Werner knallhart

Fallen Ritter Sport keine Sorten mehr ein?

Ach, wäre der Mut der Ritters bei neuen Sorten doch so groß wie bei ihren Werbekampagnen. Oder ist der Geschmack von uns Konsumenten einfach zu konservativ? Immerhin - die neueste Idee: Nuss-Schokolade ist jetzt teurer.

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Kolumnen schreiben ist lecker. Ich komme gerade aus der Ritter Sport Bunte Schokowelt in Berlin-Mitte unweit des Gendarmenmarkts. Ein Ritter-Flagshipstore mit Café. Für Berlin-Touristen, die sich fragen: "Wie schmeckt Traube-Nuss wohl, wenn man sie in einem Laden kauft, bei dem die Schokolade teurer ist als im Supermarkt, obwohl sie hier direkt vom Hersteller kommt?"

Der Schoko-Höhepunkt dort ist eine Schokoladenmanufaktur, bei der die Kunden aus einem Berg von Zutaten ihre ganz eigene Schokoladensorte erfinden können. Dort gibt es Zitronenstückchen, karamellisierte Kokos-Flocken, Mini-Marshmallows, Gummibärchen, saure Kirschen und und und. Die Zutaten werden dann mit flüssiger Schokolade verrührt und in quadratische Förmchen gegossen.

Die Schokoladen-Fans überlässt man also ihrer eigenen Phantasie. Aber selber? Eine der ganz neuen Ritter-Ideen für den Massenmarkt: Die Sorte Knusperflakes gibt es jetzt auch in groß. Statt nur in der 100-Gramm-Tafel für rund einen Euro auch als 250-Gramm-Tafel für rund 2,50 Euro. Dass darauf die Kunden gewartet haben, das muss man erstmal erahnen.

Wieviel Zucker steckt in...

Dann die Sorte Nusssplitter - eine klassische Nussschokolade wie aus den 70ern. An der ist neu, dass sie nun wiederum in 100 Gramm verkauft wird. Wie seit Neuestem auch die "Keks-Nuss".

Beide Sorten haben zerhackte Nüsse drin und schmecken fast identisch. Die Keks-Variante hat aber den Nachteil, dass sie beim Kauen so kracht, dass man sie mit Kopfhörern in den Ohren kaum ertragen kann. Sie ist einfach nicht Street. Aber sie knuspert. Und das ist offenbar sehr 2016.

Denn insgesamt gibt es zurzeit 25 Sorten. Aber fast alle Sorten der Neuzeit knuspern. Neben Nusssplitter und Keks-Nuss gibt es Knusperkeks und "Karamell und Keks". Und damit es noch mehr knuspert, gibt es Knusperflakes (mit Cornflakes, also Mais-Knusper) und "Knusper Tortilla Chips" (mit Knuspermais).

Außerdem die "Weiss & Crisp". Man merkt sofort, diese Sorte ist nicht neu, sonst hieße sie  zeitgemäß "Weiss & knusprig". Ritter empfiehlt die Sorte als "Liebeserklärung an alle Knusperfans." Wir leben einfach in einem Knusperjahrzehnt.

Aber es soll ja nicht nur knuspern, es soll auch knacken. Ritter bewirbt die kernigen Sorten jetzt separat als die neue "Nuss-Klasse".

Deutschlands Schoko-Riesen
Schlager Süsstafel Quelle: dpa
Berggold "Sturm der Liebe" Quelle: Screenshot
Halloren-Kugeln Quelle: dpa
Rübezahl Schokoladen Quelle: Presse
Trumpf: Edle Tropfen Quelle: Screenshot
Moser Roth
Stollwerck-Gruppe: Die Markensammler Quelle: dapd

Vollnuss, weiße Vollnuss, dunkle Vollnuss, ganze Mandel (und nicht etwa Vollmandel), Honig-Salz-Mandel (eigentlich ganze Honig-Salz-Mandel) und Macadamia (nicht ganze Macadamia, dafür sind Macadamia zu groß, trotzdem darf diese Sorte in die Nussklasse, anders als die Sorte Kokos, deren Nüsse aus verpackungstechnischen Gründen ebenfalls nicht ganz in die flüssige Schokolade geschmissen werden, allerdings auch nicht in die Nussklasse dürfen).

