Werner knallhart

König Kunde terrorisiert die deutschen Unternehmen

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Unser Geiz ist Befehl

Auch unser Geiz ist den Unternehmen Befehl: Mobiles Telefonieren und Internet ist in Deutschland supergünstig. Amerikaner reiben sich die Augen: So viel telefonieren und SMS senden wie man will, und dazu 1 GB versurfen, mittlerweile sogar mit kleinem Auslands-Datenvolumen - alles für 25 Euro im Monat?

Wir wollen es billig und kriegen es. Allerdings mit entsprechend schlechten Netzen. Oh, was für eine Unverschämtheit! Da bezahlen wir schon fast nichts, und dann empfangen wir mitten im Schwarzwald mit O2 noch nicht mal 3G. Können die Mobilfunk-Anbieter nicht einfach im Ausland mehr verdienen, damit sie hier in Deutschland ein paar Milliarden mehr ins Handynetz investieren können? Wäre gut, dann brauchen wir das nicht zu bezahlen.

Bequeme Lieferung

Rewe liefert in einigen Städten Deutschlands den online zusammengeklickten Einkauf bis vor die Wohnungstür. Auch im fünften Stock. Milch, Brokkoli, Lachsfilet. Ist das Walnusseis ausverkauft, bringt der Lieferant als Alternative auf gut Glück Vanilleeis mit. Passt das dem Kunden nicht, schleppt der Lieferant das Eis wieder zurück durch die halbe Stadt.

Der Lieferservice kostet gerade mal fünf Euro extra im Vergleich zum Einkauf direkt im Supermarkt. Und zum Geburtstag bekommen die registrierten Kunden per E-Mail einen Einkaufsgutschein. Das ist doch nett.

Am besten bestellen wir Könige die ganzen schweren Bier- , Saft- und Wasserkästen fürs kommende Deutschlandspiel bei Rewe. Wer im fünften Stock wohnt, hat es dann wieder genau richtig gemacht. Und Trinkgeld für den durchgeschwitzten Lieferanten? Höchstens, wenn er nicht über den defekten Aufzug meckert. Denn wir zahlen ja schon fünf Euro für die Lieferung. Und mit dem Mindestlohn hat sich Trinkgeld dann ja eh erledigt.

Kurioserweise setzt sich dieses Kundendenken auch dort durch, wo Jahrhunderte lang ein Klima herrschte, das dienstleistungsferner nicht hätte sein können: in Schulen. Früher haben sich Lehrer bei den Eltern über die Schüler beschwert. Heute beschweren sich die Eltern bei der Schulleitung über die Lehrer. Weil die abverlangte Dienstleistung nach Ansicht der Schüler als Kunden mangelhaft erbracht wird.

Lehrer beklagen heute regelmäßig: Auf Elternabenden wird der Spieß umgekehrt. Da werden einzelne Lehrkräfte von Eltern mitunter konzertiert fertiggemacht. Denn die Eltern verlangen heutzutage eben Leistung, Leistung, Leistung. Und zwar auch von den Lehrern. Wofür zahlt man schließlich Steuern? Da wird die Qualität der Lehrer daran gemessen, ob es ihnen gelingt, selbst den dümmsten Spross so lange zu verwöhnen, bis er doch noch durchs Fachabi flutscht.

Das ist unsere neue Dienstleistungsgesellschaft. Die Service-Wüste blüht schon längst. Und wir haben uns perfekt drauf eingestellt. Daraus folgt übrigens vor allem eins:

Einzelhändler in den Fußgängerzonen können einpacken - zumindest wenn sie darauf setzen, dass die Kunden weiter aus Tradition und Liebe dort kaufen, wo Service noch extra kostet. Kunden kommen zum Gucken, lassen sich beraten und probieren alles aus. Dann zücken sie ihr Handy und checken, ob es das Produkt im Internet billiger gibt.

Das mag egoistisch sein, liegt aber offenbar in unserer Natur als König Kunde. Und zu hoffen, dass er irgendwann mal wieder seine Spendierhosen anzieht, ist schlichtweg kein Geschäftsmodell.

Die Fußgängerzone muss alles bieten: Beratung, Billigpreise, Lieferung. Sonst ist sie am Ende. König Kunde ist kein Stadtplaner. Aussterbende Fußgängerzonen sind ihm im Zweifel egal.

Sorry, liebe Händler, ich befürchte, Ihr seid selber schuld. Ihr habt Euren König zum Gewaltherrscher erzogen.

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