinischen Bauernmarkt für ihre Familie und sich ein.

Diesmal ein Hähnchen am Stand eines Geflügelzuchtbetriebes. Da weiß sie zu 100 Prozent, woher das Tier stammt. Denn alle Händler sind hier gleichzeitig Produzenten. Es gibt keinen Zwischenhandel. „Die Leute gehen gezielt auf uns zu“, sagt Ingrid Kernbach, die seit elf Jahren für den Geflügelzuchtbetrieb auf dem Bauernmarkt arbeitet. Trotz erhöhter Nachfrage nach regionalen Produkten werde das Angebot aber bewusst konstant gehalten – zweimal pro Woche wird eine beschränkte Zahl an Puten und Hühnern geschlachtet.

Die größten Lügen der Lebensmittelindustrie
Der Name kann über Erfolg oder Misserfolg eines neuen Produktes entscheiden. Deshalb verpflichten Unternehmen zum Teil extra Namenserfinder: Das hilft aber nicht immer - manchmal sind die Namen irreführend und es versteckt sich nicht das dahinter, was man auf den ersten Blick erwartet. "Crispy Chicken" ist schlichtweg paniertes Hähnchenbrustfilet und in einem Frischkäse mit Ziegenmilch wird nicht nur Ziegenmilch drin sein, sondern auch andere Milchbestandteile. Ein Blick auf die Rückseite hilft den "richtigen" Bestandteilen auf die Spur zu kommen.Der Ratgeber "Lebensmittel-Lügen – wie die Food-Branche trickst und tarnt" deckt diese und andere 'Lügen' auf. Er ist für 9,90 Euro bei allen Verbraucherzentralen oder im Internet unter www.vz-ratgeber.de erhältlich. Quelle: dpa
Man vermutet es nicht, aber nicht selten versteckt sich Alkohol in der Zutatenliste - das ist vor allem für Alkoholiker gefährlich, die schon bei kleinsten Mengen rückfällig werden können. Achtung: Sollte sich nur eine sehr geringe Menge Alkohol in den Lebensmitteln verstecken, kann das häufig auch als Trägerstoffe oder Lösungsmittel getarnt sein und taucht dann nur als Aroma auf. Quelle: dpa
Immer mehr Verbraucher achten bei ihrem Einkauf auf regionale Produkte - das kann sich aber schnell als Lüge entpuppen. Denn ein einheitliches Gesetz gibt es dafür nicht, sondern es liegt im Ermessen der Anbieter, ob die Produkte wirklich regional sind, also dort hergestellt wurden oder nur dort verkauft werden. Man sollte sich also ganz genau die Verpackung anschauen. Quelle: dpa
Für Zutaten, die - meist verführerisch - auf Gläsern, Verpackungen oder Dosen abgebildet sind, besteht eine "Mengenkennzeichnungspflicht", die anzeigt, wie viel davon tatsächlich im Produkt steckt. Vorsicht ist noch an anderer Stelle geboten: Steht auf der Verpackung der Hinweis "Serviervorschlag", dann entfällt eine Kennzeichnungspflicht. Zutaten, die dann auf dem Glas gezeigt werden, sind oft gar nicht enthalten, kritisiert die Verbraucherzentrale. Quelle: dpa/dpaweb
Noch eine Lüge kann sich hinter dem Terminus 'Hausfrauenart' verstecken. Denn neben der Regionalität der Produkte liegen auch solche im Trend, die auf Geschmacksverstärker und Konservierungsstoffe verzichten. Es erklärt sich allerdings beinahe von selbst, dass die Produkte aus dem Supermarkt, vor allem in der Vielzahl, wie sie dort stehen, direkt aus dem Kochtopf von Oma in das Glas hüpfen. Quelle: dpa
Lecker und gesund schließt sich leider in der Mehrzahl der Fälle aus: Die Wahrheit zeigt dann ein Blick auf die Nährwerttabelle - und hilft dabei die Lebensmittel, die zwar mit einer "Extraportion Milch" werben, aber verschweigen, dass da auch mehr Zucker und mehr Fett drin ist, zu entlarven. Quelle: dpa
Immer mehr Hersteller ersetzten Originalzutaten durch Billigstoffe und deklarierten das nicht deutlich genug auf der Verpackung, kritisieren Verbraucherschützer. Ein weiteres Problem: Oft fehlt das Zutatenverzeichnis ganz oder ist nur schwer lesbar. Ausnahmen darf es etwa bei Käse oder Getränken mit Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Prozent geben, sonst aber nicht. Der Verbraucherschutz empfiehlt deshalb, sich beim Hersteller zu beschweren, wenn das Verzeichnis fehlt. Quelle: AP

Bei einer erhöhten Nachfrage, die Anzahl der Tiere zu erhöhen, kommt für den Geflügelzuchtbetrieb nicht infrage: „Wenn wir das Angebot ausweiten, geht das zu Lasten der Qualität“, sagt Kernbach. Sie isst selbst nur zweimal pro Woche Fleisch.

