Wein Die skurrilen Methoden deutscher Spitzenwinzer

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Zielgruppe: Kaufkräftige Weintrinker

Deshalb bringt er seinen Auszubildenden bei, wie man die biodynamischen Präparate anrührt und welche Arbeit in welcher Mondphase gemacht werden sollte. „Ich mag den ganzheitlichen Ansatz und die Idee eines geschlossenen Betriebskreislaufs. Alles andere ist mir suspekt“, sagt er.

Auch Kühn sagt: „Dass meine Weine dadurch gut wurden, war letztlich nur ein Ergebnis.“ Viel lieber spricht er über seine neuesten Pläne: Er hat eine Wiese direkt neben seinen Weinbergen gekauft. Hier sollen nicht zusätzliche Rebstöcke, sondern eine eigene Kuhherde stehen. Dann entsteht der Dung für die Hörner direkt auf der Wiese neben den Weinbergen. „Damit haben wir eine noch größere Nähe zu den tierischen Elementen.“ Er hat bereits die Bäume gepflanzt, unter denen sich die Tiere ihres Lebens erfreuen sollen.

So romantisch das klingt: Kühn produziert für eine kleine Zielgruppe: kaufkräftige Weintrinker.

Die veränderten klimatischen Bedingungen verändern den Wein, belegen Forscher. Mit der Züchtung neuer Rebsorten steuern Önologen dagegen. Gentechnik soll in Deutschland dabei aber keine Rolle spielen.

Edeka entdeckt das Geschäft

Ob die esoterisch anmutenden Weine massenkompatibel sind, zeigt sich daher an einem anderen Ort. In Bernkastel-Kues an der Mosel sitzt Deutschlands größte Weinkellerei. Rund 250 Millionen Liter verlassen jedes Jahr die Tanks von Peter Mertes. Die Kellerei beliefert die Supermärkte und Discounter der Republik – also jene Orte, wo mehr als 75 Prozent der Weine gekauft werden. Zum ersten Mal hat Deutschlands größte Weinfabrik eine biodynamische Linie im Sortiment. Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka ist bereits eingestiegen, ebenso Nummer zwei Rewe. Mit sechs Euro Durchschnittspreis liegt deren biodynamischer Wein deutlich über den gängigen Supermarktweinpreisen von um die zwei Euro. Im Vergleich zu anderen biodynamischen Weinen ist das jedoch billig.

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Entsprechend umstritten ist der neue Mitspieler in der Szene. Es ist die alte Frage aller Alternativbewegungen: Gewissen – oder Gewinn? Der Gralshüter des Zaubers, der Demeter-Verband, argumentiert: Die Großkellerei erfülle nun mal die gleichen Bedingungen wie kleine Weingüter. Wie solle man ihr da das Siegel vorenthalten? Außerdem erreiche man völlig neue Kundengruppen: Über Mertes kommen biodynamische Weine in den Mainstream-Markt. Zu einem Preis, bei dem Kühn und Co. nicht mithalten können und wollen.

An der Fundiertheit der Biodynamie-Magie sind die Kunden im Supermarkt eher nicht interessiert. Da schließt sich der Kreis zu Kühns Kunden. Als dieser von seiner Ausgrabung zurückkommt, steht eine Gruppe älterer Herrschaften in seinem Hof. Weintrinker, für die es bei zehn Euro pro Flasche losgeht. Auch sie fragen nicht nach Hörnern und Kompost. Stattdessen kaufen sie den Wein aus einem anderen Grund – weil er ihnen schmeckt.

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