Der PR-Mann fand klare Worte: „Das Ding“ sei „ganz normal“, kommentierte Zalandos Pressesprecher im vergangenen Sommer Berichte der WirtschaftsWoche und des ZDF-Magazins „Frontal 21“ über Subventionen in Höhe von insgesamt etwa 35 Millionen Euro für den Berliner Online-Modehändler.
Der staatliche Geldsegen sei völlig okay, denn der umsatzstärkste Anbieter mit dem höchsten Arbeitsplatzwachstum erhalte „logischerweise auch die meisten Förderungen“, wenn er „halbwegs clever“ ist.
Tatsächlich beschreibt das Prädikat „clever“ die Leistungen des Boutiquen-Schrecks beim Heben staatlicher Subventionsschätze nur höchst unzureichend. Vertrauliche Unterlagen, die die WirtschaftsWoche und „Frontal 21“ ausgewertet haben, zeigen, wie sich die Zalando-Granden und ihre Berater von der Wirtschaftsprüfung PricewaterhouseCoopers (PwC) auf Fördermillionen stürzten – und auf Kassenwarte trafen, die das Geld bereitwillig ausschütteten.
Zalando auf einen Blick
Die Berliner Robert Gentz und David Schneider starteten im Oktober 2008 mit dem kleinen Online-Schuhshop Zalando. Ihr Büro diente als Warenlager, der Service lief über ihre Mobiltelefone.
Zu den Investoren zählen die Tengelmann-Gruppe (6 Prozent), der Facebook-Investor Digital Sky Technologies DST (9 Prozent), Holtzbrinck Ventures (8 Prozent) sowie die Samwer-Brüder Marc, Oliver und Alexander über ihren Berliner Startup-Entwickler Rocket Internet und European Funders Fund (17%). Die schwedische Investment AB Kinnevik hat mehrfach aufgestockt und hält mittlerweile 36 Prozent an Zalando direkt und indirekt via Rocket Internet. Damit sind die Schweden die größten Gesellschafter des E-Commerce Unternehmens. Im August 2013 stieg die Mode-Gruppe Bestseller von Anders Holch Povlsen mit 10 Prozent ein. Er kaufte u.a. Holtzbrinck und Tengelmann Anteile ab. Weitere Investoren wie der russischen Dotcom-Finanziers Yuri Milner halten insgesamt zusammen 13,5 Prozent.
Zalando expandierte in den vergangenen vier Jahren extrem schnell und aggressiv in ganz Europa und ist mittlerweile in 15 Ländern aktiv. Dafür setzte das Unternehmen große Summen für das Marketing, vor allem TV-Spots ein. Das Marktforschungsunternehmen Nielsen berechnete die Ausgaben für die Spots im Jahr 2011 allein in Deutschland auf 90 Millionen Euro. Der Bekanntheitsgrad der Marke Zalando liegt in der werberelevanten Zielgruppe bei 95 Prozent. In Frankreich kennt den Online-Händler nach einem Jahr am Markt bereits jeder Zweie.
Laut Bundesanzeiger wies Zalando für 2009 einen Fehlbetrag von 1,6 Millionen aus. 2010 waren es 20,4 Millionen. Der Umsatz lag 2010 bei 150 Millionen Euro. 2011 waren es bereits 510 Millionen Euro, 2012 hat Zalando die Milliarden-Marke mit 1,15 Milliarden Euro Nettoumsatz geknackt und den Vorjahresumsatz verdoppelt. 2013 kletterte der Umsatz um 52 Prozent auf 1,76 Milliarden Euro. Dabei steht aber ein Rekordverlust von 100 Millionen Euro in den Büchern.
Zalando beschäftigt aktuell mehr als 1200 Mitarbeiter. In Berlin entsteht ein neuer Bürokomplex mit 20.000 Quadratmetern für mehrere hundert Mitarbeiter. Ab Sommer 2013 sollen weitere Büroflächen in Berlin Mitte angemietet werden. In Erfurt eröffnet Anfang Dezember das erste eigene Logistikzentrum, mit dem Bau eines weiteren hat der Online-Händler in Mönchengladbach begonnen, hier sollen bis zu 1000 Beschäftigte arbeiten.
Bereits die Regelungen eines der ersten Förderanträge sind erstaunlich. Im Mai 2010 hatte das Unternehmen beim Land Berlin Investitionszuschüsse für die Erweiterung der Zentrale in einem ehemaligen Umspannwerk in Prenzlauer Berg beantragt. Das Geld sollte aus sogenannten GRW-Mitteln kommen, die von Bund, Ländern und der EU zur Förderung strukturschwacher Regionen vergeben werden.
Die landeseigene Investitionsbank Berlin (IBB), die für die Prüfung des Antrags zuständig war, attestierte Zalando nach weniger als einer Woche Bearbeitungszeit die grundsätzliche „Förderfähigkeit“. In der Folge übernahm die Öffentlichkeit 25 Prozent der zentralen Investitionskosten für die Erweiterung, bezuschusste etwa den Kauf von Computern, Staubsaugern und Sofas mit knapp 1,6 Millionen Euro. Das Problem: Die Förderquote von 25 Prozent steht nur kleinen und mittelgroßen Firmen zu – nicht aber Unternehmen mit mehr als 50 Millionen Euro Umsatz pro Jahr.
