Versandriese Sieben Gründe, warum Amazon so mächtig ist

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Eigene Ökosysteme


Jahrelang führte Amazon deshalb in Deutschland die Liste der beliebtesten Händler an. Erst vor wenigen Monaten wurde es erstmals von der Drogeriekette dm überholt. Wohl auch, weil die Kritik an Amazon zunehmend lauter wurde.

Dass das Unternehmen den Kunden diesen traumhaften Service bieten kann, geht häufig zu Lasten anderer. So ächzen die Lieferdienste unter Amazons Keine-Versand-Kosten-Mentalität. Sie müssen deshalb die Touren zu niedrigen Preisen, wiederholte Anfahrten und die kostenlosen Retouren drücken die Margen weiter.

Auch zu den eigenen Angestellten ist Amazon weniger freundlich als zu seinen Kunden. Wohl nicht völlig grundlos wurde Jeff Bezos zuletzt zum schlechtesten Chef der Welt gewählt. Die Arbeitsbedingungen bei Amazon sind hart, der Lohn nicht besonders hoch.

Diese Strombergs gibt es wirklich
Jeff BezosDer Gründer und Chef des Versandriesen Amazon soll seinen Mitarbeitern gegenüber einen harten Ton anschlagen. Der Businessweek-Reporter Brad Stone sammelte in seinem Buch über Amazon die gemeinsten Sprüche von Jeff Bezos. Darunter: „Bist du faul oder nur inkompetent?“ oder „Warum verschwendest du mein Leben?“ Stone sprach für die Recherchen zu seinem Buch mit vielen ehemaligen Mitarbeitern, diese berichteten von einer „Gladiatoren-Kultur“ im Unternehmen. „Wenn du nicht gut bist, frisst Jeff dich und spuckt dich aus. Und wenn du gut bist, dann springt er dir auf den Rücken und reitet dich zu Schaden", sagt ein Amazon-Mitarbeiter. Quelle: AP
Sergio MarchionneDer Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne gilt als zielorientiert, taktisch und rücksichtslos. Seine Mitarbeiter nennen den Firmenflieger, mit dem Marchionne zwischen Detroit und Turin pendelt, „Air Findus“ – Findus ist eine Tiefkühlmarke und soll das eisige Klima beschreiben, das Marchionne verbreitet. Über den Manager kursieren einige fiese Geschichten. Zum Beispiel soll Marchionne den Ehefrauen seiner Mitarbeiter Blumen nach Hause geschickt haben, als Entschuldigung, weil ihre Ehemänner am Wochenende arbeiten mussten. Allerdings sollten diese wohl nur ins Büro kommen, um sich ihre Kündigung abzuholen. Marchionne soll schon viele gestandene Manager zum Weinen gebracht haben, besonders berüchtigt ist er für seine persönlichen Beschimpfungen. Quelle: Bloomberg
Richard FuldFuld war der letzte Chef der Investmentbank Lehman Brothers, bevor das Unternehmen im September 2008 Pleite ging und für einen ersten dramatischen Höhepunkt der Finanzkrise sorgte. Fuld gilt als extrem eitel und ehrgeizig. Weil er seine Mitarbeiter so gern und häufig anbrüllte, hatte er den Spitznamen Gorilla. Damit schien er allerdings keine Probleme zu haben, so soll er sich sogar ein ausgestopftes Exemplar in sein Büro gestellt haben. Noch mehr als seine Mitarbeiter, haben nur Fulds Gegner zu befürchten. In einem internen Firmenvideo drohte er seinen Widersachern an, ihnen das Herz bei lebendigem Leib herauszureißen und es zu verschlingen. Quelle: Reuters
Anton SchleckerAnton Schlecker war schon vor seiner Pleite ein unbeliebter Chef. Der Spiegel nannte ihn sogar den „meistgehassten Arbeitgeber der Republik“. Denn um seine Ware billig anbieten zu können, sparte der ehemalige Drogeriekönig vor allem an seinen Mitarbeitern. So bezahlte er Filialleiterinnen oft wie einfache Verkäuferinnen, kranken Mitarbeitern strich er den Lohn und Überstunden wurden ebenfalls nicht vergütet. 1998 wurde Schlecker für sein Lohn-Dumping bestraft. Das Amtsgericht Stuttgart verurteilt Anton und seine Frau Christa Schlecker wegen Betrugs zu Bewährungsstrafen. Der Strafbestand: Die beiden hatten viele ihrer Mitarbeiter unter Tarif bezahlt, in den Arbeitsverträgen stand jedoch das Gegenteil. Quelle: dapd
Ferdinand PiëchUnnahbar, unerbittlich und unbequem – der Diplomingenieur und ehemalige VW-Chef Ferdinand Piëch gilt als einer der mächtigsten Manager seiner Epoche, aber menschlich als schwierig. Der Autor Wolfgang Fürweger hat eine Biografie über ihn verfasst. Darin beschreibt er Piëch als einen Menschen, der keine Fehler verzeiht und gnadenlos jeden Manager abschießt, dem er Fehler vorwerfe. Diese Erfahrung mussten schon einige machen. Als Piëch 1988 Chef bei Audi wurde, verabschiedete er rasch den damaligen Finanzvorstand. Er sei ihm zu „brav“ gewesen und er feuere lieber einen unpassenden Topmanager als eine Schwächung des Unternehmens zu riskieren. Für seine Auftritte soll Piëch besonders gerne Vorstandssitzungen benutzt haben. Bei VW soll er während einer solchen Zusammenkunft zu einem Bereichsleiter, der dürftige Zahlen präsentierte, gesagt haben: „Ach, das schätzen wir so an Ihnen – immer wenn Sie kommen, gibt es schlechte Nachrichten“. Wenig später war der Manager auch offiziell seinen Job los. Quelle: dapd
Steve BallmerBill Gates Nachfolger bei Microsoft wurde vom US-Magazin Forbes schon einmal zum schlechtesten Chef aller großen amerikanischen Geschäftsführer gewählt. Die Begründung: Ballmer habe vor allem die schnell wachsenden Sparten Smartphone und Tablet vernachlässigt. Doch nicht nur die Presse zweifelte Ballmers Chefqualitäten an, auch seine Mitarbeiter konnte er nicht überzeugen. So soll Ballmer nach der Kündigung des Entwicklers Mark Lucovsky komplett ausgerastet sein. Lucovsky war einer der Miterfinder von Windows und wechselte nach 16 Jahren bei Microsoft zum Konkurrenten Google.  Ballmer habe mit Möbeln um sich geworfen und auf den Google-Chef Eric Schmidt geschimpft haben: "Ich werde diesen Kerl begraben!", soll er gebrüllt haben und: "Ich werde Google verdammt noch mal killen!" Quelle: REUTERS
Léo ApothekerSchonungslos direkt und frei von Diplomatie lauten einige der ihm zugeschriebenen Eigenschaften. Zwar sei der ehemalige Chef der Technologiekonzerne Hewlett Packard und SAP analytisch brilliant, aber dafür hapere es im Zwischenmenschlichen umso mehr. SAP-Mitbegründer Dietmar Hopp kritisierte Apotheker nach seinem Abgang beim Walldorfer Konzern in aller Öffentlichkeit: Er hätte für zu viel negative Stimmung im Konzern gesorgt. Quelle: REUTERS


