Verlag Bastei Lübbe Lübbe rückt vom Vorstand ab

Bei der Hauptversammlung verweigert die Großaktionärin dem angezählten Vorstand von Bastei Lübbe die Entlastung. Das bringt neue Unruhe in den kriselnden Verlag.

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Verlag Bastei Lübbe Quelle: dpa

Vielleicht hatte Bastei Lübbe-Chef Thomas Schierack etwas geahnt. Als gestern Abend die wohl schwierigste Hauptversammlung seiner Amtszeit zum letzten Mal unterbrochen wurde, um die Stimmen zu den Tagesordnungspunkten auszuzählen, schlug er Glückwünsche zum Bestehen der schweren Prüfung aus. „Dafür ist es noch zu früh.“ Dabei hatte er in den aufreibenden acht Stunden zuvor vieles richtig gemacht, um verloren gegangenes Anlegervertrauen wiederherzustellen. Der Kölner Rechtsanwalt hatte Fehler eingeräumt und detailliert erklärt, wie alles besser laufen soll. Genützt hat es ihm am Ende nichts.

Nur 60 Prozent der abgegebenen Stimmen erteilten Schierack und seinem Vorstandskollegen Klaus Kluge die Entlastung für das abgelaufene Geschäftsjahr. Das ist ein miserables Ergebnis und ein klares Misstrauensvotum seitens der Aktionäre. Zum Vergleich: Vergangenes Jahr bekamen Vorstand und Aufsichtsrat noch Zustimmungsraten von je 99,7 Prozent. Entsprechend konsterniert blickten Schierack und seine Führungskollegen bei der Verlesung der Ergebnisse in die Ferne. Die Frau, die das Desaster hätte verhindern können, saß dabei ungerührt in Reihe zwei vor dem Podium: Birgit Lübbe, Witwe des Verlegersohns Stefan Lübbe und mit rund einem Drittel aller Aktien Hauptaktionärin der Gesellschaft. Hätte sie mit „ja“ gestimmt, wäre aus einem miserablen immerhin noch ein schlechtes Ergebnis geworden. Tat sie aber nicht. Stattdessen enthielt sie sich ihrer Stimmen und ließ damit den Zorn der Kleinanleger auf den Vorstand niederprasseln.

Die hatten freilich allen Grund, der Geschäftsführung die Leviten zu lesen: Bastei Lübbe musste nach Enthüllungen der WirtschaftsWoche um dubiose Geschäfte den Komplettrückzug des Aufsichtsrats verkraften und die Bilanz neu aufstellen. Die Gewinne der beiden Vorjahre schmolzen daraufhin zusammen, ebenso wie der Kurs der Aktie. Just vor der  Hauptversammlung war er auf ein neues Allzeittief gefallen. All das schien Birgit Lübbe bisher aber nicht vom Vorstand abrücken zu lassen. Schierack und Kluge blieben trotz der Bilanzkosmetik im Amt.

Umso rätselhafter ist nun, dass Lübbe sie gestern öffentlich mit ihrer Enthaltung bloßstellte. Wenn sie Schierack und Kluge absetzen will, hätte sie das deutlich eleganter im Vorfeld der Hauptversammlung tun können. Will sie sie im Amt halten, hätte sie ihnen gestern die Entlastung erteilen müssen. Mit der Enthaltung hingegen hat sie den ohnehin schwer angeschlagenen Vorstand weiter geschwächt und für neue Unruhe gesorgt. Die kann das Unternehmen im Moment weniger denn je gebrauchen, weil es neben den Querelen um Bilanz und Aufsichtsrat auch eine Menge operative Baustellen gibt. Was also will die Frau, ohne die bei Bastei fast nichts geht, mit ihrem öffentlichen Denkzettel bezwecken? Für die WirtschaftsWoche war Lübbe selbst gestern nicht zu sprechen. Nach der Hauptversammlung verließ sie umringt von ihrer Entourage die Bastei-Zentrale.

Bastei-Chef Thomas Schierack gibt sich unterdessen unbeeindruckt und denkt trotz des schlechten Ergebnisses nicht an Rücktritt. Er plane bereits die Strategie für die kommenden drei Jahre, teilt er auf Anfrage der WirtschaftsWoche mit. Den uneingeschränkten Rückhalt der Hauptaktionärin hat er dabei aber offenbar nicht mehr.

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