Aber was bringt die Zusammenfassung als Nussklasse? Online konnte ich dazu nichts finden. Doch in der Ritter-Schokowelt dann die Lösung: Alle anderen Tafeln kosten dort 1 Euro und 5 Cent. Die Nussklasse aber 1 Euro 25. "Nüsse sind so teuer geworden", so die Erklärung eines Shop-Mitarbeiters. Die Nussklasse als neues Preissegment. Danke. Und sonst so?

Och, wenig Revolutionäres: Neben Vollmilch (35 Prozent Kakao), Halbbitter (50 Prozent Kakao) und Edelbitter (73 Prozent Kakao) nun noch - aber Achtung, nur in der 250-Gramm-Variante - die Sorte mit 40 Prozent Kakao, die heißt, logisch: "Goldschatz", als kräftigere Vollmilch-Sorte. Alles Überbleibsel aus der Zeit des Dunkeltrends der Nullerjahre.

Im Winter dann Saisonales mit Zimt und im Sommer mit Beeren, Joghurt und Zitrone. Maaaann! Was ist da los beim größten Schoko-Sortenerfinder, der mit der Sorte Olympia in den 80er-Jahren eine neue Geschmacks-Kategorie erfand mit Honig, Nuss und Joghurt? Und der einst Anfang der Neunziger mit den Cornflakes das Frühstück in die Schokolade warf?

Schokoladen-Schonkost

Im Moment werden gerade unter anderem die Sorten Bourbon-Vanille (die Sorte Vanille-Mousse dürfte laut Ritter bald vom Markt verschwinden) und Stracciatella Crisp getestet. Die Bourbon-Vanille schmeckt wie eine Schokolade für Kinder. Gibt es da nicht schon so etwas? Ach ja, Kinderschokolade. Und die Stracciatella Crisp schmeckt wie Kinderschokolade mit Knusper. Mit Verlaub, das ist doch alles Schokoladen-Schonkost!

Wo bleibt die Schokoladen-Revolution? Antwort: schön in der Schublade. Denn Ritter sagt: Die Leute haben keine große Lust auf Experimente. Auf meine Frage, wie es denn mal probeweise mit einer Lakritz-Schokolade wäre, schallt mir am Telefon Gelächter entgegen: Das funktioniere in Skandinavien. Aber nicht hier. Ritter gilt schon die Pfefferminz als eine kühne Sorte, weil gerade mal so mittelmäßig aber stabil erfolgreich, mit einem harten Kern von Fans in Deutschlands Norden und vielen Verächtern im Süden.

Der Renner bei uns und international ist die Vollnuss. Basta! Warum also experimentieren mit Sesam, Kürbis, Kardamom, Safran oder Waldmeister?

Neue Sorten, so Ritter, lassen sich einfach kaum mehr in den Top 5 der erfolgreichsten Schoko-Geschmacksrichtungen etablieren. Das gelänge keinem Hersteller mehr so leicht. Und für riskante Experimente sei die Gewinnmarge auf Tafelschokolade einfach zu klein.

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Das merkt man auch bei Milka. Die zerkrümeln seit einiger Zeit Oreo-Kekse und Daim in ihre Schokolade. Weil Oreo und Daim wie Milka zum Lebensmittel-Riesen Mondelez (ehemals Kraft) gehören. Fantasieloser geht es nimmer.

Wir wollen die Golfklasse, wir kriegen die Golfklasse. Alles mit Nuss, Knusper, Karamell und Keks. Chillie-Salz-Safran-Schickimicki können ja die Eisdielen machen. Wenn es floppt, floppt nur ein Bottich.

Wer also wirklich Originelles von Ritter haben will, der sollte an die Hauptbahnhöfe unserer Republik gehen. Dort entlädt sich all die aufgestaute Kreativität der Ritter-Leute und ihrer Werber. Auf gigantischen Plakaten heißt es: "Edel-Bitter. Richtig bitter wird es erst, wenn das letzte Stück gegessen ist."

In München: "Servus Schickeria, heute schon gekokost?"

In der Hauptstadt: "Berliner Weisse mit Nuss"

Zur Rum Trauben Nuss: "Vorsicht: Ab 35 Tafeln sollten Sie besser mit dem Taxi fahren."

35 Tafeln von derselben Sorte? Ja, so sind wir Kunden. Das Leben ist schon turbulent genug.

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