Werbesprech

Gebt uns die Werbefiguren wieder!

Die meisten Verbraucher hassen nichts mehr als die Nerv tötende Werbung. Mit einer Ausnahme: Werbefiguren. Die lila Kuh von Milka, der Haribo-Bär und Käpt’n Iglo sind beliebt wie eh und je. Doch nun sind sie vom Aussterben bedroht. Die Werbung macht damit einen großen Fehler.

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Die berühmte

Werbefiguren sind so alt wie die Werbung selbst. Die berühmte "Weiße Dame" warb bereits 1922 in weißem Kleid und weißem Florentiner-Hut zum ersten Mal auf einem Plakat für Persil.
Unvergessen die Schauspielerin Johanna König als Klementine für Ariel ebenso wie Jan Miner als Tilly, die zweieinhalb Jahrzehnte lang für das Geschirrspülmittel Palmolive („Sie baden gerade Ihre Hände drin“) warb.

Dr. Best, ein echter Zahnarzt aus Chicago, der auf Tomaten drückte („Die klügere Zahnbürste gibt nach“), machte die Zahnbürsten von Lingner + Fischer landauf, landab bekannt und Frau Sommer sorgte bundesweit für zufriedene Kaffeetafeln mit Jacobs Krönung. Karin Sommer prägte das Gesicht der Jacobs-Werbung von 1972 bis 1984 und wurde 2011 für kurze Zeit reaktiviert.

Derartige Werbe-Ikonen, an die sich Generationen später noch erinnern, sind leider nur spärlich anzutreffen - und sie geraten scheinbar aus der Mode. Doch auch hier bestätigt die Ausnahme die Regel: Thomas Gottschalk trennte sich nach fast einem Vierteljahrhundert von den Haribo-Goldbären und übergab die Rolle des Markenbotschafters 2015 an Michael „Bully“ Herbig. Der erwies sich als glückliche Wahl und wurde jüngst  zum besten Marken-Testimonial des Jahres gekürt. Aus dem Stand verwies er damit Stars wie Helene Fischer (u. a. Tchibo), George Clooney (Nespresso), Robbie Williams (VW) und selbst Dauer-Testimonial Dirk Nowitzki (ING Diba) auf die Plätze.

Tierisch gute Werbung

Allerdings besitzt Haribo neben seinem menschlichen Testimonial auch einen niedlichen Bären als Werbefigur. Weitaus häufiger als menschliche Markenbotschafter sind es Tiere und Fabelwesen, die den Marken Gesicht und Sympathie verleihen. Zu den ältesten zählen Lurchi, das Markenzeichen der Schuhfirma Salamander aus den 50er Jahren und der Sarotti-Mohr, der 1918 das Licht der Welt erblickte. Er musste 2004 leider von der Bühne treten - als Reaktion auf anhaltende Kritik, wonach die Figur das rassistische Stereotyp des "dienstbaren Negers" verkörpere.

Gegenüber Menschen haben die Kunstfiguren unverkennbare Vorteile: Im Gegensatz zu echten Schauspielern haben sie weder Launen, noch Starallüren, noch werden sie in Skandale verwickelt - und sie haben kein biologisches Verfallsdatum. Sie können immer wieder verjüngt und neu in Szene gesetzt werden.

Wer kennt nicht Bibendum, den Reifenmann des Reifenherstellers Michelin? Das hierzulande als Michelin-Mann bekannte Reifenmännchen stammt aus dem Jahre 1898 und steht noch heute für die Marke. Er darf mit Fug und Recht von sich behaupten, eines der ältesten Werbefiguren überhaupt zu sein. Tiere als Werbefiguren sind allemal langlebiger: Der Frosch verzierte bereits 1903 die Schuhcremedosen der Marke Erdal und der Bärenmarke-Bär erblickte gar 1892 das Licht der Welt. Um einiges älter noch ist nur Johnnie Walker, der seit 1820 für die Whisky-Marke marschiert.

Das langsame Sterben der lila Kuh

Die Werbefiguren, die ihren Marken einen unverwechselbaren Charakter verleihen, gelten keinesfalls als europäische Errungenschaft. In den USA, dem Ursprungsland der modernen Werbung, besitzen sie einen wesentlich höheren Stellenwert als in Deutschland. Etwa 40 Prozent der uns bekannten Figuren sind in den USA entwickelt worden: Der Marlboro Man, die vermutlich bekannteste Werbefigur der Welt, Ronald McDonald oder etwa Meister Proper, der in seiner Heimat auf den Namen „Mr. Clean“ hört.

