Werner knallhart

Mogelpackungen: Für wie dumm hält Evian die Kunden?

Die Wahl der Mogelpackung 2016 läuft. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat die besten Klopper zusammengestellt. Aber frecher als die neuen Verpackungen ist der Stuss, den die Firmen den Kunden als Begründung auftischen.

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Flaschen unter der Evian-Quelle. Quelle: Sokarys - Fotolia

Was ist eine Mogelpackung? Grob gesagt, gibt es zum einen solche, die schlicht durch das deutsche Eichgesetz verboten sind, weil sie durch ihre Größe und Machart eine zu große Füllmenge vorspiegeln, etwa, wenn die Verpackung ohne guten Grund zu 30 Prozent Luft enthält.

Zum anderen ist eine Mogelpackung auch eine neue Verpackung, die im Vergleich zur vorherigen Verpackung des gleichen Produkts weniger Inhalt bietet – für den gleichen Preis. Nach dem Eichgesetz unter Umständen okay, aber eben eine verdeckte Preiserhöhung.

Die Hersteller stecken da in einem selbstgemachten moralischen Dilemma. Wenn sie bei Promo-Aktionen den Kunden per Text in Neonfarbe auf der Verpackung höflich informieren: "Jetzt für kurze Zeit 2 Waschladungen gratis", dann wäre es nur fair, im umgekehrten Fall zu schreiben: "Achtung, ab jetzt ist ein Schokoriegel weniger drin".

Die Shortlist zur „Mogelpackung des Jahres“

Machen die aber nicht. Weil sie es nicht müssen. Weil wir aus Sicht der Hersteller ja mündige Verbraucher mit guten Augen sind.

Wenn aber dann doch mal ein mündiger Verbraucher so richtig mündig nachfragt, dann merkt man: Die Marketing-Fritzen tun sich schwer, die Tatsache zu umschiffen, dass ihre Firma einfach an Gewinnmaximierung arbeitet. Hier die besten Ausreden, die die Verbraucherzentrale Hamburg gesammelt hat:

Lorenz Crunchips: Die Konkurrenz ist schuld

175 Gramm pro Tüte, wo früher 200 Gramm drin waren. Bei drei Geschmacksrichtungen. Aber der Handel lässt den Preis gleich. Begründung des Herstellers: "Unsere Hauptwettbewerber Funny Frisch, Chio und Lays bieten konkurrierende Produkte in der 175 Gramm-Größe." Aha. Und statt drauf zu schreiben: "Hey, wir bieten 25 Gramm mehr als unsere Konkurrenten", wird bei gleicher Tütengröße weniger rein gefüllt. Warum dann nicht eine kleinere Tüte? "Um die Umwelt nicht unnötig zu belasten", sagt das Unternehmen. Die alten Tüten sollen erst aufgebraucht werden. Danach kommen kleinere. Umweltschutz geht Lorenz eben vor Verbraucherschutz.

Von „Mogelmilch“ bis Schummel-Schinken
Die Mogelpackung des Jahres ist nach Ansicht von Verbrauchern die Bebe Zartcreme. In einer Online-Abstimmung der Verbraucherzentrale Hamburg votierte knapp ein Drittel von insgesamt mehr als 26.000 Verbrauchern für das Kosmetikprodukt aus dem Hause Johnson & Johnson, wie die Verbraucherschützer am Montag mitteilten. Die Bebe Creme ist ihren Angaben zufolge durch neue Füllmengen um bis zu 84 Prozent teurer geworden. Quelle: Screenshot: bebe
Die Verbraucherzentrale Hamburg verleiht den Negativpreis Mogelpackung des Jahres seit 2013. An der Wahl 2016 nahmen insgesamt 26.132 Verbraucher teil, sechs Mal so viele wie im vergangenen Jahr. 2014 erhielt die Windelmarke Pampers von Procter & Gamble den Negativpreis. Diese Produkte waren in diesem Jahr nominiert... Quelle: dapd
Der Konsumgüterriese hat im vergangenen Jahr die Füllmenge seiner Dentagard-Zahnpasta von 100 Milliliter auf 75 Milliliter reduziert. Doch die Tube sei weiterhin in den meisten Drogerien und Supermärkten zum gleichen Preis verkauft worden, sagen die Verbraucherschützer. Der geschrumpfte Inhalt entspreche einer versteckten Preiserhöhung von 33,3 Prozent. Quelle: Screenshot: Dentagard
Auf den ersten Blick wurden die Schinkenspezialitäten von Herta sogar billiger. Statt 2,19 Euro oder 2,29 Euro kosteten sie laut Verbraucherzentrale nur noch 1,89 Euro oder 1,99 Euro. Gleichzeitig sei die Füllmenge der neuen Packungen aber drastisch reduziert worden – von 150 auf 100 Gramm. Dadurch ergebe sich eine Preiserhöhung von rund 30 Prozent. Quelle: Screenshot: Nestlé
Bei der sogenannten Kopfsteher-Flasche seines Curry Ketchups hat das Unternehmen die Füllmenge von 500 auf 400 Milliliter reduziert. Da gleichzeitig auch der Preis etwas gestiegen sei, entspreche das einer versteckten Preiserhöhung von bis zu 28 Prozent, beklagen die Verbraucherschützer. Zudem sei die ganze Palette der verschiedenen Heinz-Kopfsteherflaschen kleiner geworden. Quelle: Screenshot: Heinz
Der Kaffeekonzern hat die Füllmenge der Kapselpackung um fast die Hälfte reduziert. Sie sank von 475,2 auf 264 Gramm. Außerdem hat das Unternehmen laut den Verbraucherschützern statt echter Milch in Form von Vollmilchkonzentrat nun „Mogelmilch“ verwendet. Diese werde aus Sahneerzeugnis, Milchproteinen, Milchmineralien und Wasser zusammengefügt und von Verdickungsmittel zusammengehalten. Quelle: Screenshot: Jacobs

Ob sie wohl am Ende auch Cheese & Onion Chips in Paprika-Chips-Tüten füllen, wenn diese Verpackungen zuletzt noch übrig sind?

