Es tut mir in der Seele weh. Als Sohn einer Schwedin bin ich zwischen Ikea-Möbeln aufgewachsen. Billy gehörte für mich so selbstverständlich in ein richtiges Zuhause wie ein Kühlschrank. Und in meinem Kinderzimmer hing immer eine kugelrunde Ballonlampe aus Papier.
Ikea war für mich nicht billig, Ikea war für mich vernünftig und schick. Dass man Möbel auch in anderen Möbelhäusern kaufen und zusammengebaut anliefern lassen kann, das wurde mir erst als Teenager richtig klar.
Heute kann man auch bei Ikea gekaufte Möbel liefern lassen. Kürzlich habe ich den Fehler gemacht, alten Kindheitserinnerungen an die Verlässlichkeit und Vernunft von Ikea zu erliegen und habe etwas bei Ikea online bestellt. Aber wenn man als erwachsener Mensch den Lieferservice anderer Möbelhändler längst kennengelernt hat, wenn man als Großstädter Amazon Prime und Amazon Fresh nutzt, dann merkt man: Wenn einige Dinge heute im modernen 21. Jahrhundert noch so sind wie in Kindheitstagen, dann sind sie einfach schlecht.
So, das war eine verklausulierte Anspielung auf den schlimmen Ikea-Lieferservice. Bei mir war das so:
Ein Freund bat mich, ihn zu Ikea zu begleiten, um dort mit ihm gemeinsam eine kleine Glasvitrine auszusuchen. Weil sein blödes Auto in der Werkstatt war (typisch), fuhren wir mit Bus und Bahn, bereuten dies aber im Ikea-Selbstbedienungslager, denn diese so luftig leicht designte Glasvitrine war flach verpackt in zwei Kartons, von denen jeder einzelne in der Lage war, einem beim Anheben die Bandscheiben zwischen den Wirbeln herauszuquetschen. Die im Bus mit zweimal umsteigen: nein!
„Die haben aber auch einen Online-Shop“, sagte ich und suchte die Vitrine im Internet heraus. „Ach, nicht noch ein Kundenkonto beim nächsten Versandhändler“, winkte mein Freund ab.
„Ach komm, das geht schnell“, sagte ich und tippte alle erforderlichen Daten ein.
„Wann sollen die liefern?“ Er entschied sich widerwillig für Freitagnachmittag in drei Wochen. Das System bot an: „14:00 bis 21:00“. Ein Sieben-Stunden-Lieferfenster? Das war ja wie in Bundespost-Zeiten.
„Das können wir ja erstmal nehmen und dann mit denen sprechen, wenn es soweit ist“, sagte ich amazonverwöhnter Bengel.
„Okay.“ Klick. Schon kam die E-Mail: „Vielen Dank für Deine Bestellung.“ Was tut man nicht alles für seine Freunde. Ein herrlich erfolgreicher Tag!
Zwei Wochen später kam die zweite E-Mail. Jetzt war Ikea mit mir wieder per Sie. Scheißfreundlich im Ton, scharf im Diktat der Lieferregeln. Das Schreiben kam mir vor, als hätte ich gerade beantragt, meine eigene Hinrichtung auszusetzen.
Welche Möbel die Deutschen wollen
Wenig gefragt sind hierzulande Esszimmermöbel. Nur 13 Prozent gaben an, in den nächsten Monaten neue anschaffen zu wollen.
Befragt wurden 810 Deutsche – Mehrfachnennung war möglich.
Auch die meisten Kinder gehen leer aus. Ebenfalls nur 13 Prozent wollen neue Kinderzimmermöbel kaufen.
16 Prozent haben keine genauen Pläne, was den Möbelkauf betrifft, wollen aber zulangen.
Wichtiger ist den Deutschen in diesem Jahr das Bad. Jeder Fünfte will hierfür neue Möbel erstehen.
Vier von zehn Deutschen wollen in den nächsten Monaten Möbel für ihre Küche kaufen.
36 Prozent planen neue Schlafzimmermöbel anzuschaffen.
Mehr als jeder zweite Deutsche will sein Wohnzimmer neu einrichten. 53 Prozent der Befragten gab an, neue Wohnzimmermöbel kaufen zu wollen.
„Guten Tag, lieber IKEA Kunde.“ Andere Dienste bauen da den Namen des Kunden ein. Aber Ikea hat es ja nicht so mit Bausätzen. Da bauen die Kunden.
„Gerne bestätigen wir Ihre IKEA Bestellung.… Das Lieferzeitfenster kann nicht weiter eingeschränkt werden, jedoch meldet sich unser Spediteur telefonisch unmittelbar vor der Anlieferung bei Ihnen.“
Unmittelbar vor der Lieferung. Das kann ein Anruf sein wie: „Ich stehe vor Ihrer Tür, wo soll ich klingeln?“
Riesen Lieferzeitfenster, Drohung von Mehrkosten
Unmittelbar vor Anlieferung. So! Nach diesem Hinweis wünschte ich mich in meine heile Amazon-Welt zurück. Aber man muss gar nicht nach den Sternen greifen. Viele andere Versandhändler, auch und gerade kleine Möbelhändler, bieten selbstverständlich die Möglichkeit, den genaueren Lieferzeitpunkt zu konkretisieren, wenn große Artikel mit einer Spedition geliefert werden. DEM KUNDEN ZULIEBE!
Das geht ganz einfach. Man erhält die Servicenummer des Spediteurs oder sogar die Handynummer des Fahrers. Denn auch der Spediteur hat ja ein Interesse daran, die Ware losschlagen zu können. Zusätzliches Gekurve oder weitere Zustellversuche kosten Geld.
