150 Jahre BASF „Es ist eine Erfolgsgeschichte“

Im Dezember „cancelten“ BASF und Gazprom ein großes Tauschgeschäft. BASF-Vorstandsmitglied Engel schließt aber nicht aus, dass später noch etwas daraus wird. In Russland läuft das Geschäft indes weitestgehend problemlos.

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Ein Tankbehälter mit der Aufschrift „BASF“ auf dem Werksgelände des Chemiekonzerns BASF: Das Unternehmen steht nach 150 Jahren sehr erfolgreich da. Quelle: dpa

BASF-Finanzchef Hans-Ulrich Engel schließt nicht aus, dass der abgesagte Tausch von milliardenschweren Geschäftsteilen mit dem russischen Partner Gazprom zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt wird. In der „geopolitischen Situation“, in der man sich derzeit befinde, sei das zwar wenig wahrscheinlich, sagte Engel in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur zum 150-jährigen Bestehen des weltgrößten Chemiekonzerns. Aber: „Verändern sich die Verhältnisse wieder, dann legen wir uns die Karten neu, sehen uns mit unserem Partner Gazprom in die Augen und überlegen noch einmal.“

BASF und Gazprom hatten den lange vorbereitete Tausch am 18. Dezember überraschend abgesagt und dies mit dem „aktuell schwierigen politischen“ Umfeld begründet. Geplant war unter anderem, dass die BASF-Tochter Wintershall das bislang gemeinsam betriebene Erdgashandels- und Speichergeschäft vollständig an Gazprom überträgt.

Dies hätte den BASF-Umsatz zunächst um fast zwölf Milliarden Euro gemindert. Im Gegenzug war die gemeinsame Erschließung von Gasfeldern in Westsibirien vorgesehen. Die Absage sei zum Bedauern auf beiden Seiten erfolgt, sagte Engel.

Auswirkungen der Ukraine-Krise bekommt die BASF bei ihren Öl- und Gasaktivitäten in Russland nach Engels Angaben weiterhin nicht zu spüren. Die Tochter Wintershall (Kassel) investiert unter anderem in die Erschließung zweier Lagerstätten, beides Projekte mit Gazprom.

„Auf unsere Förderung in Russland wirkt sich die Krise nicht aus. Die Sanktionen gelten für die Felder, an denen wir beteiligt sind, nicht“, sagte Engel. Im russischen Chemiegeschäft des Konzerns habe sich allerdings der abgestürzte Rubelkurs bemerkbar gemacht. Achimgaz ist ein Joint Venture von BASF und Gazprom.

Einem Verkauf der 1969 erworbenen Öl- und Gassparte erteilte er eine Absage. „Es ist eine Erfolgsgeschichte.“ Das Unternehmen sei hochprofitabel und hochwettbewerbsfähig. Dies sei schon vor 15 Jahren so gewesen, als der Ölpreis gerade einmal zehn bis zwölf Dollar betragen habe. Außerdem fließe das verdiente Geld teilweise auch in die Chemieaktivitäten.

Mit großer Besorgnis sehe die BASF die Entwicklung in Syrien, im Irak und in Nordafrika. In Syrien sei das Geschäft praktisch nicht existent. In Libyen fördere die BASF nur etwa ein Drittel der Kapazität, seit 2011 habe es immer wieder Unterbrechungen gegeben.

„Das ist eine ausgesprochen unerfreuliche Entwicklung (...) nicht nur bezogen auf unser Geschäft.“ Wohl und Wehe der BASF hingen aber nicht davon ab, ihre Hauptumsatzträger lägen auf anderen Kontinenten. Gute Noten stellte er Indien aus, das eine „Renaissance“ erlebe. „Es wächst in ähnlichen Größenordnungen wie China.“


„Steamcracker“ und Petrochemikalien

Für den weltgrößten Chemiekonzern BASF war Energie schon immer ein Thema. Um 1970 herum wollte das Unternehmen an seinem Ludwigshafener Standort sogar ein eigenes Atomkraftwerk bauen, aber die Behörden verschärften die Sicherheitsvorschriften, und das Projekt wurde zu teuer.

Das ist nur eine Episode aus der wechselvollen Geschichte des Chemieriesen, der vom Jeans-Farbstoff über Magnetband und Styropor bis zu Düngemitteln und Babywindel-Kunststoff zahlreiche Produkte entwickelt hat. Am 6. April vor 150 Jahren wurde sein Grundstein gelegt.

