WirtschaftsWoche: Herr Feld, WMF hat im vorigen Jahr einen Umsatz von über eine Milliarde Euro erzielt und 47 Millionen Euro Gewinn vor Steuern und Zinsen erwirtschaftet. Die Marke genießt ein Top-Image, das Geschäft mit Kaffeevollautomaten läuft sehr gut. Warum streichen Sie zehn Prozent der Stellen und wollen jährlich 30 Millionen Euro sparen?
Peter Feld: Sie haben Recht, WMF hat sich in der Vergangenheit gut entwickelt. Das Unternehmen steht auf einer soliden Basis. Aber die Erfolge der Vergangenheit sind keine Garantie für die Zukunft. Das Marktumfeld hat sich in letzten Jahren völlig verändert. Gleichzeitig haben sich in der WMF-Gruppe über viele Jahre hinweg organisatorisch selbständig agierende Markentöchter entwickelt. Diese Strukturen lähmen uns. Es hat zu wenig Austausch zwischen den organisatorischen Einheiten stattgefunden, jetzt rücken wir wieder näher zusammen. Und schließlich: Der globale Wettbewerbsdruck steigt. In den letzten fünf Jahren sind wir international kaum gewachsen. Gerade im Wachstumsmarkt China sind wir hinter den Erwartungen und hinter dem Wettbewerb zurückgeblieben.
WMF auf einen Blick
1853 gründete der Mühlenbesitzer Daniel Straub gemeinsam mit den Metalldrückern Friedrich und Louis Schweizer in Geislingen die Metallwarenfabrik Straub & Schweizer mit anfänglich 16 Mitarbeitern.
1862 wurden die silberplattierten Tafel- und Serviergeräte von Straub & Schweizer auf der Weltausstellung in London mit Medaille ausgezeichnet.
1868 wurde die erste Verkaufsfiliale in Berlin gegründet.
1880 schloss sich das Unternehmen mit der Metallwarenfabrik Ritter & Co aus Esslingen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft zur Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF) mit Sitz in Geislingen zusammen. Damit gilt die WMF als älteste Aktiengesellschaft Württembergs.
Zur WMF-Gruppe gehören aktuell die Marken WMF, Auerhahn, Kaiser Backform, Silit und Alfi, sowie im Gastronomie- und Großküchenbereich Boehringer, Hepp und Schaerer. Stammsitz der WMF mit rund 2000 Mitarbeitern ist Geislingen an der Steige, insgesamt arbeiten über 6000 Menschen für die Gruppe.
Umsatz 2013: 1 Milliarde Euro; Gewinn: 25 Millionen Euro
Größter Umsatzbringer sind Tisch- und Küchenartikel, zweitgrößter die Kaffeemaschinen.
Seit 1. August 2013 ist Peter Feld Chef der Württembergischen Metallwaren Fabrik. Seine Karriere begann der Diplom-Ingenieur Feld 1992 bei Procter & Gamble als Manager Product Supply.
2004 ging er zu Johnson&Johnson und stieg dort 2009 zum Chef für Mitteleuropa auf und verantwortet unter anderem den Bereich der Konsumgütersparte sowie des Geschäft mit rezeptfreien Apothekenprodukten.
2010 wechselte er zum Konsumgüterhersteller Beiersdorf nach Hamburg. Als Vorstand war er dort für die Märkte in Europa und Nordamerika zuständig.
Christopher Cheng verantwortete von 2008 bis 2011 für Starbucks Coffee die Region Greater China, davor war er bei Jeans-Label Levi’s. Ab 1980 war in unterschiedlichen Positionen zunächst als Regional General Manager Taiwan, Hong Kong, China später North Asia und schließlich als Vice President Asia Pacific Non Apparel tätig.
Vor seiner Berufung zum Regional Präsident Greater China bei der WMF AG arbeitete Cheng seit 2011 bei einem Unternehmen der Modeindustrie, der chinesischen Hoplun, als Leiter Retail Operations und Vice President Leasing & Development.
Die „Fischhalle“ beherbergt heute den Fabrik-Verkauf der WMF-Gruppe. Den Namen trägt sie, weil das Unternehmen dort ab 1912 in Zeiten steigenden Fleischpreise seinen Mitarbeitern Fisch zum Selbstkostenpreis anbot. Heute hat sich rund um die Fischhalle ein Outlet-Center mit rund zwei Dutzend weiteren Marken wie Nina von C., Kärcher, Kneipp oder Seltmann Weiden entwickelt.
Das Management möchte jährlich 30 Millionen Euro einsparen. 700 Stellen sollen gestrichen werden. Die Logistik wird umgebaut und auf zwei Standorte konzentriert. Verwaltung und Marketing soll in Geislingen gebündelt werden. Die Marke Auerhahn wurde Ende 2014 eingestellt, Alfi an die Thermos-Gruppe verkauft.
