Bei den letzten tiefen Zügen glimmt eine Zigarette besonders hell. Der Tabakindustrie geht es gerade ähnlich.
Allein hierzulande machte die Branche zuletzt einen Jahresumsatz von 13 Milliarden Euro, Tabak-Unternehmen erzielen hohe Gewinne. Die Reemtsma Cigarettenfabriken, die in Deutschland mehr als ein Viertel des Marktes beherrschen, weisen bei einem Umsatz von einer guten Milliarde Euro satte 573 Millionen als Gewinn aus. Weiteres Wachstum wird erwartet.
Die Aktienkurse von internationalen Konzernen wie British American Tobacco, Philip Morris und Imperial Tobacco steigen oder bleiben mindestens auf hohem Niveau stabil. Während Ärzte vom Griff zur Zigarette abraten, empfehlen Börsenexperten, beim Tabak ordentlich zuzulangen. An ihre Aktionäre schütten die Unternehmen Dividende von vier Prozent und mehr aus.
Fakten zum Tabakkonsum
Knapp 30 Prozent der Deutschen zwischen 18 und 79 Jahren rauchen. Zwischen den Geschlechtern gibt es Unterschiede: 33 Prozent der Männer und 27 Prozent der Frauen greifen zu Zigarette und Co.
Quelle: dpa, Stand 2014
Je höher der soziale Status, desto geringer ist laut Studien das Interesse am Nikotin.
Bei 996 Zigaretten lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch im Jahr 2013 - ein Rückgang von 1,2 Prozent im Vergleich zu 2012. Im Jahr 2000 hatten die Deutschen noch 1699 Zigaretten pro Kopf konsumiert. Der Gesamtverbrauch lag 2013 bei 80,3 Milliarden. Hinzu kamen knapp 3,6 Milliarden Zigarren und Zigarillos.
Bis zu 120.000 Menschen in Deutschland sterben jährlich an den Folgen, mehr als 3000 durch Passivrauchen. EU-weit sterben pro Jahr fast 700.000 Raucher.
Gut 24,3 Milliarden Euro gaben die Deutschen im vergangenen Jahr für Tabakwaren aus.
Die Einnahmen aus der Tabaksteuer lagen 2013 bei 14,1 Milliarden Euro. Damit ist sie ist nach der Energiesteuer (39,4 Milliarden Euro) die zweitergiebigste der Verbrauchsteuern.
Rund 200 Millionen Euro jährlich investiert die Tabakindustrie in die Werbung.
Trotzdem klagen die Tabakkonzerne. Laut und nahezu permanent. Sind die Positivmeldungen nur das die letzten Aufflackern einer sterbenden Industrie?
"Die Stimmung in der Branche ist angespannt", sagt zumindest Dirk Pangritz, Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbands (DZV) und meint vor allem den heimischen Markt.
Hohe Umsatzeinbuße
Während weltweit so viel geraucht wird wie nie, werden die Bürger der westlichen Industrienationen zu Abstinenzlern. 220 Millionen Zigaretten paffen die Deutschen aktuell weg - täglich. Das klingt zwar viel, für die Tabakindustrie aber ein Negativrekord. Laut Statistischem Bundesamt sank der durchschnittliche Konsum von Zigaretten seit 1991 um etwa 55 Prozent. Neun Milliarden Euro Umsatz hat die Branche in Deutschland im Vergleich zum erfolgreichen Jahr 2003 eingebüßt. Das schmerzt.
"Die großen Unternehmen können Gewinnrückgänge in Europa auf anderen Märkten auf der Welt ausgleichen", sagt Verbandsmann Pangritz. Zu kämpfen hätten vor allem die kleinen heimischen Unternehmen, die eine Nische bedienen.
Dass sich der Trend jemals umkehrt, glaubt nicht mal der Tabaklobbyist. "In entwickelten Ländern wird der Tabakmarkt weiter schrumpfen", sagt Pangritz.
