Unilever Aktionäre contra Arbeitsplätze

Unilever gerät mit seinem Sparprogramm in den Bundestagswahlkampf. Bundeswirtschaftsministerin Zypries kam zur Betriebsversammlung in die Deutschland-Zentrale – konnte den Mitarbeitern aber kaum Hoffnungen machen.

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Das Eiswerk in Hoppenheim ist wohl gesichert. Schlechter sieht es für die Margarine-Werke aus. Quelle: obs

Hamburg, Berlin Der Fall ist brisant: Streicht Unilever 1000 Stellen, nur um die Rendite von auskömmlichen gut 16 Prozent auf glänzende 20 Prozent zu treiben? Stehen deshalb die Werke für die Marken Pfanni und Knorr im vogtländischen Auerbach, in Heilbronn und in Stavenhagen auf der Kippe? Und was wird aus den Margarine-Standorten Kleve und Pratau? All diese Fragen stellt der Betriebsrat bei einer Betriebsversammlung am Dienstagnachmittag in der Deutschland-Zentrale in Hamburg.

Prominente Unterstützung bekamen die Unilever-Beschäftigten dabei von Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und DGB-Chef Reiner Hoffmann. Mitten im Bundestagwahlkampf versprechen solche Termine positive Reaktionen bei potenziellen Wählern. Doch weder Hoffmann noch Zypries konnten den Mitarbeitern viel Hoffnung machen.

Auf ein Statement vor der Presse verzichtete Zypries ganz und auch intern bei der Betriebsversammlung zeigte sie sich zurückhaltend. Nach Angaben von Teilnehmern kündigte sie lediglich an, eine künftige Bundesregierung müsse die Mitbestimmung weiter stärken. Zu den Sparplänen bei Unilever soll sie sich nicht konkreter geäußert haben. Es seien aber solide Verhandlungen nötig.

„Die Geschäftsleitung von Unilever Deutschland ist offensichtlich selbst nicht über alle Details informiert“, ärgerte sich DGB-Chef Hoffmann am Dienstagnachmittag. Die Sparvorgaben kämen aus den Konzernzentralen in London und Amsterdam. Die deutsche Mitbestimmung stoße in solchen internationalen Konzernen regelmäßig an ihre Grenzen. Ein Unilever-Sprecher versuchte zu beruhigen. Noch werde tatsächlich nur geprüft – gemeinsam mit Arbeitnehmervertretern. Erst in einigen Monaten sei mit Ergebnissen zu rechnen. 

Unilever-Betriebsratschef Hermann Soggeberg rechnete vor, es stünden etliche Jobs auf der Kippe: 300 Arbeitsplätze in der Produktion in Deutschland sowie Verwaltungsmitarbeiter könnten bei einem Verkauf des Margarine-Geschäfts aus dem Konzern fallen, weitere mehr als 200 Mitarbeiter in Lagern könnten ausgegliedert werden. Zudem sollten 200 Forschungs-Jobs von Heilbronn in die Niederlande verlagert werden. „Ich würde mich freuen, wenn das Unternehmen am Ende der Untersuchung zu dem Schluss kommt: All das passiert nicht“, sagte Soggeberg. Er sei jedoch wenig optimistisch. Bislang habe das Management keine Standort- oder Arbeitsplatzgarantien geben wollen. Verhandlungen liefen auf europäischer Ebene.

Nach Angaben eines Unilever-Sprechers hat Deutschland-Chef Ulli Gritzuhn den Betriebsrat in der vergangenen Woche darüber informiert, mit den Arbeitnehmervertretern zusammen „ergebnisoffen“ die Standorte zu untersuchen. Gritzuhn selbst wollte sich vor der Presse nicht äußern.

Mit seinen globalen Sparplänen gerät Unilever in Deutschland genau in den Bundestagswahlkampf. Doch strategisch ist das Sparpaket vor allem für die Börse wichtig: Ende Februar gab Konzernchef Paul Polman Investoren rund um Warren Buffet einen Korb. Die Amerikaner wollten den von ihnen gestützten Lebensmittelriesen Kraft Heinz mit Unilever fusionieren. Für die Aktionäre hätte das ein gutes Geschäft werden können – deshalb musste Polman ihnen etwas anderes in Aussicht stellen.

