WAZ-Gruppe Wenn's kracht im Clan

Streit kommt in den besten Familien vor. Wenn Eigentümerfamilien zanken, lähmt das den ganzen Konzern - oft mit dramatischen Folgen.

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Die Familieneigentümer des Finanzdienstleisters Sal. Oppenheim ließen die Bankführung gewaltige Risiken beim angeschlagenen Handelskonzern Arcandor eingehen - mit dramtischen Folgen Quelle: Getty Images

Die operativ tätigen Manager einfach mal so machen lassen ist oft Resultat zu großer persönlicher Nähe zu den Eigentümern und unklarer Entscheidungsregeln. Peter May, Gründer der Bonner Intes-Akademie für Familienunternehmen fordert, dass Familienunternehmen endlich den Schritt „von der Willkür zur Rechtlichkeit“ machen müssen.

Eine in regelmäßigen Abständen zu überprüfende Familienverfassung könne klare Spielregeln formulieren und den Ausgleich der Interessen fair und transparent regeln.

Was passiert, wenn dies ausbleibt, demonstriert seit Jahren der Essener Medienkonzern WAZ. In der Ruhrstadt gebieten zwei Eigentümersippen über einen der größten Zeitungsverlage Europas. Dass der Riese nicht noch größer und zukunftsfähiger ist, hat er der fast traditionellen Uneinigkeit der Eigner zu verdanken.

1948 hatten der Journalist Erich Brost und der Verlagsmanager Jakob Funke gemeinsam von der britischen Militärregierung die Lizenz für die Herausgabe der WAZ bekommen. Doch seit dem Tod der Gründer beharken sich die Eigentümersippen aufs Intensivste, strategische Entscheidungen scheiterten an der Uneinigkeit.

Deutschlands mächtigste Clans
Platz 16: SchleckerBranche: Drogerie Umsatz: 6,6 Mrd. Euro Mitarbeiter: 47.000 Quelle: AP
Platz 15: Würth GruppeBranche: Befestigungs- und Montagetechnik Umsatz: 8,6 Mrd. Euro Mitarbeiter: 65.000 Quelle: AP
Platz 14: Rethmann-GruppeBranche: Wasser- und Kreislaufwirtschaft, Logistik, Bioindustrie Umsatz: 9,1 Mrd. Euro Mitarbeiter: 42.000 Quelle: dpa/dpaweb
Platz 13: OetkerBranche: Lebensmittel, Finanzwesen, Schifffahrt Umsatz: 9,5 Mrd. Euro Mitarbeiter: 25.000 Quelle: dpa
Platz 12: INA-Schaeffler (Continental)Branche: Autozulieferer Umsatz: 9,5 Mrd. Euro Mitarbeiter: 68.000 Die Übernahme des deutlich größeren Konkurrenten stürzte das Unternehmen aus Herzogenaurach 2009 in eine existenzielle Krise. Ein Kompromiss mit den kreditgebenden Banken sicherte das Überleben. Trotz des operativ gut laufenden Geschäfts bleiben Unsicherheiten wegen der nach wie vor hohen Verschuldung. Quelle: AP
Platz 11: Maxingvest (Tchibo)Branche: Konsumgüter Umsatz: 9,6 Mrd. Euro Mitarbeiter: 32.000 Quelle: dpa/dpaweb
Platz 10: TengelmannBranche: Einzelhandel Umsatz: 11,3 Mrd. Euro Mitarbeiter: 80.000 Quelle: AP

Beim Münchner Fernsehkonzern ProSiebenSat.1 etwa kamen die WAZ-Männer 2003 wegen interner Uneinigkeit nicht zum Zuge. Stattdessen kaufte der Amerikaner Haim Saban den Laden für 525 Millionen Euro und vertickte ihn später für drei Milliarden Euro an die Finanzinvestoren KKR und Permira.

Anteilsverkäufe zwischen Brost und Funke

Einer der Familienstämme Brost und Funke könnte sich im kommenden Jahr aus Essen verabschieden. Die Funke-Tochter Petra Grotkamp bietet den Erben der Brosts 470 Millionen Euro für deren Anteil.

Ob sie zum Zuge kommt, entscheidet der Anwalt der drei in München lebenden Brost-Enkel Bernhard, 23, Hannah, 18, und Theresa, 13, die eigentlich erst ab 2015 über diesen Anteil verfügen dürften.

