Verramschtes Bier? Was billige Handelsmarken für die Brauer bedeuten

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Das Risiko von Eigenmarken und der Wert des Bieres

Die Nachfrage stieg so stark, dass die Iserlohner mit dem Brauen nicht mehr hinterherkamen. Sie begannen Bier einzukaufen – bei anderen Großen, dem Gießener Brauhaus etwa und Oettinger. Sie investierten nicht mehr in neue Maschinen, hatten zeitweise mit Qualitätsproblemen zu kämpfen. Schließlich verschrieb sich die Brauerei ganz dem Billig-Bier für die Ketten, verkaufte sogar das eigene Fassbiergeschäft. Handelsmarke statt Iserlohner lautet die Strategie, mit der sich das Unternehmen in Abhängigkeit von einem Großabnehmer begab.

Die beliebtesten deutschen Biermarken
Platz 10 - Erdinger - 1,72 Millionen Hektoliter im Jahr 2012Biathletin Magdalena Neuner macht es vor: Der Trend zu alkoholfreiem Hefeweizen war auch im abgelaufenen Jahr ungebrochen. Die Weißbiermarke aus München baut für die alkoholfreie Variante ein Sportlerimage auf. Quelle: REUTERS
Platz 9 - Radeberger - 1,91 Millionen Hektoliter im Jahr 2012In der Radeberger-Brauerei nahe Dresden soll angeblich das erste deutsche Bier nach Pilsner Brauart gebraut worden sein. Die Biermarke, die zum Lebensmittelkonzern Dr. Oetker gehört, ist vor allem ist Ostdeutschland beliebt. Quelle: dpa
Platz 8 - Paulaner - 2,3 Millionen Hektoliter im Jahr 2012Deutschlands größte Weißbiermarke geht tatsächlich zurück auf dem Paulanerorden. Die Bockbiertradition der Mönche wurde 1813 wieder aufgegriffen. Das Weißbier gehört bis heute zu den beliebtesten Marken in Deutschland. Quelle: dpa
Platz 7 - Veltins - 2,72 Millionen Hektoliter im Jahr 2012Aus dem Sauerland in die Welt: Veltins gehörte zu den ersten Biermarken in Deutschland, die auf Biermischgetränke setzten. Bis heute gehören die verschiedenen Varianten von Veltins-V+ gehört zu den Umsatztreibern der Brauerei. Quelle: dpa-dpaweb
Platz 6 - Hasseröder - 2,75 Millionen Hektoliter im Jahr 2012Die Brauerei aus dem Harz gehört dem Branchenriesen AB-InBev. Auf dem Biermarkt versucht sich Hasseröder in den letzten Jahren als Männermarke zu etablieren. Dabei helfen sollen prominente Werbegesichter wie Oliver Pocher. Quelle: dpa Picture-Alliance
Platz 5 - Warsteiner - 2,77 Millionen Hektoliter im Jahr 2012Mit dem Phantasietitel "Premium Verum" vermarktet die Brauerei aus Warstein ihr Pilsener als Premiumprodukt. Mit Sponsoring im Sportbereich soll die Bekanntheit der Marke weiter steigen. Quelle: obs
Platz 4 - Beck's - 2,78 Millionen Hektoliter im Jahr 2012Auch die berühmte Brauerei aus Bremen gehört seit Jahren zum Brauereiriesen AB-InBev. Das Stadtwappen im Logo ist geblieben. Seit einigen Jahren inszeniert sich Beck's als Lifestyle-Marke für jüngere Biertrinker. Quelle: Presse

Gerettet hat dieser Schritt das Unternehmen nicht. Trinkgut und Edeka lassen ihr Eigenmarken-Bier mittlerweile bei einer Warsteiner-Tochter, der Herforder Brauerei, brauen – und sparen so angeblich mehrere Hunderttausend Euro pro Jahr. Im Februar 2014 meldete die Iserlohner Brauerei Insolvenz an, wird jetzt mit anderer Strategie und anderem Management weitergeführt.

Export und Qualität statt Eigenmarke

Führen Eigenmarken die deutschen Brauer in den Abgrund? Diese These geht dem Deutschen Brauer-Bund zu weit. Zwar wisse man, dass „Handelsmarken seit jeher einen Teil des deutschen Biermarktes ausmachen“ und „auch Bier namhafter deutscher Hersteller zu einem gewissen Prozentsatz über Handelsmarken abgegeben“ werden.

Wie groß der Anteil genau ist, könne man allerdings nicht sagen. Immerhin. Den Trend zu immer mehr Handelsmarken könne man so nicht bestätigen. Der Großteil der Brauereien setze schließlich überhaupt nicht auf Handelsmarken.

Das stimmt, einerseits. Andererseits sind auch viele der derzeit 1.349 Brauereien in Deutschland eher klein und könnten die Anforderungen der Supermärkte auch stemmen.

Das deutsche Reinheitsgebot

Der Verband erklärt, dass die Brauer im Kampf gegen die Absatzkrise einen andere Weg als Handelsmarken für sich entdeckt haben: die Verbreiterung des Angebots durch gemischte und alkoholfreie Getränke und den Export ins Ausland. Die Investition in Qualität macht sich demnach bezahlt. Auch, weil „immer mehr große Handelsketten mehr und mehr den Wert deutscher Biere erkennen“ und höhere Preise akzeptieren würden.

„Die über die letzten fünf Jahre durchschnittlich leicht negative Preisentwicklung nationaler Biermarken konnte im Jahr 2014 in eine deutlich positive Entwicklung umgewandelt werden.“ Der Verband verweist auf eine Erhebung der Gesellschaft für Konsumforschung. Demnach ist der Preis für eine Kiste Bier tatsächlich um 50 Cent gestiegen.


Ein kleiner Erfolg für die Bierbrauer also. Denn jahrelang war der Bierpreis bestenfalls stabil, während die Kosten für die Rohstoffe nach oben kletterten.

„Bei anhaltendem Markt- und Kostendruck und fehlenden Rücklagen kann eine notwendige Investition letztlich dazu führen, dass der Betrieb womöglich eingestellt werden muss. Bislang gab es erfreulicherweise nur wenige Beispiele dieser Art", erklärte Holger Eichele, Geschäftsführer des Deutschen Brauer-Bundes im April gegenüber der WirtschaftsWoche.

Wenig ist freilich relativ. Insgesamt sind seit 2006 etwa 40 Hersteller aus dem Markt ausgeschieden, rechnet die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) vor. Wenn neue hinzukamen, waren es vor allem sehr kleine, spezialisierte Brauereien. Den Mittelgroßen „fehlt die kritische Größe, um sich national und international gegenüber den Großbrauereien durchsetzen zu können“, schreibt die NGG in ihrem Branchenbericht.

Der Niedergang der Iserlohner Privatbraueier ist eines der jüngsten Beispiele. Es wird vermutlich nicht das letzte bleiben.

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