Ich habe einmal gesehen, was Leute im ICE so machen, wenn sie niesen. Hatschi, Blick in die Hand, Hand geht unauffällig nach unten und schubbert einmal elegant über Armlehne. Es ist die Wahrheit! Lust auf eine Runde Sterillium?
Und leider leben wir in Deutschland immer noch in einer Welt mit öffentlichen Toiletten, bei denen man zwei, drei Türklinken drücken muss und danach noch manuell die Spülung am Urinal, dann noch die Wasserhahn-Knäufe drehen, dann den Seifenspender drücken, dann mit einem Hebel das Papierhandtuch aus dem Kasten abrollen und am Ende des Reinigungsprozesses zwei Türklinken drücken. Und alles war umsonst.
Gehen Sie mal in Düsseldorf oder in Berlin-Tegel am Flughafen austreten. Da wird Ihnen als bakterienbewussten Menschen schlecht. Und dann mal nach Bangkok an den Airport. Da berühren Sie nichts außer sich selber und den Strahl aus dem Wasserhahn.
Wenn ich mir vorstelle, wie die Leute am deutschen Uralt-Urinal mit manueller Spülung sich erst untenrum frei machen und dann mit den zwangsläufig ungewaschenen Fingern die Taste drücken, und jetzt stehe ich da, dann will ich am liebsten sofort wie eine Piemont-Kirsche in Alkohol versinken.
Oder achten Sie auf Ihrer nächsten Flugreise mal auf die Vielflieger. Manchmal sieht man Leute, die setzen sich nach dem Einsteigen, klappen den Tisch runter, spritzen Oberfläche, Tastenfeld in der Armlehne, den Monitor vor sich und die Lampenschalter über sich mit Desinfektionsmittel ein und wischen sie sorgsam ab. Danach haben sie ihren Sitzplatz für die nächsten zwölf Stunden Fernstrecke für sich allein. Ohne Millionen von Bakterien an den entscheidenden Stellen. Ich finde das clever und mache das jetzt auch immer. Falls man mal unbewusst im Halbschlaf mit den Fingern ins Auge fasst und im Urlaub trotzdem keine rot entzündeten Klüsen haben will.
Experten sagen: Regelmäßig Händewaschen reicht. Aber das geht unterwegs halt nicht immer. Da muss es eben das Fläschchen mit dem puren Alkohol sein. Gegen die 99,9%.
Wie? Ein bisschen Schmutz trainiert die Abwehrkräfte? Ach, bitte, aus dem Alter bin ich raus. Ich will meine Abwehrkräfte einfach nicht mit diesem unnötigen Quatsch belästigen. Die sollen sich auf Angriffe aus dem Rohmilchkäse konzentrieren. Und außerdem trainiert mein Immunsystem mit Birkenpollen.
Der Rest wird unterwegs wegdesinfiziert. Erst wenn sich andere Passagiere umdrehen, weil die Atemluft plötzlich so stechend riecht, erst dann weiß ich, jetzt bin ich rein. So ein neues Tempo-Feuchttuch ist doch höchstens ein Hygiene-Placebo. Fürs gute Gefühl. Für mich als 80er-Jahre-Erfrischungstuch-Kind ist mir das einfach viel zu heikel.