Viele Konsumenten assoziieren mit regionalen Lebensmitteln eine höhere Qualität. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney. Auch Wochenmarkt-Besucherin Ina Dedjak ist fest davon überzeugt, dass regionale Produkte besser und damit gesünder sind als herkömmliche aus dem Supermarkt. Wöchentlich schiebt die junge Frau ihren Kinderwagen über das Friedensplätzchen im Düsseldorfer Stadtteil Unterbilk und kauft auf dem Rheinischen Bauernmarkt für ihre Familie und sich ein.
Diesmal ein Hähnchen am Stand eines Geflügelzuchtbetriebes. Da weiß sie zu 100 Prozent, woher das Tier stammt. Denn alle Händler sind hier gleichzeitig Produzenten. Es gibt keinen Zwischenhandel. „Die Leute gehen gezielt auf uns zu“, sagt Ingrid Kernbach, die seit elf Jahren für den Geflügelzuchtbetrieb auf dem Bauernmarkt arbeitet. Trotz erhöhter Nachfrage nach regionalen Produkten werde das Angebot aber bewusst konstant gehalten – zweimal pro Woche wird eine beschränkte Zahl an Puten und Hühnern geschlachtet.
Bei einer erhöhten Nachfrage, die Anzahl der Tiere zu erhöhen, kommt für den Geflügelzuchtbetrieb nicht infrage: „Wenn wir das Angebot ausweiten, geht das zu Lasten der Qualität“, sagt Kernbach. Sie isst selbst nur zweimal pro Woche Fleisch.
Die Studie legt nahe, dass die Identifikation mit der Heimat ein starker Antreiber für den Kauf regionaler Lebensmittel ist. Mit regionalen Handelsmarken verbinden Konsumenten Qualität. Sie sind bereit, für regionale Produkte einen höheren Preis zu bezahlen – weil sie davon überzeugt sind, dass diese besser schmecken und der Konsum umweltfreundlicher ist.
Für Dr. Mirko Warschun, Autor der Studie von A.T. Kearney, ist die bewusste Entscheidung für regionale Lebensmittel ein wesentlicher Teil des Konsumwandels: Die Konsumenten legen mittlerweile mehr Wert auf ethische Kriterien, indem sie den Fleischverzehr kritisch hinterfragen oder sogar komplett darauf verzichten. Diese neue Ernährungsform sei für viele sogar eine Art Statussymbol.
Mit ihrem wöchentlichen Besuch des Markts liegt die Düsseldorferin Ina Dedjak über dem bundesweiten Durchschnitt. Laut Gesellschaft für Konsumforschung haben nur 25 Prozent der Deutschen angegeben, Wochenmärkte zu besuchen. Im Schnitt 12,7 Mal pro Jahr – also etwa einmal pro Monat. Zum Vergleich: Fast jeder Deutsche kauft mehr als einmal pro Woche im Discounter ein.
Die Studie
Die A.T.-Kearney-Studie untersucht den Markt für regionale Lebensmittel in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Dazu wurden 1000 Vebraucher in den drei Ländern befragt.
Auf dem von Bäumen gesäumten Friedensplätzchen herrscht eine angenehme Atmosphäre: Senioren, junge Frauen mit Kinderwagen, aber auch Paare gehen gemütlich über das Gelände. Hier riecht es gerade noch nach frischen Schnittblumen, ein paar Meter weiter steigt den Besuchern der Geruch von gereiftem Käse in die Nase. Zwar müssen die Kunden sich an fast jedem Stand in eine Warteschlange stellen – aber niemand drängelt oder scheint es eilig zu haben. Vor dem Kauf informieren sich viele bei den Händlern über die Produkte, vergleichen sie miteinander, wollen wissen, wie sie hergestellt wurden. Die Kunden zahlen hier teilweise auch höhere Preise als im Supermarkt. Gerechtfertigt, wie Elke Benger findet, die Eier, Brotaufstrich und Kürbisse anbietet. „Man steht zwar wegen der Supermärkte unter Druck“, gibt sie zu. „Aber wenn man zu 100 Prozent hinter seinem Produkt steht, dann kann man auch höhere Preise verlangen.“ Auf ihrem Hof hält sie 500 Hühner in Freilandhaltung. In einem Mobilstall werden die Tiere regelmäßig zu verschiedenen Weidestellen gebracht, sodass sie permanent mit frischem Gras versorgt werden, erzählt sie. Trotz höherer Preise kaufen immer mehr Kunden bei ihr ein – vor allem junge Familien.
Ähnliches berichten auch die anderen Händler. Um neue Kundschaft anzulocken, denken sich die Händler immer wieder unterschiedliche Aktionen aus: ein Frühstücks-Talk mit Produzenten, ein Erntedankfest, Kundenbesuche bei den Produzenten. "Wir wollen unsere Kundschaft informieren. Denn am Stand fehlt dazu manchmal die Zeit", sagt Marktsprecher Klaus Hüskes.
Probleme hat der Wochenmarkt trotz steigender Beliebtheit
Laut der Studie von A.T. Kearney haben im vergangenen Jahr 35 Prozent mehr Verbraucher wöchentlich regionale Lebensmittel eingekauft – allerdings hauptsächlich in Supermärkten. 43 Prozent der befragten Personen gaben an, die Waren auf Wochenmärkten oder bei Biobauern einzukaufen. Damit landet der Warenverkauf unter freiem Himmel bislang auf Platz zwei, wenn sich Konsumenten für regionale Produkte entscheiden: Doch der Discounter verliere immer mehr an Bedeutung als Verkaufsstelle für regionale Produkte. Denn das größte Vertrauen haben die Kunden in Bauernmärkte und Biobauern.