Die Studie legt nahe, dass die Identifikation mit der Heimat ein starker Antreiber für den Kauf regionaler Lebensmittel ist. Mit regionalen Handelsmarken verbinden Konsumenten Qualität. Sie sind bereit, für regionale Produkte einen höheren Preis zu bezahlen – weil sie davon überzeugt sind, dass diese besser schmecken und der Konsum umweltfreundlicher ist.

Für Dr. Mirko Warschun, Autor der Studie von A.T. Kearney, ist die bewusste Entscheidung für regionale Lebensmittel ein wesentlicher Teil des Konsumwandels: Die Konsumenten legen mittlerweile mehr Wert auf ethische Kriterien, indem sie den Fleischverzehr kritisch hinterfragen oder sogar komplett darauf verzichten. Diese neue Ernährungsform sei für viele sogar eine Art Statussymbol.

Mit ihrem wöchentlichen Besuch des Markts liegt die Düsseldorferin Ina Dedjak über dem bundesweiten Durchschnitt. Laut Gesellschaft für Konsumforschung haben nur 25 Prozent der Deutschen angegeben, Wochenmärkte zu besuchen. Im Schnitt 12,7 Mal pro Jahr – also etwa einmal pro Monat. Zum Vergleich: Fast jeder Deutsche kauft mehr als einmal pro Woche im Discounter ein.

Die Studie

Auf dem von Bäumen gesäumten Friedensplätzchen herrscht eine angenehme Atmosphäre: Senioren, junge Frauen mit Kinderwagen, aber auch Paare gehen gemütlich über das Gelände. Hier riecht es gerade noch nach frischen Schnittblumen, ein paar Meter weiter steigt den Besuchern der Geruch von gereiftem Käse in die Nase. Zwar müssen die Kunden sich an fast jedem Stand in eine Warteschlange stellen – aber niemand drängelt oder scheint es eilig zu haben. Vor dem Kauf informieren sich viele bei den Händlern über die Produkte, vergleichen sie miteinander, wollen wissen, wie sie hergestellt wurden. Die Kunden zahlen hier teilweise auch höhere Preise als im Supermarkt. Gerechtfertigt, wie Elke Benger findet, die Eier, Brotaufstrich und Kürbisse anbietet. „Man steht zwar wegen der Supermärkte unter Druck“, gibt sie zu. „Aber wenn man zu 100 Prozent hinter seinem Produkt steht, dann kann man auch höhere Preise verlangen.“ Auf ihrem Hof hält sie 500 Hühner in Freilandhaltung. In einem Mobilstall werden die Tiere regelmäßig zu verschiedenen Weidestellen gebracht, sodass sie permanent mit frischem Gras versorgt werden, erzählt sie. Trotz höherer Preise kaufen immer mehr Kunden bei ihr ein – vor allem junge Familien. 

Ähnliches berichten auch die anderen Händler. Um neue Kundschaft anzulocken, denken sich die Händler immer wieder unterschiedliche Aktionen aus: ein Frühstücks-Talk mit Produzenten, ein Erntedankfest, Kundenbesuche bei den Produzenten. "Wir wollen unsere Kundschaft informieren. Denn am Stand fehlt dazu manchmal die Zeit", sagt Marktsprecher Klaus Hüskes.

Probleme hat der Wochenmarkt trotz steigender Beliebtheit

Laut der Studie von A.T. Kearney haben im vergangenen Jahr 35 Prozent mehr Verbraucher wöchentlich regionale Lebensmittel eingekauft – allerdings hauptsächlich in Supermärkten. 43 Prozent der befragten Personen gaben an, die Waren auf Wochenmärkten oder bei Biobauern einzukaufen. Damit landet der Warenverkauf unter freiem Himmel bislang auf Platz zwei, wenn sich Konsumenten für regionale Produkte entscheiden: Doch der Discounter verliere immer mehr an Bedeutung als Verkaufsstelle für regionale Produkte. Denn das größte Vertrauen haben die Kunden in Bauernmärkte und Biobauern.

