Abgasskandal und die Folgen Opel erklärt seinen Diesel

Die Deutsche Umwelthilfe wirft Opel vor, beim Diesel betrogen zu haben. Der Hersteller wehrt sich nun mit einem umfangreichen Statement, das eine wichtige Frage aufwirft: Wie sauber kann der Diesel überhaupt sein?

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Wie schmutzig ist der Opel-Diesel tatsächlich? Quelle: dpa

Düsseldorf Die Vorwürfe sind schwerwiegend. Reporter des „Spiegels“ und des ARD-Magazins Monitor hatten mit der Unterstützung der Deutschen Umwelthilfe vier Abschalteinrichtungen in den Opel Modellen Zafira und Astra identifiziert, die dafür sorgen sollen, dass die Motoren deutlich schmutziger arbeiten, als es gesetzlich vorgeschrieben. „Ich werfe Opel-Chef Karl-Thomas Neumann die Täuschung von Behörden und Verbrauchern vor“, polterte Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe noch am Donnerstag.

Opel dementierte die Berichte zwar früh, blieb aber lange eine Erklärung schuldig, warum man sich im Recht wähnt. Erstmals geht der Hersteller nun detaillierter auf die Vorwürfe ein – und formuliert darin auch massive Zweifel an der Kompetenz seiner Kritiker. Die Vorwürfe basieren nach Ansicht des Herstellers „auf irreführenden, übermäßigen Vereinfachungen und Fehlinterpretationen der komplexen Zusammenhänge eines modernen Diesel-Abgasreinigungssystems“.

Dem Experten Felix Domke, der verschiedene Abschalteinrichtungen in der Motorensteuerungs-Software gefunden hatte, wirft der Autobauer indirekt eine mangelnde Kenntnis der Materie vor. „Die Informationen sind für Fachleute nicht überraschend“, heißt es in Opels Statement. „Die Erkenntnisse entsprechen den physikalischen Bedingungen, die für das Arbeiten des Systems maßgeblich sind.“

Darum nutze ausnahmslos jeder Hersteller verschiedene Parameter – wie unter anderem Geschwindigkeit, Luftdruck und Drehzahl, um die Abgasreinigungssystems im Motorsteuerungssystem zu regulieren – auch Opel. Dies sei aber keinesfalls illegal. „Keiner der bei Opel angewandten Parameter hat das Ziel, die gesetzlichen Anforderungen zu brechen oder zu umgehen“, heißt es.

Insgesamt käme eine moderne Motorensteuerung auf 17.000 solcher Parameter, Domke habe vier davon isoliert und fehlinterpretiert. „Die Schlussfolgerungen daraus zeigen ein fehlendes Verständnis physikalischer Gesetzmäßigkeiten, die das System berücksichtigen muss.“

Bei seinen Erklärungen geht der Hersteller auch auf die Details ein und erklärt dabei, warum die genannten Dieselmotoren die Abgasreinigungen unter bestimmten Bedingungen herunterregelt. Ganz konkret arbeitet sich der Hersteller an den verschiedenen Vorwürfen ab, die ihm unter anderem von der Deutschen Umwelthilfe gemacht werden.

Zunächst antwortet der Hersteller auf den Vorwurf, dass die Abgasreinigung bei 145 Stundenkilometern abgeschaltet werde. Der Hersteller begründet das mit der Funktionalität des Harnstoff-Katalysators. Dieser reinigt die Abgase mit harnstoffhaltigem Adblue. Bei hohen Temperaturen über 400 Grad, wie sie bei hohen Geschwindigkeiten entstehen, könne das umweltschädliche Ammoniak nicht mehr im Katalysator gespeichert werden.

Bevor es zu umweltschädlichen Emissionen kommt, werde die Zufuhr begrenzt – was wiederum zu einem höheren Ausstoß von gesundheitsschädlichem Stickoxid führt. „Dass Stickoxid-Katalysatoren dieser Physik gehorchen, ist in der Branche absolut üblich“, erklärt der Hersteller. Übersetzt heißt diese Argumentation, dass jeder Diesel mit dem SCR-Kat bei hohen Geschwindigkeiten nicht vollständig sauber sein kann und entweder Ammoniak oder Stickoxid ausstößt, was für eine Geschwindigkeitsbegrenzung für Diesel-Fahrzeuge sprechen würde.