Das klingt fast nach Resignation. Die Lobby der Tabakindustrie gilt als eine der stärksten überhaupt. Die Konzerne geben viel Geld aus, um ihre Vertreter in die Parlamente zu schicken. Die werben dort um Verständnis für die vermeintliche wirtschaftliche Bedeutung der Tabakindustrie, betteln um Rücksicht auf angeblich tausende Arbeitsplätze, die von abhängen. Sie warnen davor, dass jede Änderung am Tabakgesetz nicht zu weniger Rauchern, aber zu mehr Schmugglern führen würde. Erbittert haben die Lobbyisten im EU-Parlament in Brüssel gegen eine Verschärfung der Tabakrichtlinie gekämpft. Trotzdem wird sie nun kommen. Vielleicht nicht so hart, wie es sich die Anti-Raucher-Lobby gewünscht hat, aber dennoch.
Untergang der Mittelständler
Lungenkrebs, Herzinfarkt, Raucherbein, Tod: Um davor zu warnen, hat das EU-Parlament im Februar der verschärften Tabakrichtlinie zugestimmt. 65 Prozent der Verpackungsfläche von Zigarettenpackungen sollen in Zukunft mit abschreckenden Bildern und Warnhinweisen bedeckt werden. Zudem dürfen die Hersteller nicht mehr mit Aromastoffen wie "Vanille" oder Bezeichnungen wie "mild" auf den Packungen werben. Menthol-Zigaretten sollen ab 2020 ganz verboten werden. Zudem müssen die Hersteller bald sehr viel genauer über Herkunft und Lieferkette ihrer Produkte Auskunft geben.
Die Tabakbranche stöhnt laut auf. "Da kommen erhebliche Belastungen auf die Mittelständler zu", sagt Franz Peter Marx vom Verband der deutschen Rauchtabakindustrie (VdR). "Besonders für kleine Unternehmen wird es schwierig." Schließungen könnten die Folgen sein, befürchtet der Lobbyist. Gerade die Mittelständler würden sich über doch ihre aromatischen Angebote für Genussraucher profilieren. Außerdem könnten sie den zusätzlichen bürokratischen Aufwand kaum stemmen, klagt er.
Die Zielgruppe stirbt
Im Gespräch geben sich die Tabak-Vertreter kämpferisch. Weil die EU-Richtlinie in jedem Land anders ausgelegt werden kann, wittern sie noch eine Chance. Mit der Bundesregierung spreche man jetzt über "eine praktikable Umsetzung" der Richtlinie, erklärt etwa Franz Peter Marx vom Rauchtabak-Verband. Insbesondere den bürokratischen Aufwand wolle man möglichst gering halten.
Gerade weil die Tabak-Lobby so mächtig ist, kann erwartet werden, dass sie davon ausgehen könne, das Beste aus der Situation zu machen.
Am Kernproblem der Branche ändert das freilich wenig: Zumindest in den Industrienationen gehen den Tabak-Konzernen die Felle schwimmen. Bislang verlangsamen sie den Niedergang sehr erfolgreich. Innovationen und Idee ihn aufzuhalten, gibt es jedoch nicht.
Was die Deutschen über Raucher denken
Laut einer Umfrage im Auftrag der Krankenkasse BKK Mobil Oil halten 85 Prozent der Deutschen die Willensschwäche der Raucher für den Grund, dass vielen das Aufhören nicht gelingt.
Quelle: repräsentative Umfrage von TNS Emnid
53 Prozent der Befragten gaben an, sich im Alltag zumindest gelegentlich von Rauchern gestört zu fühlen, 12 Prozent sogar häufig.
Mehr als jeder fünfte Deutsche (22 Prozent) sieht zu niedrige Tabaksteuern als Grund für hohe Rückfallquoten bei Rauchern. 39 Prozent befürworten die Erhöhung der Tabaksteuer, um Raucher zum Aufhören zu bewegen.
Um Raucher auf dem Weg in ein qualmfreies Leben zu unterstützen, sieht die Mehrheit (66 Prozent) das soziale Umfeld in der Pflicht, Aufhörwilligen beizustehen - nur jeweils 11 Prozent sehen diese Unterstützerrolle bei Ärzten und Krankenkassen. 37 Prozent sprachen sich laut BKK für drastischere Warnhinweise auf Tabakprodukten aus. Als erfolgsversprechendend für einen Rauchstopp bewerten die Befragten jedoch kostenlose Beratungsangebote (74 Prozent).
