Werner knallhart

Strafsteuer auf Coffee-to-go-Becher? So ein Stuss!

Grüne wollen ein Mehrwegsystem für Coffee-to-go-Becher. Und wenn das nicht klappt, dann eben eine Steuer. Diese Idee ist schon beim Dosenpfand grandios gescheitert. Der neue Anlauf ist noch absurder. Eine Kolumne.

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In Deutschland werden 320.000 Coffee-to-go-Becher weggeschmissen - stündlich. Quelle: REUTERS

Der Kaffee auf die Hand heißt ja nur so. Zum Glück bekommt man ihn frisch und heiß in einem Becher. Und Menschen, die von Müll nicht genug bekommen können, dürfen sich freuen: In Deutschland werden 320.000 Coffee-to-go-Becher weggeschmissen - stündlich.

Die Kollegen vom Inforadio haben mal aufgeschlüsselt: Pro Jahr sind das fast drei Milliarden dieser Einwegbecher. Aneinandergereiht würden die jedes Jahr in Deutschland verbrauchten Einwegbecher mehr als siebenmal die Erde umrunden. Und um Becher plus Deckel herzustellen, werden jährlich 43.000 Bäume und 11.000 Tonnen Kunststoff verbraucht.

Mythen rund um Kaffee
Kaffee Quelle: dpa
Kaffee-Filter Quelle: dpa
Kaffee Quelle: dpa
Kaffeetasse und Kaffeebohnen Quelle: dpa
Gerücht: Kaffee schadet dem HerzenDieses Gerücht scheint falsch zu sein, denn viele Studien ergaben sogar das Gegenteil: So fanden Forscher der Universität Utrecht heraus, dass täglich zwei bis vier Tassen Kaffee das Risiko eines Herzinfarkts um bis zu 20 Prozent senken können. Südkoreanische Wissenschaftler erklärten zudem, dass wenige Tassen am Tag verstopfte Arterien verhindern können. Auch ihre Forschungsergebnisse zeigten, dass Testpersonen, die drei bis fünf Tassen Kaffee pro Tag tranken, deutlich seltener unter Vorzeichen von Herzkrankheiten litten. Quelle: dpa
Gerücht: Kaffee schützt vor DiabetesZumindest senkt Kaffeekonsum das Diabetes-Risiko. Dies hat eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung ergeben. Bei täglich über vier Tassen Kaffee lässt sich das Diabetes-Risiko um ein Viertel senken. Quelle: dpa
Gerücht: Kaffee ist das beliebteste Getränk beim ersten DateTatsächlich geht mit 73,3 Prozent die Mehrheit der Deutschen beim ersten Date einen Kaffee trinken. Dies hat eine Umfrage der Online-Partnervermittlung ElitePartner ergeben. Essen gehen liegt mit 72,1 Prozent knapp dahinter. Nur 5,4 Prozent treffen sich beim ersten Date direkt zu Hause. Quelle: Fotolia

Die meisten von uns sind sich bestimmt einig: Es wäre wirklich schön, wenn das alles weniger wäre. Unter Umweltschutz-Gesichtspunkten.

Und weil die Grünen ja die Umweltschutz-Partei sind, fordert nun Silke Gebel, die umweltpolitische Sprecherin der Berliner Grünen-Fraktion (in Berlin jedes Jahr 170 Millionen Einwegbecher), Mehrwegbecher.

Ihr Traum läuft im Grunde so ab: Man kauft sich zum Beispiel an der S-Bahn-Station Warschauer Straße einen leckeren Cappuccino to go im genormten Einheitsbecher, trinkt ihn gemütlich unterwegs in der Bahn, wärmt sich seine Hände am Becher, gibt den leer an seinem Ziel-Bahnhof Friedrichstraße wieder ab und kassiert sein Pfandgeld. Zackzack, ganz einfach, wunderbar.

Das Blöde ist nur: Zackzack, ganz einfach, wunderbar ist eben nur ein Traum. Im wahren Leben bedeutet das, im Berufspendlerverkehr müde mit einem schmutzigen Becher durch die Menschenmassen zu hetzen, um sich dann an einer Kaffeebude ein zweites Mal anzustellen, damit man sein Pfand zurückbekommt.

Da steht dann angezeigt, dass die nächste U-Bahn in zwei Minuten einfährt und man steht mit Puls 180 in der Schlange, knirscht mit den Zähnen, starrt auf den Schmutzbecher in seiner Hand und denkt sich: "Was mache ich hier eigentlich?"

