Walmart gegen Visa in Kanada Machtkampf an der Donnerbucht

In einer kanadischen Stadt können Kunden von Walmart nicht mehr mit der Visa-Kreditkarte zahlen. Der Handelsriese kämpft damit gegen angeblich zu hohe Gebühren. Und Thunder Bay soll erst der Anfang sein.

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Der Einzelhändler Wal-mart kämpft in Kanada gegen die Gebühren des Bezahldienstes. Quelle: Reuters

Ottawa Im kanadischen Thunder Bay liegen zwei Giganten im Clinch: Der weltweit größte Einzelhandelskonzern Walmart akzeptiert in seinen drei Niederlassung in der Stadt am Lake Superior nicht mehr Kreditkarten von Visa, dem größten Kreditkartenanbieter des Landes. Der größte Einzelhandelskonzern der Welt will Visa damit zwingen, seine Gebühren für die Nutzung der Kreditkarte zu senken. Thunder Bay ist für Walmart das Testfeld: Nach und nach soll der Visa-Bann auf alle 400 Filialen in Kanada ausgedehnt werden.

Der Wind peitscht die Wellen in die Bucht, an der die 110.000 Einwohner zählende Stadt Thunder Bay („Donnerbucht“) liegt. Das Klima ist rau und der See gewaltig. So gewaltig, dass man ihn eigentlich für ein Meer hält, denn mit 82.000 Quadratkilometer Fläche ist er der größte Süßwassersee der Welt, 150 Mal größer als der Bodensee; der Genfer See würde von der Fläche her 140 Mal in ihn hineinpassen.

Der Hafen der Stadt ist weltweit einer der größten Umschlagplätze für Getreide, das aus der Prärie angeliefert und hier auf Schiffe geladen wird, die es dann über die Großen Seen und den St. Lorenz-Strom in alle Welt bringen. Die in den See hineinragende Felsformation „Sleeping Giant“ ist eine der Naturattraktionen Thunder Bays.

Hier, in dieser rauen Gegend im Norden von Ontario, beharken sich also die beiden Großen des kanadischen Einzelhandels und Kreditgewerbes. Die Gebühren, die Visa für Transaktionen verlange, seien „unakzeptabel hoch“, schimpft Walmart. Natürlich ist die Attacke auf Visa nach Lesart von Walmart ausschließlich im Interesse der Kunden. „Walmart Canada zahlt jedes Jahr mehr als 100 Millionen Dollar an Gebühren um Kreditkarten zu akzeptieren“, teilt das Unternehmen mit.

Diese Kosten zu senken sei notwendig, um die Preise niedrig halten zu können und damit den Kunden Kosten zu ersparen. Wie schnell der Bann auf alle Walmart-Filialen in Kanada ausgeweitet werden soll, teilte das Unternehmen nicht mit.

Kanadischen Medien zufolge liegen die Gebühren für Visa und Mastercard für Käufe im Einzelhandel bei 1,5 bis 2 Prozent. Mastercard aber biete für große Einzelhandelsketten – und dazu gehört Walmart – bei einem Kaufvolumen von mindestens drei Milliarden Dollar eine niedrigere Rate bis zu 1,26 Prozent an. Und die von Wal-mart ausgegebene „In-Store“-Kreditkarte ist eine Mastercard. Vielleicht, so mutmaßte ein Kunde, ziele Walmart vor allem darauf, mehr Kunden für seine eigene Kreditkarte zu gewinnen.


Alle Seiten könnten die Verlierer sein

Walmart und Visa hatten nach Bekundungen beider Seiten monatelang verhandelt, wie die Gebühren gestaltet werden könnten – ohne Erfolg. Walmart sei eine der niedrigsten Raten angeboten worden, die Visa Einzelhändlern in Kanada anbiete, „aber Walmart verlangt mehr“, kontert Visa die Vorwürfe des US-Unternehmens. „Sie glauben, dass ihre Kosten für die Annahme von Visa-Karten viel niedriger sein sollten als die aller anderen Händler – niedriger als die örtlichen Lebensmittelgeschäfte, die Apotheken und Mini-Märkte – und die Wohlfahrtsorganisation und Schulen. Sie benutzen ihre Größe und Gewicht, um sich einen unfairen Vorteil zu verschaffen.“ Bis eine Einigung erzielt sei, sollten Verbraucher ihre Visa-Karte doch in den mehr als 5200 Geschäften in Thunder Bay einsetzen, die Visa akzeptieren, erklärte Visa gegenüber dem kanadischen Rundfunk CBC.

Grundsätzlich haben beide Seiten ihre Bereitschaft erklärt, weiter zu verhandeln, um eine Vereinbarung zu erreichen. Aber kanadische Medien verweisen darauf, dass Walmart hat auch in den USA mit Visa im Clinch liegt. Dort geht es um die Benutzung von PIN-Nummern beim Einsatz der Visa-Karten, und in einem weiteren Verfahren ebenfalls um Gebühren. Beide Seiten würden in der Auseinandersetzung in Kanada letztendlich verlieren, meint der auf Einzelhandel spezialisierte Analyst Doug Stephens in Toronto. Es sei für Verbraucher „sehr merkwürdig“, wenn sie in einem Geschäft dieser Größe nicht Visa benutzen könnten.

Visa habe einen gewaltigen Marktanteil. Nach eigenen Angaben haben Banken allein in Kanada 54 Millionen Visa-Karten ausgegeben, womit statistisch jeder der 35 Millionen Kanadier mehr als eine Visa-Karte besitzt. Stephens schätzt, dass rund 60 Prozent der Walmart-Kunden von der Entscheidung betroffen sein könnten. Angesichts des harten Wettbewerbs im Einzelhandel sei es „kein guter Zeitpunkt, die Möglichkeiten der Kunden zu beschränken, bei dir zu kaufen“.

Auch Management-Professor Farshid Shams von der Lakehead-Universität in Thunder Bay glaubt, dass alle drei Seiten, Walmart, Visa und die Kunden „in gewisser Weise“ Nachteile haben. Walmarts Entscheidung werde Kunden veranlassen, in anderen Geschäften zu kaufen, für Visa dagegen stelle der Verlust eines großen Einzelhändlers wie Walmart einen Verlust an Glaubwürdigkeit dar. Und beide würden zeigen, dass Kunden nicht mehr der wichtigste Faktor in ihren Entscheidungsprozessen seien, meinte Shams gegenüber dem Sender CBC.

Thunder Bay sei ein kleiner Markt und was immer das Ergebnis des Konflikts sei, es werde nur begrenzt Auswirkungen haben. „Sie wollen die Gewässer testen und die Reaktionen der Kunden beobachten“, mutmaßt Shams. In der „Donnerbucht“ kann die See aber ziemlich stürmisch sein.

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