Was ist eine Mogelpackung? Grob gesagt, gibt es zum einen solche, die schlicht durch das deutsche Eichgesetz verboten sind, weil sie durch ihre Größe und Machart eine zu große Füllmenge vorspiegeln, etwa, wenn die Verpackung ohne guten Grund zu 30 Prozent Luft enthält.
Zum anderen ist eine Mogelpackung auch eine neue Verpackung, die im Vergleich zur vorherigen Verpackung des gleichen Produkts weniger Inhalt bietet – für den gleichen Preis. Nach dem Eichgesetz unter Umständen okay, aber eben eine verdeckte Preiserhöhung.
Die Hersteller stecken da in einem selbstgemachten moralischen Dilemma. Wenn sie bei Promo-Aktionen den Kunden per Text in Neonfarbe auf der Verpackung höflich informieren: "Jetzt für kurze Zeit 2 Waschladungen gratis", dann wäre es nur fair, im umgekehrten Fall zu schreiben: "Achtung, ab jetzt ist ein Schokoriegel weniger drin".
Die Shortlist zur „Mogelpackung des Jahres“
Sie ärgern sich über verdeckte Preiserhöhungen? Die Verbraucherzentrale Hamburg zeichnet jedes Jahr ein Unternehmen mit dem Negativ-Preis „Mogelpackung des Jahres“ aus. Bis zum 22. Januar können Verbraucher abstimmen.
Das Mineralwasser Evian von Danone Waters habe es mal in 1,5-Liter-Flaschen gegeben. Kostenpunkt: 0,89 Euro. Heute seien es nur noch 1,25 Liter. Dafür koste es jetzt 20 Cent mehr.
Der Hersteller Lorenz Bahlsen habe seine 200-Gramm-Crunchips-Tüte ausgedünnt. Mittlerweile seien nur noch 175 Gramm Chips darin – der Preis sei gleich geblieben.
Nestle’s Choco Crossies kosten pro 160-Gramm-Packung 1,99 Euro. Für denselben Preis habe es einmal 180 Gramm gegeben.
Der Inhalt von Mirácolis Pastasaucen Arrabiata sei von 530 Gramm auf 400 Gramm reduziert worden – der Preis sei gleich geblieben.
Statt 60 Gramm wiege der Milka Schokoladen-Weihnachtsmann nur noch 50 Gramm. Der Kaufpreis sei – trotz des Abnehmens – bei 1,19 Euro geblieben.
Machen die aber nicht. Weil sie es nicht müssen. Weil wir aus Sicht der Hersteller ja mündige Verbraucher mit guten Augen sind.
Wenn aber dann doch mal ein mündiger Verbraucher so richtig mündig nachfragt, dann merkt man: Die Marketing-Fritzen tun sich schwer, die Tatsache zu umschiffen, dass ihre Firma einfach an Gewinnmaximierung arbeitet. Hier die besten Ausreden, die die Verbraucherzentrale Hamburg gesammelt hat:
Lorenz Crunchips: Die Konkurrenz ist schuld
175 Gramm pro Tüte, wo früher 200 Gramm drin waren. Bei drei Geschmacksrichtungen. Aber der Handel lässt den Preis gleich. Begründung des Herstellers: "Unsere Hauptwettbewerber Funny Frisch, Chio und Lays bieten konkurrierende Produkte in der 175 Gramm-Größe." Aha. Und statt drauf zu schreiben: "Hey, wir bieten 25 Gramm mehr als unsere Konkurrenten", wird bei gleicher Tütengröße weniger rein gefüllt. Warum dann nicht eine kleinere Tüte? "Um die Umwelt nicht unnötig zu belasten", sagt das Unternehmen. Die alten Tüten sollen erst aufgebraucht werden. Danach kommen kleinere. Umweltschutz geht Lorenz eben vor Verbraucherschutz.
Ob sie wohl am Ende auch Cheese & Onion Chips in Paprika-Chips-Tüten füllen, wenn diese Verpackungen zuletzt noch übrig sind?
Mirácoli-Nudelsoße: "Die Verbraucher wollen weniger"
400 Gramm statt 530 Gramm Tomaten-Soße bei vier Sorten. In einem kleineren Glas. Der Preis blieb laut Verbraucherzentrale im Handel aber gleich: rund 1,90 Euro. Entspricht einer Preiserhöhung von über 32 Prozent.
Und jetzt kommt die geile Ausrede von Mirácolo-Hersteller Mars: "Vor der Einführung wurden über 2300 Konsumenten befragt und eines der Ergebnisse war, dass eine kleinere Größe gewünscht wird."
Das ist ja niedlich. Mirácoli-Kunden wollen gerne weniger Soße. Okay. Aber fürs gleiche Geld? Mir ist nicht bekannt, dass Pasta-Esser nicht mit Geld umgehen können. Ist Mirácoli da einer Sensation auf der Spur?
Evian: noch teurer - um Wasser zu sparen!
Haben Sie auch schon mal geträumt, Sie laufen in der Stadt umher und plötzlich merken Sie: "Ich habe ja gar keine Hose an!" Das schlechte Gefühl ist ganz ähnlich zu dem, was ich gerade verspüre, wenn ich mir vorstelle, jemand sieht mich öffentlich mit einer schicken neuen kleinen Lifestyle-Einweg-Plastik-Flasche Evian in der Hand.