Tja, Ikea hat da eine andere praktische Lösung gefunden. Zitat aus besagter Mail:
„Wir bitten Sie, diesen Termin zu ermöglichen, da eine Verschiebung des Termins zu erheblichen Verzögerungen führen kann. Bitte beachten Sie, dass wir Ihnen entsprechend unseren AGB Lagergeld und eine erneute Anlieferung in Rechnung stellen, wenn die Anlieferung nicht möglich ist.“
Die drohen damit, die Kosten auf mich abzuwälzen! Und wie hoch sind die? Keine Angabe. Was, wenn mein Kumpel am Liefertag mit gebrochenem Bein im Krankenhaus liegt? Sollte die Versicherungswirtschaft für einen solchen Fall nicht eine ILUA entwickeln - eine Ikea-Lagergeld-und-Anlieferungsmehrkosten-Versicherung? Man kriegt ja Angst bei Ikea-Online.
Auch sonst ist Ikea vor allem ums Wohl ihrer Lieferanten besorgt:
„Bei der Anlieferung benötigt der Fahrer eine Haltemöglichkeit und freien Zugang zu Ihrem Haus/Ihrer Wohnung, bitte räumen Sie Gänge und Flure frei.“
Verdammt, ich glaube, am Lieferort ist ein Halteverbot vorm Haus. Muss mein Freund jetzt noch schnell umziehen?
Als Amazon-Kunde hatte ich natürlich einen Reflex: „Ich ruf bei Ikea an und regele alles unkompliziert bei einem Telefonat.“
Aber da stand keine Telefonnummer für Rückfragen in der Mail. Und ich hatte den Eindruck, die haben die nicht versehentlich vergessen. Ich hackte mit pochendem Hals eine Antwort-Mail in den Computer:
„Sehr geehrte (Blablabla)….Bitte geben Sie mir mal die Telefonnummer des Spediteurs. Erfahrungsgemäß können die Fahrer am Tag der Lieferung ja durchaus ganz gut einschätzen, wann sie ungefähr kommen werden. Nicht erst unmittelbar, bevor sie vor der Tür stehen. Vielen Dank für Ihre Unterstützung im Voraus.“
Die Antwort kam prompt, weil automatisch. Darin Warteschleifen-Abwimmel-Geschwätz in Textform:
„Vielen Dank für Ihre Rückantwort zu Ihrer Lieferung. Im Folgenden finden Sie eine Auflistung der am häufigsten gestellten Fragen und Antworten. Sollten Sie keine Antwort zu Ihrem Anliegen finden, antworten Sie bitte auf diese Nachricht. Wir kümmern uns persönlich um Ihr Anliegen und Sie erhalten schnellstmöglich eine Rückantwort von uns. Bitte beachten Sie, dass wir zurzeit eine erhöhte Bearbeitungszeit haben.“
Zurzeit eine erhöhte Bearbeitungszeit? Wieso, was ist denn ZURZEIT? Ist ein Ikea-Lager abgebrannt? Oder ist das etwa nur eine beschwichtigende Lüge? Beschwichtigung fehlgeschlagen!
Der zynischerweise „Customer Support Center“ genannte Absender bläut mir stattdessen in der neuen Mail noch einmal unsanft ein, was ich zu beachten habe:
Sind die da bullarbullar?
„Wir bitten Sie (…), während des gesamten Zeitfensters vor Ort zu sein, um die Ware entgegennehmen zu können. Informationen bzw. Absprachen mit den Speditionen übernimmt IKEA für Sie. Haben Sie Fragen zu Ihrer Lieferung, antworten Sie uns bitte auf diese E-Mail.“
Och, wie freundlich. Absprachen übernimmt Ikea. Aber diese lange Bearbeitungszeit ZURZEIT. Ich schreibe wieder:
„Bitte beachten Sie die unten von mir verfasste E-Mail, die bislang wohl noch keiner gelesen hat. Ich möchte mich gerne mit der liefernden Spedition in Verbindung setzen. Oder wenn Sie wollen, übernehmen Sie das bitte. Das 7-stündige Lieferzeitfenster muss doch kleiner zu kriegen sein.“
Das war morgens um halb acht. Den ganzen Tag keine Antwort. Himmel, wenn bei Amazon an der Hotline mal die Verbindung abreißt, dann ruft der gleiche Callcenter-Mitarbeiter innerhalb von zehn Sekunden zurück. Ist mir kürzlich so passiert. Bei Ikea: kein persönlicher Kontakt! Sind die da bullarbullar? Im Jahr 2017 legen die noch solch eine abweisende Arroganz an den Tag. Motto: Wenn du zu doof oder schwach bist, beim billigen Ikea-Selbstschlepp-Prinzip mitzumachen, dann musst du eben leiden!
Wohl gemerkt: Die Lieferung aus dem Gewerbegebiet bis zu meinem Freund kostet 29 Euro extra. Aber Ansprüche stellen darf man da nicht.
Ich rufe meinen Kumpel an: „Es tut mir leid. Kannst du am Freitag ab 14 Uhr bis 21 Uhr zuhause rumsitzen? Ikea kommt.“
„Was? Dann muss ich einen halben Tag Urlaub nehmen. Wegen dieser kleinen Vitrine? Fuck! Das darf doch nicht wahr sein.“
Ich fühlte mich schuldig. Schließlich war ich es, der ihn wohlgemut zum Ikea-Liefer-Opfer gemacht hatte.
„Doch. Entdecke die Möglichkeiten.“