Im Gebirge ist der Diesel nicht sauber

Die Abschaltung bei niedrigem Luftdruck begründet der Hersteller mit dem „sicheren Betrieb in Höhenlagen“. Demnach braucht der Motor für die Verbrennung genügend Sauerstoff, damit nicht übermäßig viel Dieselruß entsteht, der den Motor schädigt. Darum werde die Rückführung von Abgasen in den Verbrennungsprozess reduziert. „Diese Maßnahme den Motor zu schützen, ist ein geeigneter Mechanismus innerhalb des Systems“. Heißt übersetzte: auch im Gebirge ist der Diesel nicht sauber. Immerhin verspricht der Hersteller Besserung. Durch eine „freiwillige Verbesserungsmaßnahme“ wolle man die „Systemleistung bis zu einem Umgebungsdruck von 840 mbar verbessern“.

Den Vorwurf, dass die Abgasreinigung des Opel-Diesels bei hoher Drehzahl abgeschaltet wird, weißt der Hersteller zurück. „Die Motorsteuerung unterscheidet zwischen einem niedrigen und einem hohen Drehzahlbereich des Motors. Bei 2.400 Umdrehungen pro Minute wird zwischen den Modi umgeschaltet“, heißt es. Das System arbeite aber auch auch bei höheren Motor-Drehzahlen weiter. Durch die Funktionalität der Abgasrückführung sei die Abgasreinigung aber physikalisch begrenzt. Bei „bestimmten Zuständen des Brennraumes“ führe die Abgasrückführung damit „zu ungewünschten Emissionseffekten oder Instabilität der Verbrennung“.

In seinem Statement gesteht Opel ein, dass die Abgasreinigung unterhalb von 17 und oberhalb von 33 Grad nicht funktioniert. Man wehrt sich aber gegen den Vorwurf, das Kraftfahrtbundesamt angelogen zu haben mit der Aussage, dass das System ansonsten „vollumfänglich“ funktioniere. Diese Aussage habe sich auf den gesetzlich vorgeschriebenen Zyklus NEFZ bezogen – und im gesetzlichen Standardtest liegen Temperatur und Luftdruck im idealen Bereich – hohe Geschwindigkeiten und Drehzahlbereiche werden nicht erreicht.

Das habe man gegenüber der Behörde auch transparent dargestellt. „Bereits im Oktober haben wir dem KBA eine komplette Dokumentation übergeben. Auch in unserer schriftlichen Stellungnahme im Rahmen des Anhörungsverfahrens haben wir auf weitere Parameter, wie z.B. Luftdruck, hingewiesen“, schreibt Opel.

Dass die Diesel-Fahrzeuge des Herstellers zu weiten Teilen völlig ohne Abgasreinigung auf der Straße unterwegs sind, weist der Hersteller massiv zurück. „Die Behauptung der DUH, dass die Abgasreinigung 80 Prozent der Zeit nicht funktioniert, ist grob falsch“, heißt es in der Stellungnahme. Um das zu untermauern werde man dem KBA „unsere sämtlichen Motor-Management-Funktionalitäten, inklusive Algorithmen und Kalibrierungen, offenlegen“.

Trotz der jüngsten Diskussionen wolle man aber am Diesel festhalten. „Wir wünschen uns daher eine sachliche Diskussion über die Zukunft des Dieselmotors“, schreibt Opel und verspricht, die Wirksamkeit der SCR-Diesel nachzubessern, und dabei „an die physikalischen Grenzen“ zu gehen. Vor allem legt das Statement von Opel aber auch schonungslos offen, welche Schwäche selbst moderne Dieselmotoren noch mitbringen. Spätestens mit den jüngsten Enthüllungen ist die Diskussion um den Diesel neu entbrannt.

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