Der Kaffee für unterwegs wäre plötzlich eine Zumutung. Und das nicht nur für die Berufspendler. Auch die Händler gerieten in Stress. Statistisch gesehen beträte jeder Kunde ihre Läden in Zukunft zweimal, würde aber nur einmal etwas kaufen. Das zweite Mal brächte er nur Verpackung zurück.

So trinkt die Welt ihren Kaffee

Bringen Supermarkt-Kunden ihr gesammeltes Leergut wie Bierkästen, Mineralwasser-PET und Dosen zurück, tun sie das in der Regel, wenn sie ohnehin gerade zum Einkaufen vorbeikommen. Das geht ja noch. Aber der Kaffeebecher-Zurückbringer - was soll der jetzt auf dem Weg zur Arbeit kaufen, was er nicht schon kurz vorher am Caféhaus Nummer 1 hätte kaufen können?

Wir könnten die Becher natürlich im Büro sammeln und alle zwei Woche als milchig-sauer stinkenden Stapel zurückbringen. Aber: ach, nein, doch nicht.

Außerdem müssten die Händler die schmutzigen Becher dann lagern, transportieren und professionell spülen lassen - oder hätten Sie zum Frühstück gerne einen Pfandbecher, der ein-/zweimal flott über die Rundbürste im Spülbecken gerattert wurde, wie die Bierbecher im Fußballstadion? Davon abgesehen, dass viele kleine Kioske gar keinen Platz für Lagerung und Reinigung haben.

Coffee to go and come back

Ich prophezeie: Das wird nichts mit Mehrweg. Coffee to go ist eben kein Coffee to go and come back. To go ist wie gemacht für Einweg. So wie Einwegspritzen und Kondome. Es gibt keinen Weg zurück. Es bleibe also nur die Strafsteuer.

Aber warum eigentlich ausgerechnet die Kaffeebecher? Was ist mit den Styropor-Wannen, in denen man beim Chinesen Süßsaures oder beim Türken Pommes gereicht bekommt?

Kaffee verdreht unseren Tagesrhythmus
Allein der Duft eines frischgebrühten Kaffees am Morgen versetzt den Körper automatisch in den Wach-Zustand. Die muntermachende Wirkung des Koffeins beruht darauf, dass es an speziellen Rezeptoren der Nervenzellen andockt. Dadurch ist der Zugang für den hemmenden Botenstoff Adenosin blockiert, der normalerweise für Beruhigung und Dämpfung sorgen würde. Das berichten Forscher im Fachmagazin "Science Translational Medicine". Quelle: scinexx.de Quelle: dpa
Die Frage: Kann Kaffee wirklich den individuellen Tag-Nacht-Rhythmus verändern? Das wollten Tina Burke und ihre Kolleginnen von der University of Colorado in Boulder wissen. Dazu haben sie fünf Probanden in ein Schlaflabor geschickt. Die Teilnehmer hatten zuvor zwei Wochen lang auf Koffein verzichtet und einen möglichst regelmäßigen Tagesablauf eingehalten. Quelle: dpa
Der Versuch: Drei Stunden vor ihrer üblichen Schlafzeit sollten die Teilnehmer vier Kapseln zu sich nehmen, von denen einige nur aus Reismehl bestanden. Die übrigen Kapsel enthielten so viel Koffein, was der Menge einer Tasse Kaffee entspricht. Anschließend wurden verschiedene Versuchsdurchgänge gestartet: Einerseits sollten die Probanden den Rest der Zeit bis zum Schlafengehen still im schummrigem Dämmerlicht verbringen, andererseits waren sie sehr hellem Licht ausgesetzt. Alle 30 bis 60 Minuten entnahm ein Assistent eine Speichelprobe, aus der später der Gehalt des Schlafhormons Melatonins ermittelt wurde. Quelle: dpa
Das Ergebnis: Die Versuchsteilnehmer, die im Dämmerlicht Koffein zu sich genommen hatten, blieben im Durchschnitt 40 Minuten länger wach als die Placebo-Empfänger unter gleichen Lichtverhältnissen. Am nächsten Morgen wachten diese Teilnehmer auch entsprechend später auf. Ihr geregelter Tag-Nacht-Rhythmus hatte sich also verschoben ... Quelle: dpa
Die Schlussfolgerungen: ... Dieser Effekt könnte auf die Wirkung des Koffeins schließen lassen – doch die Speichelproben bewiesen etwas anderes: Bei der Koffeingruppe stieg auch der Melatoninspiegel deutlich später an als bei der Placebogruppe. Es gibt einen anderen Zusammenhang: Die Teilnehmer bei den Durchgängen mit hellem Licht gingen ebenfalls später ins Bett und schliefen dementsprechend länger. Aber auch dort bemerkten die Forscher einen Unterschied zwischen der Placebo- und der Koffeingruppe. Denn ohne Koffein verschob sich der Rhythmus um 85 Minuten, mit dagegen um 105 Minuten. Quelle: dpa
Die Wirkung: Koffein bewirkt also mehr als reine Stimulation – da sind sich die US-Forscher einig. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es unerwartet tief in die Regulation unseres biologischen Rhythmus eingreift. Denn die innere Uhr regelt nicht nur, wann der Mensch müde wird und schlafen möchte, sondern hat auch Einfluss auf den Stoffwechsel. Quelle: dpa
Die Behandlungsmöglichkeiten: Mit dem Wissen um den verzögernden Effekt des Koffeins ist es leichter, Schlafstörungen sowie einen unregelmäßigen Tag-Nacht-Rhythmus gezielter zu behandeln, so die Forscher. Außerdem wird somit klar, warum die Menschen, die spät zu Bett gehen, meist sehr viel Kaffee trinken: Denn das Koffein führt möglicherweise dazu, den ohnehin schon nach hinten verschobenen Tagesrhythmus noch weiter zu verschieben. Quelle: dpa