Mirácoli-Nudelsoße: "Die Verbraucher wollen weniger"

400 Gramm statt 530 Gramm Tomaten-Soße bei vier Sorten. In einem kleineren Glas. Der Preis blieb laut Verbraucherzentrale im Handel aber gleich: rund 1,90 Euro. Entspricht einer Preiserhöhung von über 32 Prozent.

Und jetzt kommt die geile Ausrede von Mirácolo-Hersteller Mars: "Vor der Einführung wurden über 2300 Konsumenten befragt und eines der Ergebnisse war, dass eine kleinere Größe gewünscht wird."

Das ist ja niedlich. Mirácoli-Kunden wollen gerne weniger Soße. Okay. Aber fürs gleiche Geld? Mir ist nicht bekannt, dass Pasta-Esser nicht mit Geld umgehen können. Ist Mirácoli da einer Sensation auf der Spur?

Evian: noch teurer - um Wasser zu sparen!

Haben Sie auch schon mal geträumt, Sie laufen in der Stadt umher und plötzlich merken Sie: "Ich habe ja gar keine Hose an!" Das schlechte Gefühl ist ganz ähnlich zu dem, was ich gerade verspüre, wenn ich mir vorstelle, jemand sieht mich öffentlich mit einer schicken neuen kleinen Lifestyle-Einweg-Plastik-Flasche Evian in der Hand.

Denn mir drängt sich der Eindruck auf, Danone Waters denkt sich bei der Preis-Erhöhung beim Mineralwasser Evian: Wer so doof ist, Wasser aus umweltunfreundlichen Plastikeinwegflaschen in schweren Kästen vom Supermarkt in den Kofferraum zu hieven und dann vom Kofferraum zuhause in den dritten Stock, nachdem das Wasser schon hunderte Kilometer von Frankreich aus bis nach Deutschland zurückgelegt hat, der ist auch doof genug, unsere Ausreden zu schlucken.

Statt 1,5 Litern fasst die neue Flasche nun nur noch 1,25 Liter. Gleichzeitig wurde laut Verbraucherzentrale Hamburg der Preis bei einigen Händlern zum Beispiel von 89 Cent auf 1,09 Euro erhöht. Das macht umgerechnet eine Preiserhöhung von 47 Prozent.

Die Strategie dahinter wurde von Evian allerdings verwässert. Denn je nachdem, wem sie Auskunft geben, fällt die Begründung anders aus. Warum also weniger Wasser für mehr Geld?

Begründung A:

Die Lebensmittelzeitung schrieb im Mai vergangenen Jahres: Mit der Marke Evian soll laut Danone Waters jetzt eine Neupositionierung im oberen "Preisband" gelingen. Um den regionalen Wässern ohne Kohlensäure zu enteilen, die Evian Konkurrenz machen.

Nun, wer sein Produkt hochwertiger positionieren will, der sollte mehr Qualität bieten. Was macht Danone? Verändert das Flaschendesign. Die Verpackung ist jetzt kleiner und sieht cooler aus. Wie uncool! Denn das Wasser ist haargenau dasselbe. Es kommt ja aus derselben Quelle.

Das ist so, als würde Opel sagen: Wir machen den Corsa ab morgen 50 Prozent teurer und behaupten, der sei jetzt Premiumsegment.

Das Produkt Evian wird eben nicht Premium, es wird nur einfach zum Premiumpreis verkauft. Mit Trinkern französischer Schickimicki-Wässer meinen die das wohl machen zu können. Wie wenig Respekt Danone Waters vorm gesunden Menschenverstand seiner Kunden hat, zeigt vor allem:

Begründung B:

Die Verbraucherzentrale zitiert Evian-Facebook-Posts: "Wir (wollen) der Quelle nicht mehr Mineralwasser entnehmen, als sie auf natürlichem Weg reproduzieren kann, damit auch künftige Generationen Evian trinken können."

Beispiele für nicht zugelassene Claims

Steigen Ihnen gerade die Tränen in die Augen? Mir ja - wegen des Würgereizes. Künftige Generationen! Die wollen ihr wertvolles Wasser sparen und dabei weiter richtig schön Kohle machen. Und dafür soll der Kunde Verständnis haben. Aus Nachhaltigkeitsgründen.

Man stelle sich vor, die Evian-Quelle würde tatsächlich versiegen. Oh Gott, am Ende müssten wir alle noch Leitungswasser trinken. Was das am besten kontrollierte Lebensmittel Deutschlands ist. Was ohne Verpackungsmüll quasi direkt in unseren Mund gesprudelt kommt. Würde man seinen Durst alleine mit Leitungswasser stillen, käme man auf Getränkekosten von rund 1,50 Euro - pro Jahr. So viel wie jetzt rund anderthalb Flaschen Evian, dessen Transport durch halb Europa so gesehen eine völlig unnötige CO2-Quelle ist. Insofern könnte der Natur hier kaum etwas Besseres passieren, als dass die Evian-Quelle austrocknet.

Naja, also ich weiß jetzt, welche Verpackung ich zur Mogelpackung des Jahres wähle. Das geht noch auf vzhh.de bis zum 22. Januar.

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