Und dieses Vertrauen versuchen große Supermarktketten zu erwecken, indem sie den Trend der bewussten und gesunden Ernährung in ihr Verkaufskonzept aufzunehmen: regional gekennzeichnete Waren, Bio- und Fair-Trade-Produkte, Frischeabteilungen. Damit treten sie in unmittelbare Konkurrenz zu den Wochenmärkten, weiß Dr. Robert Kecskes, Leiter der Abteilung Strategic Customer Development bei der Gesellschaft für Konsumforschung. Dass viele Haushalte über Stress klagen, spielt den großen Lebensmittelhändlern zusätzlich in die Karten. Wegen des Zeitdrucks kaufen die Kunden seltener ein. Die Konsequenz: „Vor allem Erwerbstätige gehen samstags in die Supermärkte, weil die Einkaufsatmosphäre angenehm ist, es dort ein Vollsortiment gibt und dadurch der Wocheneinkauf getätigt werden kann“, sagt Kecskes. Vielen fehlt die Zeit und auch die Lust, auf einem Wochenmarkt einzukaufen, wenn sie regionale Produkte auch direkt im Supermarkt bekommen.
Wer vom Boom bei den Öko-Lebensmitteln profitiert
Umsatz 2013: 7,55 Milliarden Euro
Umsatz 2014: 7,91 Milliarden Euro
Quelle: Arbeitskreis Biomarkt
Lebensmittelhandel einschließlich Drogeriemärkte
Anteil am Gesamtmarkt: 53 Prozent
Umsatz 2013: 4,06 Milliarden Euro
Umsatz 2014: 4,21 Milliarden Euro
Naturkostfachgeschäfte
Anteil am Gesamtmarkt: 33 Prozent
Umsatz 2013: 2,40 Milliarden Euro
Umsatz 2014: 2,62 Milliarden Euro
Sonstige
Bäckereien, Metzgereien, Obst/Gemüse-Fachgeschäfte, Wochenmärkte, Ab-Hof
Anteil am Gesamtmarkt: 14 Prozent
Umsatz 2013: 1,10 Milliarden Euro
Umsatz 2014: 1,09 Milliarden Euro
Das hat auch die Gemeinschaft der Marktbeschicker in Münster erkannt, die die Interessen der Händler gegenüber der Stadt vertritt. 140 selbstständige Geschäftsleute bieten auf dem Domplatz mittwochs und samstags ihre Waren zum Verkauf an. Auch wenn die Veranstalter zufrieden mit der Besucherzahl sind, sehen sie mittlerweile Handlungsbedarf: „Immer mehr Frauen sind berufstätig. Deshalb kommen am Mittwochmorgen weniger Besucher als sonst“, sagt Rita Westhoff, die seit 16 Jahren für den Markt verantwortlich ist und selbst einen Stand betreibt. Ein Teil der Interessengemeinschaft will jetzt reagieren und den Wochenmarkt in den Abendstunden ausrichten, damit auch berufstätige Frauen die Möglichkeit haben, bei ihnen einzukaufen. Andere Händler stehen dieser Idee aber kritisch gegenüber – weil sie zu diesem Zeitpunkt keine Zeit haben, aber auch wegen des Abbaus und des Einkaufs der Ware. „Wir müssen noch eine gemeinsame Lösung finden“, sagt Westhoff. Den Münsteraner Wochenmarkt gibt es seit 1800. Rita Westhoff ist sich sicher, dass es ihn auch in Zukunft weiter geben wird. "Man muss nur mit der Zeit gehen."
Die Besucherzahl auf den Essener Wochenmärkten ist zwar konstant – dafür hat die EVV Verwertungs- und Betriebs Gesellschaft dort ein anderes Problem: Die Zahl der Händler ist rückläufig. Den Wochenmarktbetreibern fällt es schwer, Nachwuchs zu finden. Das hängt nach der Meinung von Leiter Wolfgang Fröhlich mit der Attraktivität des Berufs zusammen: „Die Händler müssen extrem früh zum Großmarkt fahren, um die Frischeprodukte zu kaufen, dann müssen sie ihren Stand aufbauen, die Waren verkaufen und den Stand wieder abbauen.“ Ein Arbeitstag dauere im Schnitt 12 bis 13 Stunden. Hinzu komme die Konkurrenz durch die Supermärkte. Das Geschäft rentiert sich seiner Meinung nach nicht. „Am Wochenmarktgeschäft verdient man sich als Händler definitiv keine goldene Nase“, sagt er. Derzeit arbeitet Fröhlich mit 210 Vertragshändlern und weiteren Tageshändlern auf 27 Märkten in Essen zusammen. Tendenz sinkend.
Trotz der Probleme ist Kecskes überzeugt, dass Wochenmärkte auch weiterhin bestehen werden: „Auch wenn Supermärkte versuchen, im Obst- und Gemüsebereich Wochenmärkte zu imitieren, wird ihnen das nie ganz gelingen“, ist der Experte überzeugt.
Dafür sprechen seiner Meinung nach zwei Alleinstellungsmerkmale: der Verkauf unter freiem Himmel und der Markt als sozialer Treffpunkt, an dem Bekannte sich austauschen. In der jüngeren Generation sieht er sogar eine potenzielle Zielgruppe des Wochenmarktes. „Jüngere wünschen sich Regionalität und Authentizität. Das kann der Wochenmarkt erfüllen.“ Allerdings müssten Besucher und Händler flexibel sein.