Was ihnen im Westen an Absatz wegbricht, versuchen die Unternehmen bislang mit einem höheren Preis auszugleichen. Vor allem aber wegen der Tabaksteuer ist der Preis für eine Schachtel Zigaretten in den vergangenen Jahren von 3,20 auf 5,20 Euro gestiegen.
Die meisten Raucher lassen sich das gefallen. Zigaretten gelten als preisunelastisches Gut. Heißt: Nur weil es dem Portemonnaie schadet, lässt der Süchtige das Qualmen nicht. Wenn überhaupt, weicht er auf andere Angebote aus.
Seit den Preiserhöhungen steigt aber der Zigarettenschmuggel an. Mehr als ein Fünftel der gerauchten Zigaretten sei unversteuert, sagt der Deutsche Zigarettenverband. Der Bundesrepublik gehen dadurch pro Jahr Milliarden an Steuereinnahmen verloren.
Wer nicht schmuggelt, steigt mitunter auf eine Alternative um. "Der Markt für Feinschnitt-Tabak ist weitestgehend stabil", erklärt Marx. Das will etwas heißen - in einer Zeit, in der nahezu alle anderen Bereiche an Absatz verlieren. Der Grund ist klar: Zigaretten zum Selberdrehen sind wesentlich billiger.
Das Problem der Industrie sind nicht die Raucher, die ihre Zigaretten selbst drehen. Ebenso wenig wie die täglich etwa 300 deutschen Konsumenten, die verloren gehen, weil sie an den Folgen des Rauchens früher sterben. Nein, das Problem ist etwas anderes - auch wenn die Konzerne das so nie sagen würden: Der Nachwuchs bleibt dem Tabak fern.
2001 rauchten noch 28 Prozent der 12- bis 17-Jährigen. 2012 waren es zwölf Prozent. Dass das ein Problem ist, bestreiten die Tabak-Vertreter freilich.
Wer raucht, fängt früh an
"Wir wollen nicht, dass Kinder und Jugendliche rauchen", heißt es offiziell aus der Konzernzentrale von Philip Morris. Auch Verbands-Mann Pangritz versichert: "Wir vermarkten Produkte für erwachsene Menschen." Der Absatz-Rückgang habe demoskopische Gründe und liege insbesondere am steigenden Schmuggel.
Aber Fakt ist: Wer heute raucht, hat meist früh angefangen. Schon mit 12 bis 15 Jahren, sagen Studien, spätestens aber mit 18. Seit dem Jugendalter sichern diese Raucher der Tabakindustrie einen steten Fluss an Einnahmen. Schlecht, dass der nun zu versiegen droht.
Was das für die Branche bedeutet, zeigt ein Blick in andere Bereiche des Tabakmarkts.
Lukrative Geschäfte ohne Tabak
"Die Absätze bei Zigarren und beim klassischen Pfeifentabak sind seit Jahren rückläufig", erklärt VdR-Mann Marx. Laut dem Rauchtabak-Verband wurden im vergangenen Jahr 537 Tonnen an klassischem Pfeifentabak abgesetzt - ins In- wie Ausland. Zehn Jahre zuvor waren es noch knapp 300 Tonnen mehr. Der klassische Pfeifenraucher, in der Regel älter, wohlhabend und Genussraucher, er stirbt aus und nimmt die Produzenten mit.
Ein ähnliches Schicksal droht der ganzen Branche. Um das zu erreichen, hat sich der Staat viel einfallen lassen: Mit Werbebeschränkungen, Image- und Präventions-Kampagnen hat die Anti-Raucher-Lobby auf Gesundheitsschäden und hohe Sterberaten aufmerksam gemacht. Das allerdings war aber wohl mehr oder weniger vergeblich. Denn die Erkenntnis über die Gefahren hält nicht vom Rauchen ab.
