Vorbild Lufthansa Auch Air France-KLM macht jetzt auf billig

Bei Air France-KLM steht die nächste Kurskorrektur an: Eine neue Billigtochter für die Langstrecke soll die Kosten senken und mehr Wachstum ermöglichen. Damit bekommt die Lufthansa-Tochter Eurowings neue Konkurrenz.

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Der Präsident von Air France-KLM will mit der Gründung eine Billigfluglinie für die Langstrecke die Kosten senken und der französisch-niederländischen Gruppe mehr Wachstum ermöglichen. Quelle: Reuters

Paris Jean-Marc Janaillac hat erst im Juli seinen Posten als Präsident von Air France-KLM angetreten, jetzt muss er seinen ersten Plan zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit vorlegen. Nach „Transform 2015“ und „Perform 2020“ ist auch er bei einem englischen Begriff geblieben: „Trust Together“ heißt die neue Losung. Wieder geht es darum, die Kosten zu senken und der französisch-niederländischen Gruppe mehr Wachstum zu ermöglichen. Der prominenteste Punkt in Janaillacs Plan ist die Gründung einer Billigtochter für die Langstrecke, die bislang defizitäre Verbindungen rentabel bedienen soll.

Bislang galten die Langstrecken-Verbindungen als Domäne, in der Air France mit französischem Flair und Luxus punkten und hohe Preise rechtfertigen wollte. Der Schwenk ist daher radikal und dürfte im Unternehmen auf Kritik stoßen. Janaillac gilt als Mann des sozialen Dialogs und steht Staatspräsident François Hollande nahe.

Air France scheut zwar den Begriff Low Cost, doch genau darum geht es bei dem Projekt mit dem Namen „Boost“. Im nächsten Jahr soll es losgehen: Bis 2020 sollen zehn Flugzeuge bereitstehen, zunächst vom Typ Airbus A340 und später auch von der neuen A350. Diese sollen zwar von Air France-Piloten geflogen werden, das Kabinenpersonal aber zu günstigeren Tarifen von der neuen Gesellschaft eingestellt werden. „Über die sozialen Rahmenbedingungen werden wir mit der Belegschaft verhandeln“, sagte Air France-KLM am Donnerstag.

Air France-KLM ist nicht die erste Airline, die sich am Konzept der Billig-Fluggesellschaft auf der Langstrecke versucht. Lufthansa ist bereits im Herbst vergangenen Jahres mit der Billigtochter Eurowings auf die Langstrecke gestartet. Angesteuert werden touristische Ziele wie etwa Kuba. Eurowings hatte allerdings zu Beginn mit massiven Verspätungen zu kämpfen.

Jahrelang galt es als unmöglich, das Billigkonzept auf die Langstrecke zu transferieren. Denn bei reinrassigen Billig-Fluggesellschaften „drehen“ die Flugzeuge sehr schnell. Oft stehen sie nur gut 30 Minuten am Boden, die meiste Zeit sind in der Luft, wo sie Geld verdienen. Das funktioniert nur, weil die Flugzeuge auf kürzeren Strecken mehrmals am Tag zwischen zwei Punkten hin- und herfliegen . Langstreckenflugzeuge müssen dagegen zeitaufwendig ent- und beladen werden. Außerdem braucht man wegen der langen Flugzeiten mehrere Crews.

Doch der aktuell günstige Kerosinpreis sowie kleinere aber gleichwohl für längere Strecken ausgelegte Flugzeuge verändern den Markt. Und so starten immer mehr Billig-Airlines auf die Langstrecke, darunter etwa Norwegian, Wow Air (Island) und demnächst vielleicht auch Jet Blue (USA).


Der nächste wilde strategische Schwenk

In der Vergangenheit ist das Management von Air France-KLM mehrfach daran gescheitert, die Zustimmung der Gewerkschaften zu einer Ausgliederung zu erreichen. Nun will man auch die vielversprechende Wartungsaktivität in eine eigene Gesellschaft verlagern. Die Einnahmen aus der Wartung für Dritte sind in den ersten neun Monaten um 17 Prozent gewachsen, doch der Gewinn kommt kaum von der Stelle.

Janaillac zielt mit Boost sowohl auf den Business- als auch auf den Tourismus-Markt. Die neue Air France-Tochter soll auch die Mittelstrecke bedienen. Dagegen wird die europäische Ausdehnung der französisch-niederländischen Billigtochter Transavia schon wieder auf Eis gelegt. Sie hatte anfangs für viel Ärger mit den Gewerkschaften gesorgt, wurde von Janaillacs Vorgänger Alexandre De Juniac aber schließlich durchgekämpft.

