Und die Leute merken sich, wer zuerst da war. Bei meiner Ankunft in Buenos Aires stieß ich mit dem Pulk der Leute aus meinem Flieger seitlich auf einen Pulk von Leuten aus einem anderen, die schon an der Passkontrolle anstanden. Ich ging von einer Vereinigung im Reißverschlussverfahren aus. Von wegen! "Stellen Sie sich bitte hinten an." Schon blamiert. Was Schlange stehen angeht, komme ich eben aus einem Schwellenland.
Können wir unsere alltäglichen Ansteh-Momente nicht einfach mal mit Vernunft und Nächstenliebe durchdenken?
Erstens: In den Bus steigt der zuerst ein, der als erstes an der Haltestelle war. Nicht der, der sich am besten gemerkt hat, wo die Bustür immer hält.
Zweitens: Das Einsteigen ins Flugzeug ist eine Wissenschaft für sich, an der die Fluggesellschaften bald verzweifeln. Diverse Systeme wurden schon ausprobiert, um das Brimborium abzukürzen.
Theoretisch eine der effektivsten Varianten: Als erstes steigen alle mit Fensterplatz ein, später die mit Gangplatz. Aber dafür haben die Passagiere nicht die Nerven. Pärchen wollen nicht für unendliche zehn Minuten getrennt werden. Das haben Versuche gezeigt.
Mein Vorschlag: Wer als Gangplätzler gemeinsam mit dem Fensterplätzler einsteigen will, zahlt zehn Euro drauf. Das macht kein Mensch. Problem gelöst.
Im Supermarkt
Den Trennstab legt immer der hintere Supermarkt-Kunde aufs Fließband. Weil der vordere sich dann nicht überlegen muss: Kommt überhaupt jemand hinter mir und wie nah legt der seine Ware an meine? Texte auf Trennstäben wie "Der nächste Kunde bitte" drängen dem vorderen eine Aufgabe auf, die er vernünftigerweise ablehnen muss, und gehören radikal aus dem Verkehr gezogen.
Ist ein einzelner Verkäufer für Käse-, Fisch- und Wursttheke gemeinsam zuständig, gilt nicht: Welcher Kunde steht am nächsten am Verkäufer, sondern: Wer wartet am längsten?
Die Antwort muss im Zweifel der Verkäufer liefern, nicht die Kunden. Wenn er das nicht kann, müssen Wartemarken her. Die gibt es in Schweden in Supermärkten seit einem halben Jahrhundert. Einkaufen ohne Anstehen.
Auf dem Weihnachtsmarkt
Wie lässt sich das chaotische Geknubbel am Glühweinstand lösen? Wartemarken: Quatsch. Der Verkäufer aber hat den Überblick nicht. Und weil alle Gäste mit Kapuzen und Mützen vermummt und deshalb anonymisiert sind, können wir Höflichkeit glatt vergessen.
Wenigstens sollte gelten: Pfandtassen zurück geht vor Neubestellung. Denn wer Pfandtassen dabei hat, hat nachweislich schon vorher mal angestanden.
Das Doofe ist nur: Wenn nur einige Rücksicht nehmen und die anderen nicht, dann kommen sich die Höflichen vor wie die Deppen. Und schon fällt alles in sich zusammen. Motto: "Nö, dann eben nicht."
Das kenne ich von mir selber. Deshalb verordne ich mir jetzt eine Therapie: Ab sofort, wenn ich mal wieder bei dm die Klingelstrippe für eine weitere offene Kasse gezogen habe, atme ich tief durch, lasse alle wie die Hühner vorrennen und bleibe hinten stehen. Da werden die Leute schön blöd gucken.