Werbesprech

Werber reiben sich bei Amazon Alexa die Hände

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Die Litfaßsäule fürs Wohnzimmer

Eine Litfaßsäule in jedem deutschen Wohnzimmer, die Singles, Paare und Familien mit Werbung zutextet - das wäre der Traum mancher Werber. Eine Werbezukunft gar, in der jedes Unternehmen quasi von hinten durch die Brust ins Auge unsere Wünsche und Einkäufe steuern kann? Es ist kaum anzunehmen, dass die Verbraucher das zulassen. Auch die Werber haben bei Innovationen ein ums andere Mal heftig daneben gelegen.

Der Hype um Second Life sollte für Marken-Avatare eine zweite, werbliche Heimat inmitten unseres virtuellen Lebens werden. Stattdessen wurde Second Life einer der größten Flops der Digitalgeschichte.

Während des ebenso überraschend kurzen Lebens von Pokémon GO träumten Werber davon, wie sich das Phänomen werblich nutzen ließe. Es bildeten sich in manchen Agenturen sogar Pokémon-GO-Spezialisten. Davon spricht heute niemand mehr. Lieber eilt man der nächsten Sau hinterher, die durchs digitale Dorf getrieben wird.

Zwischen Freude und Frustration: Amazons Lautsprecher Echo und die smarte Assistentin Alexa sorgen für ein Wechselbad der Gefühle. Wie sich das Leben mit ihnen verändert und wohin die Reise geht.
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Amazon und die Weltherrschaft

Die digitalen Sprachassistenten wird ein solches Schicksal kaum ereilen. Doch das hat einen gänzlich anderen Grund. Amazon wird mithilfe von Alexa ein völlig neues Ökosystem erzeugen. Alexa könnte damit zur größten Bedrohung für die Markenwelt werden, die es je gab.

Alexa ist ein Tausendsassa. Vor allem aber hilft sie uns beim Einkauf. Sie erstellt Einkaufslisten, kennt die Lieblingsspeisen aller Familienmitglieder und jede unserer Markenpräferenzen. Sie informiert über die aktuellen Sonderangebote des Handels. Selbst über die Bevorratung des Haushalts ist sie - dank Smart-Home-Anbindung - bestens im Bilde.

Alexa weiß, wann ein Geburtstag bevorsteht und verwaltet die Geschenkeliste. Sie weiß, dass wir in Urlaub fahren und schlägt Rezepte vor, mit denen wir die restlichen Lebensmittel sinnvoll verbrauchen. Da sie alle Terminkalender kennt, weiß sie, wer wann zu Hause ist und empfiehlt etwa dem Strohwitwer, eine Pizza zu bestellen. Natürlich füllt sie rechtzeitig auch den Biervorrat auf.

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Das trojanische Pferd

Gleichzeitig greift Amazon massiv in den Lebensmittelhandel ein. Amazon Go heißt ihr futuristisches Ladenkonzept. Im Mai soll auch Amazon Fresh in Berlin an den Start gehen. Schon bald wird der Internetkonzern frische Lebensmittel in unsere Haushalte ausliefern und dürfte damit die Lebensmittelbranche mächtig aufwirbeln.

Die Strategie, mit der Amazon diese Werkzeuge in den Markt hebt, ist genial. Führt man nämlich beide Innovationsstränge zusammen - Alexa und Fresh - entsteht ein geschlossener Kreislauf: Alexa führt unsere Einkaufslisten und kauft anschließend im eigenen Supermarkt ein. Besonders gern die Eigenmarken des Versandhändlers.

Gerüchte über einen bevorstehenden Start des Lieferdienstes Amazon Fresh gab es immer wieder. Doch nie war ein baldiger Start wahrscheinlicher. Das könnte den Lebensmittelhandel auf den Kopf stellen.

In naher Zukunft werden sich Marken weniger um eine Listung bei Edeka oder Lidl kümmern, sondern um die bei Amazon. Marken werden sich in erster Linie bemühen müssen, überhaupt in diesen neuen Kreislauf vorzudringen. Der Verbraucher wird frohlocken, denn Einkaufen war für ihn noch nie so simpel. Er braucht dazu weder die Werbung der Marken, noch die des Einzelhandels. Er braucht nur noch Amazon.

Alexa ist für Amazon ein trojanisches Pferd auf dem Weg zur Übernahme der Handels- und Marken-Weltherrschaft. Die Marken und ihre Werber sollten sich warm anziehen.

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