In München ist sogar schon ein neuer Standort gegründet worden, der aufgrund des günstigeren deutschen Sozialsystems mit deutlich niedrigeren Kosten aufwartet als die französischen Hubs Charles de Gaulle und Orly. Warum dieses Projekt nun schon wieder halb aufgegeben wird, ist ein Rätsel. Die Stückkosten in der Passage sind bei Transavia 32 Prozent niedriger als bei Air France-KLM. Die Einnahmen pro Sitz dagegen liegen nur 22 Prozent niedriger. Bei Air France-KLM sinken die Einnahmen pro Passagier und Kilometer schneller als die Kosten, was die anhaltenden Probleme der Gruppe illustriert. Transavia leidet nicht unter diesem Problem.

In den vergangenen Jahren hat Air France-KLM bereits häufiger wilde strategische Schwenks vollzogen, unter denen die Stetigkeit gelitten hat. Mal sollte stark dezentralisiert werden, neue Standorte in der französischen Provinz wurden aufgebaut. Bereits nach einem Jahr hieß das Kommando „zurück!“. Dann wurde „HOP!“ als Billigmarke gegründet, die inzwischen ein Schattendasein fristet. Transform hatte insoweit Erfolg, als die Schuldenlast gesenkt wurde. Perform, der Plan, der stark auf den Billigarm Transavia setzte, aber beendete die Karriere des Janaillac-Vorgängers de Juniac.

Heftige soziale Auseinandersetzungen erst mit den Piloten, dann auch mit dem restlichen Personal gipfelten vor einem Jahr in der weltweit berühmt gewordenen Szene der beiden Personalchefs Xavier Broseta und Pierre Plisonnier, die halbnackt über einen Zaun gejagt wurden. Seitdem galt de Juniac als angeschlagen. Nach ihm musste im Sommer auch Air France-Chef Frédéric Gagey seinen Posten aufgeben und sich auf den des CFO zurückziehen. Janaillac ist sowohl Präsident von AF als auch von Air France-KLM.


Air France mit kräftigem Einbruch

Das Verhältnis zu den Holländern ist nicht einfach: Den heute vorgelegten Zahlen für das dritte Quartal kann man entnehmen, dass KLM mittlerweile beim Ergebnis vor Steuern und Abschreibungen praktisch zu den Franzosen aufgeschlossen hat: Die Niederländer kommen in den ersten neun Monaten auf 1,012 Milliarden Euro, die Franzosen auf 1,1 Milliarden. Im dritten Quartal 553 zu 583 Millionen Euro. Air France hat im Vergleich zum Vorjahr im dritten Quartal einen kräftigen Einbruch erlitten. Das liegt auch daran, dass der französische Tourismus seit 2015 unter den Terroranschlägen gelitten hat. Nach dem Amoklauf eines geistesgestörten Mannes im Juli in Nizza, der sich zum Islamischen Staat bekannte, ist die Zahl der Touristen erneut gesunken.

KLM fürchtet immer wieder, dass die Franzosen versuchen könnten, den Amsterdamer Flughafen Schiphol zu benachteiligen, um Paris zu stärken. Auch eine forcierte Zentralisierung bestimmter Aktivitäten in Paris zählt zu den Alpträumen der Niederländer. Vor einigen Monaten musste Air France die beabsichtigte Zentralisierung des Zahlungsverkehrs in Paris nach Widerstand aus den Niederlanden abblasen.

Vor einigen Tagen diskutierte das Parlament in Den Haag über das Verhältnis Air France – KLM. Der Finanzminister wurde beauftragt, sich energisch für die niederländischen Interessen einzusetzen. Doch auch KLM ist nicht ohne Sorgen. Seit Wochen schwelt ein Streit mit den Gewerkschaften, weil das Management einseitig einen Tarifvertrag aufgekündigt hat, um Kosten sparen zu können. Die Vertreter der Arbeitnehmer verweigern seitdem Beratungen über ein neues Abkommen.

Janaillacs Probleme werden dadurch verschärft, dass im dritten Quartal das Eigenkapital von Air France-KLM ins Negative gedreht hat. Das geht auf  heftig gestiegene Pensionslasten zurück, letztlich eine Folge der niedrigen Zinsen. Die Nettoschulden wurden in den ersten neun Monaten von 4,3 auf 4,1 Milliarden Euro gesenkt. Für den Rest des Jahres machte Janaillac am Donnerstag wenig Hoffnung: „Die Effekte des niedrigen Treibstoffpreises werden mehr als kompensiert durch den Druck auf der Einnahmenseite.“

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