Wie stark wollen Sie denn im Ausland wachsen?
Wichtig ist zunächst, dass das internationale Wachstum nur gelingen kann, wenn wir die Stammmärkte in Zentraleuropa nachhaltig weiterentwickeln. Wir haben sehr gute Chancen auch in Deutschland weiter zu wachsen, zum Beispiel mit unseren neuen elektrischen Küchenhelfern, die wir einführen werden. Derzeit erzielen wir 55 Prozent unserer Umsätze in Deutschland und den Rest im Ausland. Dieses Verhältnis wollen wir möglichst umkehren. In China verschärft sich der Wettbewerb aber immer mehr, auch durch heimische Hersteller. Darum dürfen wir hier keine Zeit mehr verlieren und müssen Veränderungen rechtzeitig zulassen. Nicht zuletzt deshalb haben wir seit Januar mit dem ehemaligen Levi’s und Starbucks-Manager Christopher Cheng einen Regionalverantwortlichen eingesetzt, der neue Impulse setzen wird. Sein Erfolg wird sich schon an den Halbjahreszahlen ablesen lassen.
Mit welchen Marken wollen Sie in China antreten?
In China werden wir WMF als Marke weiterentwickeln. In Südkorea ist Silit bereits etabliert und wird deshalb dort selbstverständlich auch weitergeführt.
Noch mal zurück zur Ausgangsfrage: Wenn Sie im Ausland expandieren wollen, dann brauchen Sie Arbeitskräfte. Da macht es doch keinen Sinn, 700 Stellen abzubauen.
Das hat mehrere Gründe. In den vergangenen Jahren ist bei uns ein regelrechter Wildwuchs von Marken entstanden, die sich zum Teil gegenseitig Konkurrenz machen und kannibalisieren. Das erschwert unseren Kunden die Orientierung. Hier wollen wir mehr Klarheit schaffen und wieder näher am Kunden sein.
Was heißt das konkret?
Mit WMF, Silit und Kaiser’s Backformen haben wir unsere drei Consumer Kernmarken definiert. Dabei müssen wir stärker als bisher überlegen, was genau zu welcher Marke passt. Es ist nicht sinnvoll, zwei Edel-Stahltöpfe mit 20 cm Durchmesser anzubieten – einen unter der Marke Silit und den anderen unter dem Label WMF. Silit steht für die Silargan-Spezial-Keramik und ist mit diesem Alleinstellungsmerkmal fest in unserer Wachstumsstrategie verankert. Die Marke Auerhahn wird zum Jahresende eingestellt, weil sie über kein entscheidendes Alleinstellungsmerkmal verfügt. Das hat sich unter anderem auch daran gezeigt, dass derselbe Designer WMF- und Auerhahn-Besteck entworfen hat. Die besten Produkte werden wir aber unter WMF weiterführen. Alfi setzt schon ein Drittel mit isolierten Trinkflaschen für Wanderer und Radfahrer um. Im Vertrieb von Outdoor-Artikeln sehen wir aber nicht unsere Kernkompetenz.
Also wollen Sie Alfi verkaufen?
Dazu ist noch keine Entscheidung gefallen.
"Wir haben das Potenzial nicht voll ausgeschöpft"
Sie wollen näher an den Kunden ran, schließen aber 40 von 200 Filialen. Wie passt das zusammen?
Das eine hat mit dem anderen nicht direkt zu tun. Wir haben Filialen geschlossen, die keine Frequenz mehr hatten – zum Teil seit mehreren Jahren. Damit haben wir viel Geld verbrannt. Wir investieren aber auch in neue Formen des Einzelhandels: In Berlin haben wir zum Beispiel gerade eine neue Filiale eröffnet.
So sind deutsche Küchen
1,2 Millionen Küchen werden jährlich in Deutschland verkauft. Und die Hersteller verdienen gut an ihnen. Mehr als zehn Milliarden Euro Umsatz machte die Branche laut der Arbeitsgemeinschaft Moderne Küche 2013 in Deutschland.
Den Großteil des Umsatzes macht die deutsche Küchenindustrie im Inland: 6,03 Milliarden Euro allein im Jahr 2013 (Vorjahr: 5,95 Mrd). Auch im Ausland kommen die deutschen Küchen gut an: Die Hersteller exportierten zuletzt Waren im Wert von rund 4,01 Milliarden Euro. Laut Branchenkennern entwickelt sich insbesondere China zu einem wichtigen Absatzmarkt, weil moderne Einbauküchen europäischer Prägung dort ein Statussymbol sein.
Laut den Konsumforschern der Gfk legte der Durchschnittspreis für Küchen bei Einrichtungshäusern und dem Küchenfachhandel (ohne Discounter) innerhalb von vier Jahren um mehr als 800 Euro zu. 2009 kostet die Durchschnittsküche 6.429 Euro. 2013 schon 7.243 Euro. Kochbegeisterte geben aber auch 30.000 Euro und mehr für eine Küche aus.
