Vorfall in Thailand Wie ein Kriminalfall das Red-Bull-Image gefährdet

Red Bull hat seinen Ursprung nicht in Österreich, sondern in Thailand. Dort entwickelt sich der ungesühnte gewaltsame Tod eines Polizisten, in den der Enkel des Red-Bull-Gründers verwickelt ist, zu einem Imageproblem.

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Red-Bull-Erbe: Vorayuth Yoovidhya ignorierte bisher die Vorladungen der Justiz. Quelle: AP

Es ist der frühe Morgen des 3. September 2012, als ein Trupp Polizisten vor einem bunkerartigen Anwesen im vornehmen Bangkoker Wohnviertel Thonglor eintrifft. Die Beamten folgten einer Ölspur durch die Straßen der thailändischen Hauptstadt bis vor den abweisenden Bau.

Vor der Villa werden die Männer fündig – das Öl trieft aus einem silbergrauen Ferrari FF. Die Motorhaube des 660-PS-Geschosses ist verbeult, die Frontscheibe zertrümmert. Unter diesem Luxuswagen starb nur kurz zuvor einer ihrer Kollegen. Statt anzuhalten, war der Fahrer weitergefahren – bis hierher, vor das Domizil der Familie Yoovidhya, eines der reichsten Clans Thailands.

Ihren Reichtum verdankt die Familie Chaleo, dem Großvater, der vor Jahren zusammen mit dem Österreicher Dietrich Mateschitz den Getränkekonzern Red Bull gegründet hatte. Der Mann am Steuer des Ferrari war sein Enkel Vorayuth. Statt jedoch vor Gericht zu landen, ignorierte der Red-Bull-Erbe seither die Vorladungen der Justiz. Erst jetzt, fast fünf Jahre nach jener fatalen Septembernacht und unter wachsendem Druck der Öffentlichkeit, lässt sie den Milliardärsspross per Haftbefehl suchen.

3. September 2012: Der Ferrari und ein Roller, die in dem Unfall verwickelt waren. Quelle: AP

Schon lange nährt der Fall den Verdacht, Thailands Reiche stünden über dem Gesetz. Und droht zugleich zu einem unkalkulierbaren Imageschaden für eine der populärsten Getränkemarken der Welt zu werden. Schließlich taucht in jedem Bericht über den „Cop Killer“ der Name Red Bull auf.

Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter rufen Kritiker unter #boycottredbull dazu auf, den Getränkekonzern zu meiden. Wenn sich der Fall auch in Europa weiter herumspreche, könne er Red Bull und Mateschitz noch ernste Probleme bereiten, sagt Roman Meinhold, der an der Mahidol-Universität in Bangkok Wirtschaftsethik lehrt, nicht ohne Sarkasmus: „Es geht um Geschwindigkeit und teure Autos. Das müsste Red-Bull-Konsumenten eigentlich interessieren.“

Wie Red-Bull-Kopf Mateschitz über den Fall denkt, ob der Konzern ein Reputationsrisiko fürchtet, dazu mag sich bei dem Getränkemulti niemand äußern – die „Angelegenheit“ betreffe „nur die Familie Yoovidhya und nicht Red Bull“ heißt es auf Anfrage. Gelegenheiten, über den Fall zu reden, gäbe es: Einmal im Jahr, heißt es, treffe sich der Red-Bull-Chef mit der Familie in der Nähe von Salzburg, um übers Geschäft zu reden.



Dabei gäbe es auch über Vorayuths Lebensstil einiges zu besprechen. Denn während die Milliardäre die Familie des toten Polizisten mit Geld ruhigzustellen versuchten, führte der Youngster scheinbar unbeschwert ein auf Facebook und Instagram üppig dokumentiertes Jetset-Leben, mit Vorliebe im Umfeld des von Red Bull finanzierten Formel-1-Rennstalls. Dort posierte Vorayuth, den seine Freunde „Boss“ nennen, gern mit Fahrern wie Max Verstappen.

Seinem in London zugelassenen schwarzen Porsche hat Vorayuth das Kennzeichen BO55 RBR – Boss Red Bull Racing – verpasst. Die in Österreich registrierte Gulfstream G550, mit der seine Familie gern reist, ist an der Spitze der Tragfläche mit dem Red-Bull-Logo verziert – getreu dem Werbespruch, wonach Red Bull Flügel verleiht.

Vom Entenzüchter zum Milliardär

Es sind vor allem die Red-Bull-Gewinne, die der Familie einen aufwendigen Lebensstil finanzieren. Die Geschäfte laufen blendend. So verkaufte der Konzern nach eigenen Angaben 2016 erstmals mehr als sechs Milliarden Dosen der süßen Limonade und setzte so über sechs Milliarden Euro um.

Die Geschichte der Yoovidhyas ist eine klassische Aufsteigersaga: Das 2012 verstorbene Familienoberhaupt Chaleo kam als Kind chinesischer Einwanderer in der thailändischen Provinz zur Welt. Die Familie lebte von der Entenzucht, bis Chaleo Mitte der Fünfzigerjahre T.C. Pharmaceuticals gründete.