Die Brosts hatten die nächste Generation als Erben eingesetzt, weil sie ihren eigenen Sohn Martin bereits 1978 nach einem Streit ausbezahlt hatten. Der durfte sich dem Vernehmen nach lange Zeit im Verlag nicht blicken lassen.

Dennoch wirkt er im Hintergrund mit am geplanten Anteilsverkauf, ausgerechnet an die stets argwöhnisch beäugte Gegenseite – eine spektakuläre Wende, die die 2010 verstorbene Verlegerwitwe Anneliese Brost offenbar so absurd fand, dass sie sie nicht mal in ihrem Testament erwähnte.

Kommt der Verkauf zustande, wäre allerdings noch immer nicht geklärt, wer die Macht bei der WAZ hat – denn weiterhin wird es Petra Grotkamp mit der eigenen Funke-Sippschaft zu tun kriegen.

Selbst wenn die Grundkonstellation stimmt und strategische Streitereien unterbleiben, sind Dynastien dem Untergang geweiht, wenn sie sich gar nicht oder nur gegenseitig kontrollieren.

Die Privatbank Sal. Oppenheim

Der Eingang des Bankhauses Sal. Oppenheim in Köln. Quelle: dpa

Wer Matthias Graf von Krockow länger nicht gesehen hat, wird ihn kaum wiedererkennen. Der offenkundig vom Schicksal gezeichnete Mann erinnert kaum noch an jenen Hünen, dessen massige Statur und kräftige Stimme das Selbstbewusstsein und die Unverwundbarkeit von rund zwei Jahrhunderten erfolgreichen Bankgeschäfts in Familienhand verkörperten.

Der Chef der Privatbank Sal. Oppenheim war bis zu seinem Abschied Ende 2009 einer der eifrigsten Missionare gemeinhin mit Familienunternehmen assoziierter Tugenden wie dem Denken in Generationen und der Orientierung an nachhaltigen Werten.

„Keiner soll die Backen stärker aufblasen, als er es sich leisten kann“, ließ er es zu Beginn der Finanzkrise aus der scheinbar trutzigen Kölner Bankfestung erschallen.

Ein gutes Jahr später, im Sommer 2009, war Sal. Oppenheim praktisch pleite, die Deutsche Bank rettete das Institut mit einer Notübernahme. Der Kollaps des mit der Bank eng verflochtenen Handelskonzerns Arcandor hatte sie mit in den Abgrund gerissen.

Kein funktionierendes Kontrollsystem

Der Keim für den Verlust der Selbstständigkeit wurde aber früher gepflanzt. „Es gab überhaupt kein wirksames Kontrollsystem“, sagt ein ehemaliger hochrangiger Manager.

Noch auf dem Sterbebett, so berichtet ein Familieninsider, hatte ein Altvorderer davor gewarnt, „den Matthias“ unkontrolliert schalten zu lassen. Doch der Erfolg der ersten Jahre ließ die Bedenken hinten anstehen. Dabei waren das nötige Maß und das Bewusstsein fürs Risiko verloren.

Wenn ein persönlich haftender Gesellschafter Einwände gegen die Expansionspläne eines anderen hatte, wurde er ruhiggestellt, indem er auch expandieren durfte. Gesellschafter, die sich dem Treiben widersetzten, wurden aus der Bank gedrängt.

Zum Selbstbedienungsladen degeneriert

Über das Geschehen wachte ein im Wesentlichen von mit der Bankführung verwandten Familienmitgliedern gebildeter Aktionärsausschuss, dessen Mitglieder sich teilweise nicht für die Details des Geldgeschäfts interessierten, sondern die Bank in erster Linie als Finanzierungsquelle ihrer Freizeitaktivitäten ansahen.

Die Aufseher verhinderten deshalb auch nicht, dass das Institut zunehmend zum Selbstbedienungsladen degenerierte, der die Männer an der Spitze mit unbesicherten Krediten alimentierte. Interner Sachverstand war begrenzt gefragt.

Ehemals wichtige Manager berichten, dass sie trotz vereinbarten Termins oft stundenlang vor der Tür warten mussten, bis sie zur Audienz vorgelassen wurden.

Die Familie ist heute zerstritten, große Teile des neunstelligen Vermögens haben sich in Luft aufgelöst, bei gesellschaftlichen Veranstaltungen sind einige Angehörige des Clans nicht mehr Ehrengäste, sondern unerwünscht.

Von Krockow und seine Kumpane werden sich vermutlich im kommenden Jahr vor dem Strafgericht verantworten müssen. Und das alles „völlig unnötig“, wie ein früherer Top-Manager sagt.

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