Und dieses Vertrauen versuchen große Supermarktketten zu erwecken, indem sie den Trend der bewussten und gesunden Ernährung in ihr Verkaufskonzept aufzunehmen: regional gekennzeichnete Waren, Bio- und Fair-Trade-Produkte, Frischeabteilungen. Damit treten sie in unmittelbare Konkurrenz zu den Wochenmärkten, weiß Dr. Robert Kecskes, Leiter der Abteilung Strategic Customer Development bei der Gesellschaft für Konsumforschung. Dass viele Haushalte über Stress klagen, spielt den großen Lebensmittelhändlern zusätzlich in die Karten. Wegen des Zeitdrucks kaufen die Kunden seltener ein. Die Konsequenz: „Vor allem Erwerbstätige gehen samstags in die Supermärkte, weil die Einkaufsatmosphäre angenehm ist, es dort ein Vollsortiment gibt und dadurch der Wocheneinkauf getätigt werden kann“, sagt Kecskes. Vielen fehlt die Zeit und auch die Lust, auf einem Wochenmarkt einzukaufen, wenn sie regionale Produkte auch direkt im Supermarkt bekommen.

Wer vom Boom bei den Öko-Lebensmitteln profitiert

Das hat auch die Gemeinschaft der Marktbeschicker in Münster erkannt, die die Interessen der Händler gegenüber der Stadt vertritt. 140 selbstständige Geschäftsleute bieten auf dem Domplatz mittwochs und samstags ihre Waren zum Verkauf an. Auch wenn die Veranstalter zufrieden mit der Besucherzahl sind, sehen sie mittlerweile Handlungsbedarf: „Immer mehr Frauen sind berufstätig. Deshalb kommen am Mittwochmorgen weniger Besucher als sonst“, sagt Rita Westhoff, die seit 16 Jahren für den Markt verantwortlich ist und selbst einen Stand betreibt. Ein Teil der Interessengemeinschaft will jetzt reagieren und den Wochenmarkt in den Abendstunden ausrichten, damit auch berufstätige Frauen die Möglichkeit haben, bei ihnen einzukaufen. Andere Händler stehen dieser Idee aber kritisch gegenüber – weil sie zu diesem Zeitpunkt keine Zeit haben, aber auch wegen des Abbaus und des Einkaufs der Ware. „Wir müssen noch eine gemeinsame Lösung finden“, sagt Westhoff. Den Münsteraner Wochenmarkt gibt es seit 1800. Rita Westhoff ist sich sicher, dass es ihn auch in Zukunft weiter geben wird. "Man muss nur mit der Zeit gehen."

Die Besucherzahl auf den Essener Wochenmärkten ist zwar konstant – dafür hat die EVV Verwertungs- und Betriebs Gesellschaft dort ein anderes Problem: Die Zahl der Händler ist rückläufig. Den Wochenmarktbetreibern fällt es schwer, Nachwuchs zu finden. Das hängt nach der Meinung von Leiter Wolfgang Fröhlich mit der Attraktivität des Berufs zusammen: „Die Händler müssen extrem früh zum Großmarkt fahren, um die Frischeprodukte zu kaufen, dann müssen sie ihren Stand aufbauen, die Waren verkaufen und den Stand wieder abbauen.“ Ein Arbeitstag dauere im Schnitt 12 bis 13 Stunden. Hinzu komme die Konkurrenz durch die Supermärkte. Das Geschäft rentiert sich seiner Meinung nach nicht. „Am Wochenmarktgeschäft verdient man sich als Händler definitiv keine goldene Nase“, sagt er. Derzeit arbeitet Fröhlich mit 210 Vertragshändlern und weiteren Tageshändlern auf 27 Märkten in Essen zusammen. Tendenz sinkend.

Trotz der Probleme ist Kecskes überzeugt, dass Wochenmärkte auch weiterhin bestehen werden: „Auch wenn Supermärkte versuchen, im Obst- und Gemüsebereich Wochenmärkte zu imitieren, wird ihnen das nie ganz gelingen“, ist der Experte überzeugt.

Dafür sprechen seiner Meinung nach zwei Alleinstellungsmerkmale: der Verkauf unter freiem Himmel und der Markt als sozialer Treffpunkt, an dem Bekannte sich austauschen. In der jüngeren Generation sieht er sogar eine potenzielle Zielgruppe des Wochenmarktes. „Jüngere wünschen sich Regionalität und Authentizität. Das kann der Wochenmarkt erfüllen.“ Allerdings müssten Besucher und Händler flexibel sein.

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