Was in unserem Essen steckt Lebensmittel-Lobby wehrt sich gegen mehr Aufklärung

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Gastronomenlobby wehrt sich gegen Internet-Pranger

Nora Dittrich, Lebensmittel-Expertin der Verbraucherzentrale NRW, kennt diese Fälle. „Sie zeigen, dass im Supermarkt einige Produkte kursieren, bei denen die schwammige Rechtslage eine irreführende Etikettierung zulässt“, sagt sie. Immerhin gibt es seit drei Jahren das Portal lebensmittelklarheit.de, gefördert von den Verbraucherzentralen und dem Landwirtschaftsministerium. Dort können sich Verbraucher öffentlich über Produkte beschweren, von deren Verpackungen sie sich falsch informiert fühlen. Aktuell sind 319 verschiedene Waren aufgelistet, bei denen das Portal „nachvollziehbares Täuschungspotenzial“ sieht.

Wie sich Unternehmen und Verbände gegen mehr Transparenz bei Lebensmitteln wehren, zeigt auch ein Blick auf Hygienekontrollen in Restaurants.  Im September 2012 wurde per Gesetz beschlossen, dass die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen öffentlich gemacht werden. Konkret nutzte etwa der Regierungsbezirk Berlin-Pankow ein Smiley-System, um Restaurantbesuchern zu zeigen, ob der Laden sauber ist. Lachendes Gesicht? Alle sauber. Trauriges Gesicht? Hygienemängel.

Restaurants klagen gegen öffentliche Kontrollergebnisse

Weniger zum Lachen fanden das die angeprangerten Restaurants, sie zogen vor Gericht – und erreichten einen Unterlassungsanspruch. Den Kommunen, die Hygienemängel von Restaurants mit Name und Adresse veröffentlicht haben, drohen nun Schadensersatzforderungen. Deshalb werden aktuell keine Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen mehr in Deutschland veröffentlicht, trotz angeblich „ausreichender Gesetzeslage“. Das Landwirtschaftsministerium „bedauert das“. Und verspricht: Noch in diesem Jahr soll eine neue Gesetzesgrundlage geschaffen werden, um den Verbrauchern wie angedacht die Informationen zukommen zulassen.

Foodwatch will nicht auf die Politik warten und hat eine „Smiley-Offensive“ gestartet. Namhafte deutsche Köche und Gastronomen fordern ein System wie in Dänemark, wo für alle Restaurants die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen auf einer Internetseite gesammelt sind. Nach der Einführung habe sich bei unserem nördlichen Nachbarn die Zahl der Hygieneverstöße deutlich reduziert, argumentieren die Befürworter.

Lebensmittelkontrollen in anderen Ländern

Unterstützt werden sie von Volkes Stimme: Eine repräsentative Umfrage hat ergeben, dass sich neun von zehn Deutschen ein Smiley-System wünschen. Der Gastronomenverband Dehoga läuft Sturm gegen diese Transparenzoffensive: „Der Internetpranger stellt alle Gastronomen unter Generalverdacht und ist ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit“, heißt es aus dem Verband. Wenn das Gesetz dieses in den nächsten Monaten geändert werden soll, werden die Lobbyisten ihre Meinung lautstark zur Geltung bringen.

Bis sich die Rechtslage verändert, setzt die Politik vor allem auf Lebensmittelkontrolleure, um sicheres Essen zu garantieren. Ein Jahr nach dem Pferdefleischskandal gibt es immer noch sehr viel zu tun. Das Land Baden-Württemberg hat gerade seinen Jahresbericht veröffentlicht, demnach mussten die Kontrolleure pro Arbeitstag sechs Lebensmittelbetriebe schließen – darunter fallen Produzenten, Vertriebe oder Verkäufer.

Der Bericht spart nicht an Details: „In solchen Fällen spielt oft starker Schädlingsbefall mit Mäusen, Ratten oder Kakerlaken eine Hauptrolle; wegen der möglichen Gesundheitsgefahren musste sofort gehandelt werden.“ In einem von vier kontrollierten Betrieben stellten die Prüfer Verstöße gegen das Lebensmittelrecht fest. Allerdings sind die Beanstandungsquoten nicht repräsentativ für das gesamte Bundesland, weil sich die Prüfer bewusst Betriebe heraussuchen, die ein gewisses Risiko bergen. Die gute Nachricht für alle Tiefkühl-Fleischliebhaber: In den 161 Proben im ersten Halbjahr 2014 wurden keine Spuren von Pferdefleisch entdeckt.

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