Seit Monaten tobt ein Streit zwischen der Gewerkschaft Verdi und Amazon, weil es für Angestellte keinen Tarifvertrag nach den Bedingungen des Einzel- und Versandhandels gibt. Als sich Undercover-Reporter 2013 in ein Logistikzentrum einschleusten, erlebten sie Schikane und knallharte Arbeitsbedingungen.

Nach den Enthüllungen hagelte es Kritik, Boykott-Aufrufe machten die Runde. Langfristige Auswirkungen blieben aus. „Der Kunde ist gnadenlos”, sagt Heinemann. „Kein Händler sollte erwarten, dass der plötzlich ein schlechtes Gewissen bekommt und Amazon den Rücken zukehrt.”

Die beliebtesten deutschen Händler

4. Grund: Amazon bindet seine Kunden
Schon der normale Service von Amazon gilt als hervorragend. Doch das Unternehmen bietet mehr. Wer den kostenpflichtigen Service Amazon Prime bucht, erhält unter anderem das ersprechen auf eine schnellstmögliche und kostenlose Lieferung. Zudem bekommt er Zugriff auf die unternehmenseigene Online-Videothek mit mehreren tausend Filmen und Serien.

Der Gedanke hinter der Prime-Strategie ist einfach: Gute Kunden werden belohnt und noch enger an das Unternehmen gebunden. Kunden, die nicht extra Geld für Prime ausgeben wollen, können zumindest ein Abo auf bestimmte Produkte abschließen. Dann kommen Kaffeepads oder Windeln regelmäßig ins Haus, ohne Bestellung.

An anderer Stelle hat Amazon die Strategie der Kundenbindung längst auf die Spitze getrieben und setzt auf ein Closed-Shop-System. Wer Amazons Ebook-Reader Kindle kauft, kann nur noch vom Online-Händler seine Bücher beziehen. Ein Ausweichen auf die Konkurrenz ist unmöglich.

Dem Kunden ist das freilich meist egal. Amazons Angebot ist größer als das der Konkurrenz. Das ist das Geniale: Wer einmal Teil des Amazon-Systems ist, wird sich schwer tun, es wieder zu verlassen. Auch, weil er es gar nicht mehr möchte.
Die Idee des eigenen Services baut Amazon konsequent aus. Es gibt einen Dienst für Musik-Downloads und einen für Filme und Serien. Für jedes gut laufende Digital-Produkt hat Amazon einen eigenen Service.

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