Das Portfolio hat sich in der Zwischenzeit nicht nur kräftig entwickelt, es wurde auch kräftig umgeformt. Die Düngemittel, ab Beginn des 20. Jahrhunderts lange das wichtigste Produkt, gehören seit ein paar Jahren nicht mehr dazu, ebenso das BASF-Magnetband. „Ein Unternehmen ist kein Museum, in das man einmal die Bilder hängt, um sie dann immer wieder zu betrachtet, sondern befindet sich in ständigem Wandel“, sagt Finanzvorstand Hans-Ulrich Engel.

Wichtigste Branche derzeit ist für die BASF der Automobilsektor, für den sie unter anderem Katalysatoren, Lacke und Kunststoffe herstellt und dem sie 13 Prozent ihres Umsatzes verdankt. Und in Zukunft? „Die Mutter aller Trends ist die demografische Entwicklung“, sagt Engel.

Die Weltbevölkerung wachse und strebe nach besseren Lebensverhältnissen, etwa nach sauberem Wasser oder besserem Wohnraum. Auch nach mehr Autos, etwa in China und Indien. „Und das ist etwas, woran wir teilhaben wollen.“

Dass das weltweit führende Chemieunternehmen ausgerechnet in Deutschland entstand, führt der Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser unter anderem auf das BASF-eigene Produktionsprinzip des „Verbunds“ zurück. Damit wird ein Netzwerk von Betrieben bezeichnet, die über Produktions- und Energieströme verbunden sind und so Rohstoffe und Kosten sparen. Im Zentrum steht jeweils eine Riesenanlage, in der Rohbenzin mit Wasserdampf unter anderem in die Grundstoffe Ethylen und Propylen zerlegt wird.

Allein das Ethylen ist laut BASF Ausgangsstoff für rund 30 Prozent aller Petrochemikalien. Weitere Anlagen verwandeln die Produkte des „Steamcracker“ in Rohstoffe für andere Anlagen. Die Produktion werde so intelligent organisiert, dass es so gut wie keinen Abfall gebe, sagt IG BCE-Landeschef Francesco Grioli.


„Der Welt größte chemische Betrieb!“

Das in Ludwigshafen entwickelte Prinzip wurde ab 1964 exportiert, inzwischen gibt es sechs Verbundstandorte auf drei Kontinenten. „Wir rechnen mit insgesamt einer Milliarde Euro jährlichen Einsparungen, die aus dem Verbundkonzept am Standort Ludwigshafen und an anderen Verbundstandorten resultieren“, sagt Engel.

Hinzu kam laut Abelshauser, dass das Unternehmen nicht nur Produkte verkaufte, sondern vor allem das Know-How, was man mit ihnen machen kann. „Während man am billigsten produziert hat, hat man am teuersten verkaufen können“, sagt der Historiker. Um die Jahrhundertwende herum erreichte den Vorstand dann laut Abelshauser die Nachricht: „Wir sind der Welt größter chemischer Betrieb!“

Die Verbund-Idee war bereits angeklungen, als der Leuchtgasfabrikant Friedrich Engelhorn die „Badische Anilin- & Sodafabrik“ 1865 ins Leben rief. Er wollte aus Teer synthetische Farben gewinnen - ein neues und einträgliches Produkt. Aus Kostengründen sollten die Hilfsstoffe gleich im Werk mitproduziert werden.

„Die BASF reiht sich ein in die Entstehungsgeschichte einer ganz neuen Generation von Branchen“, sagt Abelshauser. Zu diesen „neuen Industrien“, die ab 1860 zuerst in Deutschland entstehen, zählen neben der Großchemie auch Maschinenbau und Elektrotechnik.

Die Kolonialmacht England, die die Industrialisierung zu einer gewissen Perfektion gebracht hatte, kennt diese Entwicklung nicht. Sie konzentriert sich zu dieser Zeit darauf, überall in der Welt zu investieren - mit ihrer Flotte im Rücken, die die Investments sichert.

Die Deutschen wollen auch am Weltmarktboom teilhaben, aber ihnen fehlt die direkte Möglichkeit, im Ausland zu investieren - „sie mussten es über Waren machen, über Produkte machen, die dann auf dem Weltmarkt abgesetzt werden konnten“, erklärt Abelshauser. „Das war sozusagen der deutsche Weg.“

Der Pharmaverkauf von 2001 wird von manchem heute noch kritisch gesehen, denn BASF gab damit auch einen vielversprechenden Anti-Rheuma-Wirkstoff aus der Hand, mit dem der Käufer Milliarden umsetzt. Engel verteidigt die Entscheidung aber. Bei Pharma komme es auf Forschung und Vertrieb an. „Bei beidem waren wir zu klein und hätten einen Quantensprung machen müssen“, sagt er. BASF habe bei Pharma damals auf Rang 30 gelegen.

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