Die bekanntesten Gründungen und Beteiligungen von Rocket Internet
mGut 100 Unternehmen haben die Samwer-Brüder mit ihrer Start-up-Schmiede "Rocket Internet" in den vergangenen Jahren gegründet oder sich an ihnen beteiligt. Die folgenden Liste ist nur eine kleine Auswahl, die zeigt, wie vielschichtig und umfassend das Portfolio der Brüder ist. Deutlich wird auch, dass die Ideen für die Unternehmen selten die eigenen sind.
Quelle: Joel Kaczmarek: Die Paten des Internets, 2014
Unternehmen: Ads.com.mm
Vorbild: Craigslist
Einstieg: Juli 2012
Unternehmensart: Kleinanzeigen (Anzeigen)
Herkunftsland: Myanmar
Unternehmen: Airizu
Vorbild: Airbnb
Einstieg: Mai 2011
Unternehmensart: Privatzimmervermittlung
Herkunftsland: China
Unternehmen: Airu
Vorbild: Etsy
Einstieg: Juli 2011
Unternehmensart: Marktplatz für Selbstgemachtes
Herkunftsland: Mittel- und Südamerika
Unternehmen: Dealstreet
Vorbild: Swoopo
Einstieg: April 2009
Unternehmensart: Live-Shopping Anbieter
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Edarling
Vorbild: Eharmony
Einstieg: November 2008
Unternehmensart: Online-Partnervermittlung
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Fashion4Home
Vorbild: MyFab
Einstieg: Juli 2009
Unternehmensart: Onlineshop für Designer-Möbel
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: HelloFresh
Vorbild: Middagsfrid
Einstieg: November 2011
Unternehmensart: Abo-Commerce zu Rezepten samt Zutaten
Herkunftsland: Afrika, Asien, Europa, Lateinamerika, Mittlerer Osten
Unternehmen: LadenZeile
Vorbild: Like.com
Einstieg: Januar 2009
Unternehmensart: Metasuche für Shoppingangebote
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Lazada
Vorbild: Amazon
Einstieg: Februar 2012
Unternehmensart: Online-Versandhaus
Herkunftsland: Südostasien
Unternehmen: MyBrands
Vorbild: Dress-for-Less
Einstieg: Mai 2009
Unternehmensart: Online-Designer-Outlet
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Payleven
Vorbild: Square
Einstieg: Januar 2012
Unternehmensart: Anbieter für Mobile Payment
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Sexpartnerclub
Vorbild: -
Einstieg: Juni 2007
Unternehmensart: Casual-Dating-Portal
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Toptarif
Vorbild: Check24
Einstieg: Juli 2007
Unternehmensart: Online-Preisvergleich
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Westwing
Vorbild: One Kings Lane
Einstieg: September 2011
Unternehmensart: Shoppingclub für Wohn-Accessoires
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Wimdu
Vorbild: Airbnb
Einstieg: Februar 2011
Unternehmensart: Privatzimmervermittlung
Herkunftsland: Deutschland
Unternehmen: Zalando
Vorbild: Zappos
Einstieg: Juni 2008
Unternehmensart: Onlineshop für Fashion
Herkunftsland: Deutschland
Zalando setzte 2010 bereits 159 Millionen Euro um, profitierte aber trotzdem vom Höchstfördersatz für mittelgroße Unternehmen. Warum?
Maßgeblich für die Größenzuordnung sei der „letzte vorliegende Jahresabschluss des Antragstellers“, heißt es bei der IBB. Im Klartext: Die Bank berücksichtigte nur Zalandos Bilanzen aus den Vorjahren.
Als am 20. Dezember 2010 der finale Zuwendungsbescheid der IBB erging, dürfte im Zalando-Management um die Gründer Robert Gentz und David Schneider zwar längst klar gewesen sein, dass der Online-Händler in einer neuen Umsatzliga spielte. Geändert wurde nichts. Die Angabe der Vorjahresdaten entspreche der bundes- und europaweit „geltenden Förderpraxis und den entsprechenden Rechtsgrundlagen“, teilt Zalando dazu mit.
Der Berlin-Zuschlag
2012 wandten sich Zalandos Berater erneut an die IBB. Wieder wollte das Unternehmen in neue Büros investieren. Wieder sollten dafür GRW-Mittel fließen, denn „ohne eine Förderung in Berlin“ würde das Projekt „nicht in der Form und nicht in dem Umfang durchgeführt“, schrieben zwei PwC-Berater am 15. Oktober 2012 an die IBB.
Die Banker reagierten prompt: Am 9. November 2012 sagte die IBB dem Unternehmen weitere knapp 5,8 Millionen Euro GRW-Mittel zu, diesmal zum Fördersatz von 15 Prozent.
Im Jahr darauf folgte der nächste Antrag. Jetzt sollten die Millionen unter anderem fließen, weil Berlin dadurch „sein Image, eine der führenden Modemetropolen der Welt zu sein, unterstreichen“ würde, heißt es in der Projektbeschreibung. Die Bank genehmigte weitere 3,2 Millionen Euro.
Nebenher ließ sich Zalando den Aufbau von Logistikzentren in Brandenburg und Thüringen teilweise aus Steuergeldern sponsern und zog Zuschüsse für die Eigenmarkentochter zLabels an Land.
Die staatlichen Gaben hätten dazu beigetragen, Tausende Arbeitsplätze zu schaffen, rechtfertigt der Online-Händler die Subventionen. Bei Bedarf werde Zalando „auch in Zukunft bei Expansionsvorhaben oder der Entwicklung neuer Technologien Fördergelder“ prüfen und beantragen.