Verhandlungsexperte zu Kaiser's Tengelmann „Ego-Shooting der Vorstandschefs”

Eine Schlichtung soll doch noch eine Einigung zwischen Tengelmann und Rewe bringen. Verhandlungsexperte Thorsten Hofmann erklärt, was die Gespräche so schwierig macht und was Mediator Gerhard Schröder noch retten könnte.

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Im Streit um die angeschlagene Supermarktkette ist insbesondere die Front zwischen Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub und Rewe-Chef Alan Caparros verhärtet. Quelle: dpa

Düsseldorf Im Streit um die Ministererlaubnis für die Übernahme von Kaiser‘s Tengelmann durch Edeka soll jetzt bei einem erneuten Spitzentreffen ein letzter Versuch unternommen werden eine Einigung zu finden. Diesmal soll Altkanzler Gerhard Schröder als Mediator zwischen den Parteien vermitteln.

Doch zwischen Tengelmann und Rewe verläuft ein tiefer Graben. Mehrfach hatte es Hoffnungszeichen gegeben, doch vor einer guten Woche waren die Gespräche zwischen den Unternehmen ergebnislos abgebrochen worden. Tengelmann wollte Rewe davon überzeugen, die Klage gegen die Ministererlaubnis zurückzuziehen. Doch die Positionen sind offenbar noch weit von einander entfernt.

Dazu kommt: Haub und Rewe-Chef Alain Caparros haben auch persönlich nicht das beste Verhältnis. In öffentlichen Äußerungen und Interviews haben sie sich beschimpft und sich gegenseitig für das Scheitern verantwortlich gemacht. Haub sprach von der „Zerstörungswut der Gegner”. Caparros bezeichnete den ganzen Verhandlungsprozess als „Farce”.

Den Verhandlungsexperten Thorsten Hofmann hat nicht überrascht, dass bisher alle Verhandlungen gescheitert sind. Der Experte für Krisenkommunikation an der Quadriga Hochschule in Berlin und zertifizierte Verhandlungstrainer hat vor seiner Lehrtätigkeit als Ermittler beim Bundeskriminalamt an Erpressungsfällen und Geiselnahmen mitgearbeitet. Er erklärt, was die die Voraussetzungen für erfolgreiche Verhandlungen sind – und was im Fall Kaiser's Tengelmann schief gelaufen ist.

Herr Hofmann, was kann man in solch komplizierten Fällen von einer Elefantenrunde der Chefs überhaupt erwarten?
Bei solchen Verhandlungen sollten die Entscheidungsträger eine Beziehung entwickeln, aber nicht über Inhalte sprechen. Die inhaltlichen Verhandlungen sollten von speziell zusammengestellten Teams geführt werden, die ein klares Mandat bekommen müssen.

Was ist dann genau die Aufgabe der Chefs?
Die Chefebene sollte nur als Möglichkeit der Eskalation zur Verfügung stehen, wenn die Verhandlungen beispielsweise in einer Sackgasse stecken. Besser ist es aber, wenn noch zusätzliche Eskalationsstufen unterhalb der Entscheidungsträgerebene eingerichtet werden. Die Chefs sollten möglichst ohne emotionale Vorbelastung für eine mögliche Deeskalation zur Verfügung stehen.

Welche Fehler sind im Fall Kaiser's Tengelmann gemacht worden?
Bei den Verhandlungen über Kaiser’s Tengelmann sind die Unternehmenschefs viel zu früh in die Details eingestiegen. Deswegen stand keine Eskalationsstufe mehr zur Verfügung, als es Konflikte gab. Im Grunde war es ein Ego-Shooting der Vorstandschefs.

Und das hat die Gespräche zunächst scheitern lassen?
Wenn die Beziehungsebene zwischen den Chefs zerstört ist, sind in der Sache keine Erfolge mehr möglich. Wenn ich mich öffentlich beschimpfe, kann ich meine Teams nicht mehr in die Schlacht führen. Diese persönlichen Verletzungen und Vorwürfe zerstören jede Verhandlungsatmosphäre.

Caparros sprach von einem „Testosteronkrieg der Häuptlinge”. Ist es da nicht normal, dass der Ton auch mal etwas rauer wird?
Es ist wie im Fußball: Hartes Spiel ist erlaubt, aber Foulspiel muss immer sanktioniert werden. Denn am Ende muss ich mit meinem Verhandlungspartner ja abschließen.

Aber ist es nicht legitim, das öffentliche Interesse als Druckmittel einzusetzen, um die Gespräche zu beschleunigen und zu lenken?
Die Versuchung ist immer groß, mit dem Mittel der Öffentlichkeit Druck auf die andere Seite auszuüben. Doch in diesem Fall ist dabei die Fairness verletzt worden und das löst einen Vertrauensverlust aus. Wenn die Emotionen alles überlagern, komme ich nicht mehr zu einem Abschluss.

Es soll nun mit Gerhard Schröder als Mediator weiterverhandelt werden. Kann das noch etwas retten?
Einen Mediator einzuschalten wäre hilfreich. Dieser Mediator müsste als erstes die Beziehung zwischen Haub und Caparros wiederherstellen, bevor es in inhaltliche Verhandlungen gehen kann. Man darf jetzt nicht sofort in die Sachebene einsteigen. Im Grunde braucht es als Mediator einen Psychologen.

Ist nach dem ganzen Krach eine Einigung überhaupt noch möglich?
Gerade bei Verhandlungen, die so im Fokus stehen wie bei Kaiser’s Tengelmann, wird jede Handlung und jede Äußerung in der Öffentlichkeit gedeutet. Dann müssen alle Beteiligten darauf achten, dass sie alles tun, um den öffentlichen Druck nicht weiter eskalieren zu lassen. Wenn jemand diese Regel so bewusst verletzt, stellt sich die Frage, ob er ein Ergebnis überhaupt will.

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