Laut der Studie von A.T. Kearney haben im vergangenen Jahr 35 Prozent mehr Verbraucher wöchentlich regionale Lebensmittel eingekauft – allerdings hauptsächlich in Supermärkten. 43 Prozent der befragten Personen gaben an, die Waren auf Wochenmärkten oder bei Biobauern einzukaufen. Damit landet der Warenverkauf unter freiem Himmel bislang auf Platz zwei, wenn sich Konsumenten für regionale Produkte entscheiden: Doch der Discounter verliere immer mehr an Bedeutung als Verkaufsstelle für regionale Produkte. Denn das größte Vertrauen haben die Kunden in Bauernmärkte und Biobauern.
Und dieses Vertrauen versuchen große Supermarktketten zu erwecken, indem sie den Trend der bewussten und gesunden Ernährung in ihr Verkaufskonzept aufzunehmen: regional gekennzeichnete Waren, Bio- und Fair-Trade-Produkte, Frischeabteilungen. Damit treten sie in unmittelbare Konkurrenz zu den Wochenmärkten, weiß Dr. Robert Kecskes, Leiter der Abteilung Strategic Customer Development bei der Gesellschaft für Konsumforschung. Dass viele Haushalte über Stress klagen, spielt den großen Lebensmittelhändlern zusätzlich in die Karten. Wegen des Zeitdrucks kaufen die Kunden seltener ein. Die Konsequenz: „Vor allem Erwerbstätige gehen samstags in die Supermärkte, weil die Einkaufsatmosphäre angenehm ist, es dort ein Vollsortiment gibt und dadurch der Wocheneinkauf getätigt werden kann“, sagt Kecskes. Vielen fehlt die Zeit und auch die Lust, auf einem Wochenmarkt einzukaufen, wenn sie regionale Produkte auch direkt im Supermarkt bekommen.
Wer vom Boom bei den Öko-Lebensmitteln profitiert
Umsatz 2013: 7,55 Milliarden Euro
Umsatz 2014: 7,91 Milliarden Euro
Quelle: Arbeitskreis Biomarkt
Lebensmittelhandel einschließlich Drogeriemärkte
Anteil am Gesamtmarkt: 53 Prozent
Umsatz 2013: 4,06 Milliarden Euro
Umsatz 2014: 4,21 Milliarden Euro
Naturkostfachgeschäfte
Anteil am Gesamtmarkt: 33 Prozent
Umsatz 2013: 2,40 Milliarden Euro
Umsatz 2014: 2,62 Milliarden Euro
Sonstige
Bäckereien, Metzgereien, Obst/Gemüse-Fachgeschäfte, Wochenmärkte, Ab-Hof
Anteil am Gesamtmarkt: 14 Prozent
Umsatz 2013: 1,10 Milliarden Euro
Umsatz 2014: 1,09 Milliarden Euro
Das hat auch die Gemeinschaft der Marktbeschicker in Münster erkannt, die die Interessen der Händler gegenüber der Stadt vertritt. 140 selbstständige Geschäftsleute bieten auf dem Domplatz mittwochs und samstags ihre Waren zum Verkauf an. Auch wenn die Veranstalter zufrieden mit der Besucherzahl sind, sehen sie mittlerweile Handlungsbedarf: „Immer mehr Frauen sind berufstätig. Deshalb kommen am Mittwochmorgen weniger Besucher als sonst“, sagt Rita Westhoff, die seit 16 Jahren für den Markt verantwortlich ist und selbst einen Stand betreibt. Ein Teil der Interessengemeinschaft will jetzt reagieren und den Wochenmarkt in den Abendstunden ausrichten, damit auch berufstätige Frauen die Möglichkeit haben, bei ihnen einzukaufen. Andere Händler stehen dieser Idee aber kritisch gegenüber – weil sie zu diesem Zeitpunkt keine Zeit haben, aber auch wegen des Abbaus und des Einkaufs der Ware. „Wir müssen noch eine gemeinsame Lösung finden“, sagt Westhoff. Den Münsteraner Wochenmarkt gibt es seit 1800. Rita Westhoff ist sich sicher, dass es ihn auch in Zukunft weiter geben wird. "Man muss nur mit der Zeit gehen."
Die Besucherzahl auf den Essener Wochenmärkten ist zwar konstant – dafür hat die EVV Verwertungs- und Betriebs Gesellschaft dort ein anderes Problem: Die Zahl der Händler ist rückläufig. Den Wochenmarktbetreibern fällt es schwer, Nachwuchs zu finden. Das hängt nach der Meinung von Leiter Wolfgang Fröhlich mit der Attraktivität des Berufs zusammen: „Die Händler müssen extrem früh zum Großmarkt fahren, um die Frischeprodukte zu kaufen, dann müssen sie ihren Stand aufbauen, die Waren verkaufen und den Stand wieder abbauen.“ Ein Arbeitstag dauere im Schnitt 12 bis 13 Stunden. Hinzu komme die Konkurrenz durch die Supermärkte. Das Geschäft rentiert sich seiner Meinung nach nicht. „Am Wochenmarktgeschäft verdient man sich als Händler definitiv keine goldene Nase“, sagt er. Derzeit arbeitet Fröhlich mit 210 Vertragshändlern und weiteren Tageshändlern auf 27 Märkten in Essen zusammen. Tendenz sinkend.
Trotz der Probleme ist Kecskes überzeugt, dass Wochenmärkte auch weiterhin bestehen werden: „Auch wenn Supermärkte versuchen, im Obst- und Gemüsebereich Wochenmärkte zu imitieren, wird ihnen das nie ganz gelingen“, ist der Experte überzeugt.
Dafür sprechen seiner Meinung nach zwei Alleinstellungsmerkmale: der Verkauf unter freiem Himmel und der Markt als sozialer Treffpunkt, an dem Bekannte sich austauschen. In der jüngeren Generation sieht er sogar eine potenzielle Zielgruppe des Wochenmarktes. „Jüngere wünschen sich Regionalität und Authentizität. Das kann der Wochenmarkt erfüllen.“ Allerdings müssten Besucher und Händler flexibel sein.