Eilig legte er einen Plan auf, die Rendite von zuletzt 16,4 Prozent bis 2020 auf 20 Prozent zu bringen. 3,5 Milliarden Euro stehen für einen Umbau bereit, der weltweit Jobs kosten sollen. Der schon lange angedeutete Abschied vom Stammgeschäft mit Margarine soll endlich umgesetzt werden, die Einheiten Erfrischungen um Lipton und Lebensmittel um Knorr sollen mit Sitz in den Niederlanden zusammengelegt werden.  Zudem prüft Polman, den Doppelsitz in Großbritannien und den Niederlanden zugunsten eines einheitlichen rechtlichen Standorts aufzugeben. Bislang ist Unilever zugleich in Amsterdam und London an der Börse notiert. Polman will zudem deutlich bei Werbeausgaben sparen.


Der Staat kann gegen den Rendite-Hunger der Märkte nichts tun

Konzernchef Polman muss besonders beweisen, dass es ihm ernst ist mit der Rendite. In der Branche hat er sich den Ruf als Mister Nachhaltigkeit hart erarbeitet. Doch einige Anleger wollen lieber Rendite sehen als Ressourcenschutz. Polman muss zeigen, dass sich beides vereinbaren lässt. Über die Gesamtwirtschaft sind 16 Prozent Rendite in der aktuellen Zinslage zwar gut, im Vergleich mit anderen Konsumgüter-Markenkonzernen liegt Unilever allerdings eher im Mittelfeld. Wegen der stabilen Branchenlage gelten Konsumgüter-Aktien als vergleichsweise hoch bewertet – entsprechend müssen die Konzerne liefern.

Im ersten Halbjahr 2017 verbesserte Unilever seine Marge bereits um 1,8 Prozentpunkte. Analysten bemerkten, das sei ein so großer Fortschritt wie in den gesamten acht Jahren davor zusammengenommen. „Wie dem auch sei, als nächstes stellt sich die wahre Frage: Wird Unilevers Mengenwachstum dasjenige der Konkurrenten 2018 und drüber hinaus übertreffen? Das erste Halbjahr 2017 bestärkt uns nicht in dieser Annahme“, schrieben die UBS-Analysten. Ein einheitlicher Konzernsitz könne künftig aber Abspaltungen oder größere Zukäufe erleichtern – auch wenn sich diese derzeit nicht abzeichneten.

„Es geht darum, die Margen immer höher zu treiben. bei den letzten Abspaltungen ging es um 15 Prozent, jetzt um 20, demnächst dann um 25, 30 Prozent“, wetterte Betriebsrat Soggeberg. DGB-Chef Hoffmann pflichtete bei: „Es kann nicht sein, dass man jetzt Strategien an den Tag legt, die denjenigen von Finanzinvestoren gleichen.“ Ziel müsse Beschäftigungssicherung sein. Die Interessen der Arbeitnehmer müssten vor denjenigen des Kapitalmarkts stehen.

Doch gegen den Renditehunger des Kapitalmarkts kann auch Wirtschaftsministerin Zypries wenig ausrichten: Das Unternehmen könne nicht staatlich vor Übernahmen geschützt werden, habe sie laut Teilnehmern gesagt. Tatsächlich kann der Staat nur in seltenen Übernahmefällen eingreifen, etwa wenn sicherheitspolitische Interessen Deutschlands gefährdet sind. „Wir müssen realistisch sehen, dass die Bundesregierung hier nur eingeschränkte Möglichkeiten hat“, sagte DGB-Chef Hoffmann.

Doch Unilever selbst könnte es sich mit seinen Spar-Plänen schwer machen, in Deutschland qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Dabei warb der Konzern mit seinem architektonisch ausgefallen und nachhaltigen Gebäude an der Elbe auch für ein gutes Arbeitsklima. Bis zur Eröffnung der Aussichtsetage der Elbphilharmonie im vergangenen November galt das weiße Bürohaus mit der Aussicht über den Fluss sogar als das von Hamburg-Touristen meistbesuchte Gebäude in der Stadt.

Immerhin: Konkrete Pläne will Unilever erst im Oktober vorlegen. Dann ist die Bundestagswahl bereits gelaufen.

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