Warum keine Strafsteuer auf 1-Liter-Milchkartons? In anderen Ländern spart man Verpackung durch größere Milch-Füllmengen. Wieso Duschgel ungestraft in Reisegrößen? Warum Aufschnitt an der Theke erst in Papier-Plastikfolie und dann nochmal in eine Plastiktüte mit Kassenbon aus Papier, der mit Metall dran getackert wird - ganz ohne Strafsteuer? Warum eigentlich ungestraft Zeitung auf mit feinstaubiger Druckerschwärze lesen, wenn man sie doch auch auf das Tablet downloaden könnte?

Ein Kollege fragte: "Warum eigentlich keine Strafsteuer auf Klopapier? Weite Teile der Welt beweisen, dass man seinen Hintern auch ganz ohne Abfall mit einem Wasserstrahl reinigen kann." Und ich sehe beim besten Willen nicht, wo dieser Vergleich hinkt.

Der Müll vom Coffee to go aber ist neu und fällt deshalb ins Auge. Und ja, to go schafft viel Müll. Das ist nicht gut. Weil die Becher ein Verbund aus Plastik und Pappe sind und meist in öffentlichen Mülleimern entsorgt werden, deren Inhalt nicht getrennt wird, landen sie in der Müllverbrennung. Ohnehin könnte man sie nur sehr aufwendig und teuer recyceln.

Es gibt also nur zwei praktikable Lösungen:

1. Man bringt den eigenen Becher mit und lässt ihn sich an der Kaffeebude auffüllen. Für Pendler mit täglicher Routine wäre das noch organisierbar. Aus hygienischen Gründen dürften die Verkäufer die Kunden-Becher dann aber nicht mit den Kaffeemaschinen in Berührung bringen, sondern müssten das Getränk vom eigenen Behälter kontaktlos in den mitgebrachten Becher umfüllen. Schaumkrone adé. Aber alles andere wäre eklig. Wo Verkäufer, die Bargeld anfassen, keine Lebensmittel berühren, sollen sie auch keine fremden Becher in die Hand nehmen müssen, wenn sie die Kaffeemaschinen und Milchaufschäumer bedienen.

2. Umweltfreundliche Einwegbecher. Googlen Sie mal kompostierbare Kaffeebecher. Da gibt es schon einiges. Becher aus Zellulose, Beschichtungen ohne Erdöl. Die Grünen sollen mal ein Förderprogramm für Öko-Becher fordern.

Ich habe nämlich mal aus so einem Becher getrunken. Ich gebe zu: Ich hatte den Eindruck, der Becher kompostierte sich schon, bevor ich austrinken konnte. Ganz samtig und weich war der irgendwie. Ich habe den Kaffee dann runter gestürzt, bevor etwas Schlimmeres hätte passieren können.

Aber meine Güte: Das wäre dann eben ein echter Kaffee auf die Hand gewesen.

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