Denn mir drängt sich der Eindruck auf, Danone Waters denkt sich bei der Preis-Erhöhung beim Mineralwasser Evian: Wer so doof ist, Wasser aus umweltunfreundlichen Plastikeinwegflaschen in schweren Kästen vom Supermarkt in den Kofferraum zu hieven und dann vom Kofferraum zuhause in den dritten Stock, nachdem das Wasser schon hunderte Kilometer von Frankreich aus bis nach Deutschland zurückgelegt hat, der ist auch doof genug, unsere Ausreden zu schlucken.
Statt 1,5 Litern fasst die neue Flasche nun nur noch 1,25 Liter. Gleichzeitig wurde laut Verbraucherzentrale Hamburg der Preis bei einigen Händlern zum Beispiel von 89 Cent auf 1,09 Euro erhöht. Das macht umgerechnet eine Preiserhöhung von 47 Prozent.
Die Strategie dahinter wurde von Evian allerdings verwässert. Denn je nachdem, wem sie Auskunft geben, fällt die Begründung anders aus. Warum also weniger Wasser für mehr Geld?
Begründung A:
Die Lebensmittelzeitung schrieb im Mai vergangenen Jahres: Mit der Marke Evian soll laut Danone Waters jetzt eine Neupositionierung im oberen "Preisband" gelingen. Um den regionalen Wässern ohne Kohlensäure zu enteilen, die Evian Konkurrenz machen.
Nun, wer sein Produkt hochwertiger positionieren will, der sollte mehr Qualität bieten. Was macht Danone? Verändert das Flaschendesign. Die Verpackung ist jetzt kleiner und sieht cooler aus. Wie uncool! Denn das Wasser ist haargenau dasselbe. Es kommt ja aus derselben Quelle.
Das ist so, als würde Opel sagen: Wir machen den Corsa ab morgen 50 Prozent teurer und behaupten, der sei jetzt Premiumsegment.
Das Produkt Evian wird eben nicht Premium, es wird nur einfach zum Premiumpreis verkauft. Mit Trinkern französischer Schickimicki-Wässer meinen die das wohl machen zu können. Wie wenig Respekt Danone Waters vorm gesunden Menschenverstand seiner Kunden hat, zeigt vor allem:
Begründung B:
Die Verbraucherzentrale zitiert Evian-Facebook-Posts: "Wir (wollen) der Quelle nicht mehr Mineralwasser entnehmen, als sie auf natürlichem Weg reproduzieren kann, damit auch künftige Generationen Evian trinken können."
Beispiele für nicht zugelassene Claims
Hier wird auf einer bildlichen Darstellung angepriesen: Bifidus B(L)+ "Gesundes Wachstum" und "Unterstützung des Immunschutzes". Die Verbraucherschützer prangern an, dass Aussagen zu probiotischen Keimen abgelehnt wurden, optisch werde auf der Packung aber ein Bezug zur Aussage "gesundes Wachstum" hergestellt. Auch der Claim "Unterstützung des Immunschutzes" stehe auf keiner Positivliste der EU-Kommission.
Die Verbraucherzentrale prangert die Aussage "...enthalten die wertvollen Wachstumsbausteine Eisen, Jod, Zink" an. Für Zink sind zwar einige Health Claims zugelassen, es gibt jedoch weder einen speziellen Kinderclaim noch einen allgemeinen Claim zum Wachstum.
Die Behauptung "„Zur Unterstützung von Nerven und Muskeln (…) durch Magnesium und die 8 Vitamine des B-Komplexes ergänzt“ sei nicht für alle Vitamine des B-Komplexes zugelassen, kritisiert die Verbraucherzentrale.
Das Joghurt wird in der Kühlteke als "Verdauungsjoghurt" beworben. Diese Bezeichung ist laut den Verbraucherschützern nicht zugelassen.
Steigen Ihnen gerade die Tränen in die Augen? Mir ja - wegen des Würgereizes. Künftige Generationen! Die wollen ihr wertvolles Wasser sparen und dabei weiter richtig schön Kohle machen. Und dafür soll der Kunde Verständnis haben. Aus Nachhaltigkeitsgründen.
Man stelle sich vor, die Evian-Quelle würde tatsächlich versiegen. Oh Gott, am Ende müssten wir alle noch Leitungswasser trinken. Was das am besten kontrollierte Lebensmittel Deutschlands ist. Was ohne Verpackungsmüll quasi direkt in unseren Mund gesprudelt kommt. Würde man seinen Durst alleine mit Leitungswasser stillen, käme man auf Getränkekosten von rund 1,50 Euro - pro Jahr. So viel wie jetzt rund anderthalb Flaschen Evian, dessen Transport durch halb Europa so gesehen eine völlig unnötige CO2-Quelle ist. Insofern könnte der Natur hier kaum etwas Besseres passieren, als dass die Evian-Quelle austrocknet.
Naja, also ich weiß jetzt, welche Verpackung ich zur Mogelpackung des Jahres wähle. Das geht noch auf vzhh.de bis zum 22. Januar.