Spektakuläre Flugzeug-Designs
Boeing 737 im Goldbär-Look Quelle: Presse
Boeing 737 als Paradiesvogel Quelle: Presse
Boeing 787 als R2-D2 Quelle: Presse
Am 18. Oktober 2015 absolvierte die ANA-Crew mit begeisterten Star-Wars-Fans in stilechten Kostümen den ersten Flug. Passend zum Start von „Star Wars 7: Das Erwachen der Macht “ steuerte R2-D2 ab dem Jahresende 2015 von Japan aus Ziele in aller Welt an. Quelle: dpa
Ein wenig Star-Wars-Flair: Passagiere mit Storm-Trooper-Helmen laufen vor der All Nippon Airways (ANA) Boeing 787-9 Dreamliner JA873A namens "R2-D2 ANA JET" entlang auf dem Weg in den Flieger. Quelle: REUTERS
Boeing mit Pokemon Quelle: Suoh Sato - Creative Commons - Wikipedia
Tim und Struppi auf einem Airbus A320 Quelle: Presse

Die sympathischen Werbegeschöpfe haben eine extrem wichtige Aufgabe: Sie sollen die von ihnen verkörperte Marke und das dazugehörige Angebot im Gedächtnis der potentiellen Kunden verankern und zu höheren Kaufraten verführen. Und das tun sie: Sie prägen sich viel stärker in unser Unterbewusstsein ein als die Marke selbst. Umso erstaunlicher, dass sie scheinbar nach und nach von der deutschen Bildfläche zu verschwinden drohen.

Die „Lila Kuh“ von Milka hat Kultcharakter. 1972 von der Werbeagentur Young & Rubicam entwickelt, kennen sie heute 98 Prozent aller Verbraucher. Kaum ein Werber hat nicht ein denkwürdiges Meeting bei einem Kunden erlebt, in dem der forderte: „Wir wollen auch so eine lila Kuh!“

Lila Kuh wird zur Nebenrolle

Bei einer Malaktion in einer bayerischen Schule färbte jedes dritte Kind eine Kuh auf den ausgegebenen Malbögen lila ein - zum blanken Entsetzen der anwesenden Pädagogen. Doch in den jüngsten Werbekreationen des Schoko-Herstellers tritt die beliebte Kuh nur noch einer Nebenrolle auf. Das könnte sich als Fehler erweisen, wie das nächste Beispiel zeigt.

Werbefiguren wichtiger als das Produkt selbst

Kult war auch Käpt’n Iglo, der 1985 als Werbefigur eingeführt wurde und bald zum Synonym für Fischstäbchen schlechthin avancierte. Nachdem das Unternehmen mehrfach den Besitzer wechselte, wollte man den Auftritt internationalisieren und ließ kurzerhand den Käpt’n weg. Das erwies sich als Fehler. Denn ohne Käpt’n Iglo blieben auch die Käufer aus. Nun kommt der Seebär wieder auf die Bildschirme. Offenbar waren den Verbrauchern Werbung und Werbefigur wichtiger als das Produkt selbst.

Eine andere Werbefigur, die viele schmerzlich vermissen, ist der Esso-Tiger („Pack den Tiger in den Tank“), der von 1965 bis 1990 zahlreiche Tankstellen des Konzerns zierte. Seither machte Esso in den letzten Jahren eher durch missglückte Werbung mit Nazi-Sprüchen („Jedem den Seinen“) auf sich aufmerksam. Da wäre es besser gewesen, den Tiger wieder auf die Tankstellendächer zu schrauben.

Werbung aus dem vorigen Jahrhundert

Wenn Aral derzeit damit wirbt, dass sein Kraftstoff den Motor dank „Anti-Schmutz-Formel“ reinigt und dazu Comic-Piranhas in Szene setzt, ist das dagegen ein müder Abglanz und hoffentlich nur kurzzeitiger Ersatz für den Tiger des Wettbewerbers Esso. Piranhas, denen gemeinhin nicht sonderlich viel Sympathie und Mitgefühl entgegengebracht wird, dürften die Autofahrer kaum überzeugen. Und eine „Anti-Schmutz-Formel“ klingt wie Waschmittelwerbung aus dem vorigen Jahrhundert.

Alles richtig macht Saturn mit dem Einsatz des Schauspielers Antoine Monot als „Tech-Nick“. Er verkörpert den meist schweigenden Verkäufer des Elektromarktes mit so viel Hingabe und Sympathie, dass man sich wünscht, er möge noch viele Jahre die Werbefigur des ehemaligen „Geiz-ist-geil“-Marktes bleiben.

Die Strahlkraft der Werbefiguren hat in keinster Weise nachgelassen - trotz oder vielleicht wegen der um sich greifenden Digitalisierung mitsamt „Internet of Things“, das bald jeden Gegenstand und jede Verpackung in einen Kleinstcomputer verwandeln wird. Der Verbraucher sehnt sich nach Wohlbehagen und Wärme. Und: Es kommt bekanntlich selten genug vor, dass sich Verbraucher überhaupt Werbung wünschen. Das schaffen die beliebten Werbefiguren. Werber, die sie abschaffen, besitzen weder Herz noch Verstand.

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