Laut dem Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) ist der gesunkene Raucheranteil bei den Jüngeren auf die Nichtraucherschutzgesetze sowie auf die öffentliche Debatte darüber zurückzuführen. Die Verbannung aus Gaststätten und Kneipen war ein herber Schlag für die Tabakindustrie. Rauchen ist out.
Schwerer wiegt nur die Erhöhung der Tabaksteuer. "Je teurer das Produkt wird, desto weniger wird geraucht", sagt Martina Pötschke-Langer vom DKFZ, "das ist kein überzogener Optimismus." Das Geld sei ein entscheidender Faktor für Kinder und Jugendliche.
Deshalb fordern Tabak-Gegner weitere Erhöhungen. Doch bislang schrecken die Regierungen vor einem ruckartigen Anziehen zurück, wohl aus Sorge, die Schraube zu sehr zu überdrehen und eine der wichtigsten Einnahmequellen des Staates zu zerstören.
Rund 14 Milliarden Euro nimmt die Bundesregierung jährlich an Tabaksteuer ein und zusätzlich noch die Mehrwertsteuer, die auf jede Packung aufgeschlagen wird. Nur über die Energiesteuer nimmt der Staat noch mehr ein.
Die beeindruckende Zahl kontern Tabak-Gegner zumeist mit einer noch größeren: Auf 35 Milliarden Euro beziffert die Universität Hamburg den volkswirtschaftlichen Schaden, der durch das Rauchen entsteht.
Siegeszug der E-Zigarette
Tatsächlich hat die Branche unter dem Druck zuletzt abgebaut. Die Zahl der Beschäftigten in der deutschen Zigarettenindustrie ist in den vergangenen zehn Jahren um 2000 zurückgegangen. Rund 9800 Menschen waren 2012 dort noch angestellt.
Während die kleine Betriebe eingehen, fusionieren andere, um ihre Größe auf dem Weltmarkt auszuspielen. Jüngstes Beispiel aus Amerika ist die angekündigte Übernahme von Lorrilard durch den Zigaretten-Riesen Reynolds American (Camel und Pall Mall). Bei der Fusion würde ein internationaler Tabakkonzern entstehen, der an den Weltmarktführer Altria (Marlboro) heranreicht.
Die Fusion scheint nicht nur sinnvoll, um Marktmacht zu gewinnen. Durch einen Zusammenschluss würde Reynolds eine dominierende Position im boomenden Markt für elektrische Zigaretten bekommen.
Immer mehr Raucher steigen auf die E-Zigarette um, in denen Aroma-Flüssigkeiten und Nikotin verdampfen. 2,5 Millionen Deutsche, schätzt der Verband des eZigarettenhandels, greifen mittlerweile zumindest gelegentlich zu der Alternative.
Weltweit ist der Umsatz mit E-Zigaretten in den letzten fünf Jahren von knapp 14,7 Millionen auf 2,2 Milliarden Euro gestiegen. Der Vorteil der E-Zigaretten: Sie werden weniger streng reguliert und sind zum Beispiel in Gaststätten noch erlaubt.
Während zunächst vor allem kleine Firmen den E-Zigaretten-Markt unter sich aufteilten, bieten mittlerweile auch Giganten wie Philipp Morris und Big Tobacco eigene Modelle an. "Die Unternehmen sind aber bereit, in den Markt einzusteigen, wenn es erfolgsversprechend ist", bestätigt auch Verbandsmann Pangritz. Ein Wachstumsmarkt für eine schwächelnde Branche also, auch in Europa und eine Chance.
Diese Entwicklung könnte die Anti-Raucher-Lobby eigentlich freuen. E-Zigaretten gelten als weit weniger gefährlich als herkömmliche Glimmstengel. Weil kein Tabak verkohlt, enthält der Rauch keinen Teer und weniger Giftstoffe.
Manche Experten sehen die Entwicklung aber mit Sorge. Sie befürchten, dass das Qualmen dadurch wieder in Mode kommt und die Jugendlichen in die Fänge der Tabakindustrie treibt.
Süchtig machen die E-Zigaretten nämlich trotzdem.