50 Jahre danach Grünenthal entschuldigt sich bei Contergan-Geschädigten

Nach 50 Jahren hat sich die Firma Grünenthal erstmals bei den Contergan-Geschädigten entschuldigt. Eine öffentliche Diskussion weicht die Firma aus. Noch immer sind Prozesse anhängig.

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Als Deutschland vom Contergan-Skandal erschüttert wurde, regierte noch Konrad Adenauer. Die Spannung ist spürbar, als Harald Stock, Geschäftsführer der Firma Grünenthal, die Bühne betritt. In den rot gepolsterten Sesseln des Theatersaals im Stolberger Kulturzentrum sitzen viele Männer und Frauen mit stark verkrüppelten Armen - Opfer des Conterganskandals, der 1961 die Adenauer-Republik erschütterte.

Damals hatte man zunächst geglaubt, die Missbildungen müssten an Atomwaffentests liegen. Dann zeigte sich: Das Schlafmittel Contergan war schuld. Und dessen Hersteller hieß Grünenthal.

Das Unternehmen hat ein schlechtes Image. Als damals, vor mehr als 50 Jahren, die ersten der insgesamt 10 000 verkrüppelten Babys geboren wurden, stritt es zunächst alles ab. Später im Prozess, einem der größten der Nachkriegsgeschichte, vermied es ein Schuldeingeständnis. Und noch vor fünf Jahren versuchte es mit allen juristischen Mitteln, die Ausstrahlung des WDR-Films „Eine einzige Tablette“ zu verhindern. Der Film wurde später mehrfach preisgekrönt.

Immerhin: Stocks Vorgänger Sebastian Wirtz hat sich erstmals mit Contergan-Opfern an einen Tisch gesetzt. Und jetzt hat das Unternehmen das wohl erste Denkmal für die Opfer gesponsert. Für 5000 Euro. Es steht - noch verhüllt - im Foyer.

Es ist sehr still im Saal. Alle Augen sind auf Stock gerichtet. Auch Ferdi Gatzweiler (SPD), der Stolberger Bürgermeister, hat ihn im Blick. Der schwergewichtige Mann hat zuvor in rheinischem Tonfall wortreich verteidigt, warum die Stadt der Aufstellung des Denkmals zugestimmt hat. „Allein die Medienpräsenz zeigt mir nochmals eindeutig die Wichtigkeit dieses Themas.“ Anfangs, das lässt er durchblicken, konnte er sich nicht so recht damit anfreunden. Aber der Initiator Johannes Igel, selbst ein Contergangeschädigter, hat ihn überzeugt. Tatsächlich war es allein Igel, der die Idee zu dem Denkmal gehabt und es dann auch durchgeboxt hat. Zum großen Ärger des Bundesverbands Contergangeschädigter. Der spricht von einer zynischen PR-Aktion Grünenthals.

Stock trägt als einer von nur sehr wenigen im Saal Anzug und Krawatte. Ein hagerer Managertyp. Aber er spricht mit bedächtiger, ruhiger Stimme. Er bedankt sich, an dieser Stelle reden zu dürfen. Die Bereitschaft, ihm, einem Grünenthal-Vertreter, zuzuhören, zeuge von Größe. Stock lobt Herrn Igel, der ein wirklich mutiger Mann sei.

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