Verdacht auf Pferdefleisch in Ikea-Köttbullar: Na, sowas.
Vorwürfe über DDR-Zwangsarbeit für Ikea-Möbel: Ui!
Gerücht über Kinderarbeit beim Knüpfen von Ikea-Teppichen: Hupsala!
Ikea nimmt nach 14 Jahren ein Regal vom Markt: WAAAAS? JA, SIND DIE ALTEN NORDLICHTER JETZT TOTAL IM GEISTIGEN PACKEIS VERSCHOLLEN?
Die können doch nicht einfach Expedit aus dem Sortiment werfen, ohne vorher alle Expedit-Kunden von damals zu fragen. Das neue Ersatzregalsystem Kallax sieht zwar fast genauso aus und soll billiger und stabiler sein, ist aber eben nicht identisch. Das passt ja hinten und vorne nicht zusammen. Dümmer geht's nicht!
Wenn das so weitergeht in Deutschland, dann fangen irgendwann noch Handyhersteller an und führen Telefone mit Anschlüssen ein, die nicht mehr zu den alten passen.
Oder Kantinen verändern wöchentlich die Speisekarte. Gerade noch Spaghetti Pesto, jetzt plötzlich Penne all' Arrabbiata.
Oder H&M nimmt ein dunkelblaues T-Shirt aus der Kollektion und bringt ein neues hellblaues. Von einer Saison zur nächsten!
Oder, oder hier: Ein Winzer schreibt plötzlich nicht mehr "Riesling 2012" aufs Etikett sondern "Riesling 2013". Stellen Sie sich mal dieses Chaos vor!
Die Logik der empörten Kunden ist die: Das Expedit-Regal wurde einmal eingeführt, also konnte ich gemäß Treu und Glauben beim Kauf davon ausgehen, dass es dieses Regal für immer und in alle Ewigkeit geben wird. Deshalb jetzt natürlich der Schock. Denn immerhin: Wer sich für ein Möbel Marke Expedit entscheidet, der blättert zwischen 21 Euro 90 und 169 Euro hin. Bei den Summen kann man Bestandsschutz über Generationen erwarten.
Ich selber habe mir vergangenes Jahr ein Expedit hinter die Büro-Tür gestellt, um dort meinen Drucker daraufzustellen. Eigentlich hatte ich mit dem Gedanken gespielt, mir in zwanzig oder dreißig Jahren noch ein kleines Expedit-Element dazu zu kaufen. Das kann ich mir jetzt natürlich abschminken.
Und trotzdem freue ich mich wie ein kleiner Schneekönig. Wissen Sie warum? Sobald Expedit tot ist und Kallax kommt, bin ich Eigentümer einer Antiquität. Einer Ikea-Antiquität. Alle anderen Expedit-Käufer dürfen mitjubeln. Sie wohnen in einer echten Geldanlage. Kein Witz!
Oh Gott, dieses Gefühl von Sicherheit ist so schön.
Als halber Schwede ziemlich entspannt
Ich ruhe trotz des Expedit-Skandals so in mir, weil ich bereits lange, lange Erfahrung habe. Als halber Schwede bin ich mit und in Ikea aufgewachsen. Ich weiß verrückte Sachen wie: Köttbullar spricht man Chöttbüllar. Und das Kinderparadies namens Småland spricht man nicht Smäland oder Smaland, sondern Smoland. Mit reinstem o. So!
Und bis vor einiger Zeit hatte ich zuhause die Ikea-Modulküche Värde. Weiß furnierte Fronten, unbehandelte helle Holzarbeitsplatten, matt gebürstete Verblendungen unten an den Beinen. Damals schick. Ich hatte sie mir als Berufseinsteiger gekauft und gar nicht gemerkt, dass ich sie nun schon über neun Jahre hatte. Das ist lange. Neun Ikea-Küchen-Jahre entsprechen 45 Poggenpohl-Küchen-Jahren.
Das Gute an Modulküchen ist: Man kann sie in einzelnen Modulen bei Ebay verscheuern. Doch als ich im Ikea-Online-Katalog nachschauen wollte, wie die einzelnen Elemente offiziell benannt waren, merkte ich: Värde ist weg. Und zwar seit Jahren! Erst bekam ich einen veritablen Tobsuchtsanfall und sprühte vor Ikea-Hass (wie die Expedit-Kunden jetzt!). Denn wer kauft mir noch Module einer Küche ab, die es nicht mehr gibt?
Doch was blieb mir übrig - ich versuchte mein Glück. Ohne große Hoffnung allerdings ließ ich die Auktionen nur fünf Tage laufen. Weg ist weg. Spülmaschinen-Schrank, Hängevitrinen, große Anrichte, zwei Unterschrank-Schubladen, Backofen-Herd-Spülmaschinen-Modul und mehr. Alles einzeln. Die Auktionen endeten im Abstand von zwei, drei Minuten. Ich sage Ihnen: Das war ein halbstündiges Feuerwerk der Endorphine!
Die alte Küche ging fast zum Neupreis weg! Eine Schublade sogar glatt Neupreis.
Was ich aus Verzweiflung fast dem Sperrmüll preisgeben hätte, spülte mir unverhofft fast tausend Euro in die Kasse. Mit ein paar Klicks.
Eine Käuferin, die einige Tage später mit Hilfe ihres kräftigen Begleiters ihre Vitrinen aus meiner Wohnung schleppte, maulte mir noch zu: "Mich kotzt der Preis ja an, kann ich Ihnen sagen. Aber was soll ich machen: Värde wird langsam rar."
Liebe Expedit-Opfer. Sie sind Glückskinder. Wenn es am Ende gut läuft, haben Sie faktisch in kostenlosen Möbeln gewohnt. Und was werden die Menschen wohl in zehn Jahren gar für original-verpackte Expedits hinblättern? Jetzt Keller und Garage mit Expedit-Antiquitäten auffüllen. JETZT!
Das einzige, was noch schief laufen kann, ist, dass Ikea die Nerven verliert und den kurzsichtigen Expedit-Kunden nachgibt. Sollte Expedit bleiben, dann war alles umsonst. Ironie der Geschichte: Ausgerechnet Expedit-Fans hätten Expedit dann als zukunftssichere Geldanlage verbrannt.
Für diesen Fall lauere ich jetzt auf Kallax. Und schlage im Frühjahr zu. Wenn Kallax dann nämlich wegen Expedit nach kurzer Zeit floppt, bin ich reich.