Zustellung per Elektroauto Hier und da unter Strom

Logistik-Unternehmen testen Elektrofahrzeuge für den Arbeitsalltag. Über die Kosten der Technik reden sie lieber nicht – und hoffen, mit den Fahrzeugen bald auf die Busspuren zu dürfen. Die Post fährt ein ulkiges Modell.

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Der Zwerg unter den Kastenwagen: Ein Streetscooter der Deutschen Post. Quelle: Jens Höhner

Bonn Der ewige Stau in den Innenstädten Stadt regt die Paketdienste auf – und sie haben eine Idee, den Verkehr für sich zu beschleunigen. Lieferanten, die „mit Elektrofahrzeugen oder alternativen Antrieben unterwegs sind“, sollten die Busspuren in Großstädten benutzen dürften, fordert Hanjo Schneider, der bei der Otto-Gruppe für die Tochterfirma Hermes zuständig ist.

Bei der Deutschen Post und dem Paketdienst DHL gibt es Unternehmensangaben zufolge 11.500 Liefer- und Lastwagen mit Elektro- und Hybridantrieben – fast ein Achtel der Flotte. Doch gerade einmal etwa 300 Wagen sind bislang reine Elektrofahrzeuge, auch wenn der Anteil ausgebaut werden soll. Ein Mittel zum Zweck ist ein gedrungener gelber Kleinlaster, der aus einer Kooperation mit einem von der RWTH Aachen unterstützten Start-up hervorgegangen ist.

Dieser „Streetscooter“ genannte Wagen ist so leise, dass er demnächst wohl sogar Geräusche machen muss, sagt Jörg Salomon, bei der Post für „CO2-freie Zustellung“ zuständig: „Dafür gibt es sogar eine EU-Verordnung.“ Die 20 Autos sind Teil eines jahrelangen Pilotprojekts, die Paketzustellung in Bonn rein elektrisch abzuwickeln. Nahe der Post-Konzernzentrale hat das Unternehmen jetzt eine erste Zustellbasis auf Elektrofahrzeuge ausgelegt. An den Andock-Plätzen für die Lieferfahrzeuge sind Steckdosen für die Aufladung der Elektroautos vorgesehen. An Dutzenden weiteren bereits modernisierten Zustellbasen im ganzen Land fehlt diese Option allerdings.

Die Streetscooter fahren unter anderem in München, Berlin, Hamburg und Dresden – aber auch in Aachen. Dort wird der Wagen gebaut. „Er ist eine Maßanfertigung, die in Zusammenarbeit mit den Zustellern entwickelt worden ist“, erklärt Salomon. Der früheren Studentenfirma sei im August 2011 der Auftrag für den Fahrzeugbau erteilt worden, weil „alle namhaften Hersteller von Elektrofahrzeugen uns zuvor einen Korb gegeben hatten.“ Zuletzt unterzeichnete die Post aber auch einen Rahmenvertrag mit dem französischen Hersteller Renault zur Lieferung kleiner Elektro-Kastenwagen.

Im Verhältnis zur Gesamtflotte ist der E-Anteil bei der Post gering, doch bei der Konkurrenz sieht es nicht besser aus. Bei DPD sind es neun von 7500 Fahrzeugen, die elektrisch fahren. Man sei eben noch in der Testphase, teilt das Unternehmen mit Hauptsitz in Aschaffenburg mit. In der meist im Einsatz befindlichen Sprinter-Klasse gebe noch keine geeignet Fahrzeuge, die für größere Zustellbezirke geeignet seien. „Wir sammeln noch Erfahrungen.“ Der globale Express-Zusteller FedEx hat weltweit 364 Hybrid-Transporter und 118 vollelektrische Fahrzeuge im Einsatz – von weltweit 47.500. Die Elektroflotte soll demnächst auf 200 Autos ausgebaut werden.


Einen typischen Makel haben auch die Post-Elektroautos

Der Kopf hinter dem Streetscooter-Projekt der Post, glaubt weiter an den Durchbruch seiner Technik. „Die klare Ausrichtung auf die Gesamtkosten aus Fahrzeugpreis, Kosten für Energie und Service sprachen für uns“, sagt Professor Achim Kampker (38) und betont die Flexibilität seiner Firma: „Es wurden gleichzeitig die Produktion und das Produkt geplant, und das in enger Abstimmung mit den Kunden.“ Das Ergebnis: „An keiner Stelle zu viel, an keiner zu wenig Auto.“ Und so erinnert das Auto auch von außen an einen um etliche Prozent geschrumpften herkömmlichen Kastenwagen.

Seit 2010 baut das Unternehmen aus den Reihen der RWTH Aachen in den früheren Talbot-Werken Fahrzeuge, die zum Tanken an die Steckdose rollen. „Wir wollten den Nachweis erbringen, dass ein Produkt wesentlich schneller und mit deutlich geringeren Investitionen als üblich auf den Markt gebracht werden kann“, berichtet Kampker. „Daraus wiederum leitete sich das Ziel nach bezahlbarer und vor allem wirtschaftlicher Elektromobilität ab.“ Entstanden sei dabei ein robustes Fahrzeug, das allen Herausforderungen standhalten könne, sagt der Gründer. Es sei vor allem auf kurze Strecken ausgelegt.

Steffen Müller nickt. Er ist einer der Zusteller, die mit dem Streetscooter zurzeit ihre Arbeit verrichten. Das Auto ließe sich durchaus sportlich fahren, erklärt Müller, der auf jeder Tour etwa 250 Mal stoppen muss. Die Fahrerkabine ist auf schnelles Ein- und Aussteigen eingerichtet. „Schön ist, dass ich mich nicht mehr so oft bücken muss“, betont Müller mit Blick auf die hohe Ladefläche. „Mein Rücken freut sich.“

Für 80 Kilometer reicht eine Batterieladung. Bei Kälte sei der Verbrauch allerdings ein bisschen höher. Eine geringere Leistungsfähigkeit bei geringen Temperaturen ist ein Manko vieler Elektroautos. Trotzdem gibt es in dem Auto eine Sitzheizun und eine Scheibenheizung.

Die Wunschvorstellung der Projektverantwortlichen: Der gelbe Streetscooter soll künftig in Flotten für die Deutsche Post fahren. Bisher ist der deutsche Marktführer nur mit umgerüsteten Kastenwagen von Renault, Iveco und Mercedes unterwegs. 79 sind es allein am Hauptsitz der Post. „Diese Fahrzeuge aber sind zu schwer“, erklärt Projektleiter Salomon. Haben die Streetscooter ihre Alltagstauglichkeit bewiesen, soll die Aachener Firma einen neuerlichen Zuschlag bekommen, „sofern der Preis stimmt“. Über die Kosten für die elektrische Flotte schweigen sich die Verantwortlichen aber aus.

Bei Streetscooter in Aachen gibt sich Achim Kampker unterdessen zuversichtlich und glaubt an weitere Post-Geschäfte. Es seien bereits weitere Großaufträge eingegangen, betont der Maschinenbau-Ingenieur überdies – ohne Namen zu nennen. Angestrebt sei eine Zahl von 3000 Fahrzeugen im Jahr – für alle Auftraggeber, nicht nur für die Deutsche Post.

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