Das Unternehmen verdiente sein Geld vor allem mit dem Import von Medikamenten. Einen Erfolg landete Chaleo 1975 mit einem stimulierenden Getränk, das er, ähnlich wie Medizin, in kleinen, braunen Glasflaschen verkaufte. Mit Krating Daeng („Roter Stier“), einem Mix aus Wasser, Zucker, Koffein und dem Aufputschmittel Taurin, eroberte Chaleo den thailändischen Markt.

Inzwischen sucht Interpol nach dem Red-Bull-Erben

Mateschitz, damals noch als gut bezahlter Marketingmanager nach Stationen bei Unilever und Jacobs für Blendax in Sachen Zahnpasta unterwegs, wurde Mitte der Achtzigerjahre in Thailand auf das Gebräu aufmerksam. Er freundete sich mit Chaleos Sohn Chalerm an – und kam mit den Thais ins Geschäft. Er überzeugte die Yoovidhyas, das Getränk auch in Europa zu verkaufen, und veränderte das Rezept leicht. Dazu versetzte er den Aufputsch-Trank mit Kohlensäure und verpasste der Marke einen komplett neuen Auftritt: aus Krating Daeng wurde Red Bull. Am Unternehmen halten die Yoovidhyas über eine Beteiligungsgesellschaft heute 49 Prozent, 49 Prozent gehören Mateschitz, zwei Prozent Chalerm persönlich.

Die Medienmarke Red Bull

Die Glasflaschen tauschte Mateschitz für die Kunden im Westen gegen schlanke, silberne Dosen aus. Dank cleverem Marketing avancierte Red Bull in den Neunzigerjahren zum In-Getränk für die Partyszene und adrenalinsüchtige Actionsportler wie Freestyle-Skifahrern, BMX-Radartisten und Surfer.

Als Chaleo 2012, sechs Monate vor dem Unfall, starb, führte ihn das Magazin „Forbes“ als drittreichsten Thai. Heute beziffert der Finanzdienst Bloomberg das Vermögen des Clans auf 22 Milliarden Dollar. Nicht alles davon stammt aus der austro-thailändischen Liaison: Die Familie ist auch an einer Bangkoker Privatklinik beteiligt, zudem ist Chalerm mit Siam Winery der wohl größte Weinbauer Thailands. Außerdem gehört ihm Cavallino Motors, Thailands einziger Ferrari-Importeur – aus dessen Fuhrpark auch der Bolide stammen dürfte, mit dem sein Sohn den Tod des Polizisten verschuldete. Geld verdienen die Yoovidhyas nach wie vor auch mit T.C. Pharma, das Getränke wie Eistee und isotonische Drinks produziert und Snacks aus Sonnenblumenkernen vermarktet.

Vor allem aber stellt das Unternehmen bis heute nach eigenen Angaben als Einziger das Aroma für Red Bull her und hält auch die weltweiten Markenrechte. T.C. produziert aber auch Krating Daeng und vermarktet es asienweit. So verkaufen 30 Jahre nach dem Auftauchen der ersten Red-Bull-Dosen in Österreich thailändische Supermärkte inzwischen beide Varianten. Die Thai-Version, die wegen des hohen Zuckeranteils fast wie Sirup schmeckt, ist mit umgerechnet 27 Cent deutlich preiswerter als das West-Pendant und bei Wachleuten, Taxifahrern oder Bauarbeitern als billiger Kick beliebt.

Wie die Yoovidhyas lebten und was sie mit ihrem Geld anstellten, stieß in der Vergangenheit im Land auf wenig Interesse – auch weil sich die Familie vornehm im Hintergrund hielt. Konzerngründer Chaleo gab in seiner Karriere kein einziges Interview. Doch nach dem tödlichen Crash im September 2012 änderte sich die öffentliche Wahrnehmung der Familie gravierend. Für Empörung sorgt nicht nur der Unfall selbst. Sondern auch die Tatsache, dass der Fall juristisch immer noch nicht aufgearbeitet ist. Zwar gab die Staatsanwaltschaft bereits 2013 bekannt, sie werde Vorayuth anklagen – wegen rücksichtslosen Fahrens mit Todesfolge, unterlassener Hilfeleistung und Geschwindigkeitsüberschreitung.

Doch vor Gericht gelandet ist Vorayuth bis heute nicht: Nach jeder Vorladung erreichten seine Anwälte einen Aufschub – wegen Krankheit, dringender Geschäftstermine im Ausland oder wegen einer Petition vor dem Parlament, in der Red-Bull-Erbe Vorayuth Fairness für sich einforderte. Er bestreitet, zu schnell gefahren zu sein und Fahrerflucht begangen zu haben. Nur um seinen Vater zu benachrichtigen, habe er den Unfallort verlassen.

Immerhin: Nachdem Vorayuth vor wenigen Tagen auch der achten Vorladung nicht folgte, sucht Thailand ihn nun mit internationalem Haftbefehl. Interpol ist eingeschaltet, und die thailändischen Behörden haben Vorayuths Pass für ungültig erklärt. Offiziell kann er nun in kein anderes Land mehr einreisen und müsste, falls er sich nicht noch anderswo Papiere besorgt, nach Thailand zurückkehren. Bleibt abzuwarten, ob ihm Red Bull auch dann noch Flügel verleiht.

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