Die Küche läuft dem Auto als Statussymbol den Rang ab. Das hat zumindest eine Umfrage des Zukunftsinstituts im Auftrag von Siemens ergeben. 57 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass ihnen eine "tolle Küche" wichtig ist. Nur 29 Prozent nannten das Auto und noch weniger Hi-Fi-/Videoanlagen (acht Prozent) und Smartphones und Tablets (sieben Prozent).
Wollen Sie am Konzept der restlichen Filialen etwas verändern?
Unsere Filialen sind unser Aushängeschild für unsere Marken, Produkte und Innovationen. In der Vergangenheit haben wir ihr Potenzial aber nicht voll ausgeschöpft. In Zukunft wollen wir die Standorte besser nutzen, um mehr über die Wünsche unserer Kunden zu erfahren.
Wir haben über Kürzungen beim Markenportfolio und beim Filialnetz gesprochen. Das erklärt aber immer noch nicht die Höhe der geplanten Einsparungen. Welches sind die großen Posten?
Die geplanten Einsparungen betreffen die Bereiche Logistik und Verwaltung. Ein Beispiel: Heute bekommen Sie als Fachhändler von WMF vier unterschiedliche Lieferungen und Rechnungen – eine von Alfi, eine von Kaiser, eine von Silit und eine von WMF. Das darf nicht sein. Wo wir unsere Abläufe und Prozesse vereinfachen können, sollten wir das auch tun. Deshalb ziehen wir auch die Auftragsabwicklung von fünf Standorten auf nur noch einen – nämlich in Geislingen – zusammen. Auch bei der Logistik wollen wir schlanker werden: Aufgrund der zerklüfteten Unternehmensstruktur haben wir 33 Lager in Europa. Wenn wir etwa eine Kaffeemaschine nach Österreich verkaufen, müssen wir sie von Geislingen nach Innsbruck transportieren, dort zwischenlagern und dann weitervertreiben. Dagegen werden unsere Filialen in Österreich direkt aus Geislingen beliefert. Bei diesen umständlichen Strukturen müssen wir aufräumen, solange der Handlungsspielraum noch groß genug ist.
WMF ist 161 Jahre alt und am Standort Geislingen tief verwurzelt. Können Sie die Sorge der Bürger verstehen?
Geislingen ist die Wiege der WMF und das wird sie auch bleiben. Wir investieren in Produktion und Vermarktung. Davon profitiert natürlich auch der Standort Geislingen. Man muss aber auch Veränderungen zulassen: WMF hatte früher mal 6000 Mitarbeiter in Geislingen. Wir haben dort große, seit Jahren leer stehende Gebäude und ein riesiges Abwasserwerk für Produktionen, die es schon seit langem nicht mehr gibt. Die Unterhaltung dieser Infrastruktur kostet Geld, das wir anderswo besser gebrauchen können.
Sie suchen für die Immobilien rund um die „Fischhalle“, wo Sie einen Fabrikverkauf betreiben, einen Investor. Warum?
Der WMF-Fabrikverkauf ist eine Erfolgsgeschichte und die soll weitergehen. Aber wir sind nicht der richtige Partner, wenn es darum geht, ob ein Gartenbedarfsgeschäft neben einen Süßwarenladen passt, oder ob es in einer anderen Kombination vermutlich besser läuft. Dafür gibt es Profis. Unabhängig vom Verkauf sehen wir den Fabrikverkauf aber als langfristiges Engagement. Darum werden wir die WMF-Fischhalle mit einem möglichst langfristigen Mietvertrag zurückmieten, wenn es soweit ist.
WMF ist vielen Kunden von Treuepunkten-Aktionen in Supermärkten bekannt. Werden Sie das fortsetzen?
Solche Aktivitäten werden wir in Zukunft sehr viel differenzierter angehen. WMF ist eine Premiummarke und steht für Made in Germany, Design, Innovation und Qualität. Dieser Anspruch passt nicht unbedingt zu solchen Aktionen.
Wenn Sie nur noch Premium sein wollen, passt es aber nicht, wenn WMF-Töpfe und –Pfannen mit riesigen Preisabschlägen im Internet angeboten werden, etwa bei Amazon.
Auf die Preise bei Online-Händlern wie Amazon haben wir keinen Einfluss. Es gibt aber auch so genannte Streichpreise, wenn etwa ein Topf im Set billiger angeboten wird als der Einzeltopf. Beim Verbraucher kommt dabei nur an: „Die Ware soll mittels Tiefstpreisen ausverkauft werden“ und das darf natürlich nicht sein. Wir sind ein Premiumhersteller, allerdings haben wir bei der Markenwahrnehmung noch Nachholbedarf und auch bei unserer eigenen Onlinepräsenz wird sich etliches deutlich verändern.