Absatzziele verfehlt Produktionsprobleme belasten Tesla

Die kalte Dusche kam nach einem siegestrunkenen Wochenende: Die Vorstellung des Model 3 geriet noch zum Triumph. Doch im Tagesgeschäft von Tesla häufen sich die Pannen. Die aktuellen Zahlen sorgen für Ernüchterung.

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Der Tesla-Chef bei der Vorstellung des Tesla Modell 3 Ende März. Quelle: AP

San Francisco Wenigstens 16.000 Teslas sollten zwischen Januar und März an die Kunden ausgeliefert werden. Das hatte Elon Musk noch im Februar versichert. Damit sollten Anleger und Gläubiger darüber hinwegtröstet werden, dass der Rekord von 17.400 Einheiten vom Schlussquartal 2015 nicht wieder erreicht wird.

Doch am Montag kam die Ernüchterung. Nur 14.820 der begehrten Elektroautos fanden ihren Weg zu den Kunden. Nachbörslich gab die Tesla-Aktie in New York ihre Tagesgewinne vollständig wieder ab.

Tesla war klar, dass man diese Zahlen nicht unkommentiert stehen lassen durfte. In einer Mitteilung gab es „wegen der ungewöhnlichen Umstände des Quartals“ zusätzliche Informationen, die es üblicherweise in Quartalsausweisen nicht gebe, so Konzernchef Elon Musk.

Die Probleme hatten mit Zulieferern und genau sechs Bauteilen des Model X zu tun. Sie seien nicht in genügender Menge zu bekommen gewesen. Mangelnde Qualitätskontrolle bei Zulieferern, ungenügende In-House-Expertise, um Teile selbst zu produzieren und eine „unentschuldbare Selbstüberschätzung“ zu viele technische Gimmicks schon in die erste Serie einbauen zu wollen, hätten zu dem schlechten Ergebnis geführt.

300.000 Vorbestellungen dürften es in den nächsten Tagen werden

Doch die Jahresprognose von 80.000 bis 90.000 Fahrzeugen hält Musk ausdrücklich aufrecht. Er hat also drei Quartale Zeit, um 65.000 Autos auszuliefern, damit er nur die Untergrenze seines Absatzziels ankratzt. Daher sollte ab jetzt besser jedes Quartal ein Rekordquartal sein.

Die Chancen dafür sind da, versichert der Vorstandschef. Die Bestellungen für das Flaggschiff, das Model S mit einem Preisschild von 70.000 Dollar aufwärts, hätten im Quartal 45 Prozent über Vorjahr gelegen. Die Produktion laufe jetzt „planmäßig“.

Vor allem eines versprach Musk: „Tesla adressiert alle Grundübel, um sicherzustellen, dass diese Fehler mit dem Model-3-Start nicht wiederholen werden.“

Die Meldungen werden mindestens 276.000 Tesla-Fans mit gemischten Gefühlen aufgenommen haben. So viele Vorbestellungen hatte es für das Model 3 bis zum Samstag bereits gegeben. Bereits am Wochenende orakelte Musk per Twitter: „Ich werde definitiv nochmal über unsere Produktionsplanung nachdenken müssen.“

Die Marke von 300.000 Vorbestellungen dürfte in den nächsten Tagen geknackt werden. Und das obwohl noch kein einziger Käufer das Modell, das erst nächstes Jahr in Produktion gehen soll, gesehen hat oder eine Probefahrt machen konnte.


Begehrlichkeiten geweckt

Es ist eine Zahl, die einmalig ist in der Geschichte des Autobaus, aber auch eine, die man nicht überschätzen sollte. Immerhin ist eine Vorbestellung noch kein produziertes Auto, ja nicht einmal ein verkauftes. Wer stornieren will, kann das immer noch tun. Der Durchbruch von Tesla im Volumensegment ist damit noch lange nicht sicher.

Doch die schiere Zahl der Vorbestellungen ist auch ein Hinweis darauf, was für eine starke Marke Tesla mittlerweile aufgebaut hat. Denn der Hype um das jüngste Modell des Elektropioniers ist mit technischem Vorsprung kaum zu erklären. Weder der Preis von 35.000 Dollar, noch die Reichweite von 350 Kilometern sind im Markt konkurrenzlos.

Doch Konkurrenten wie der BMW i3 und der Chevrolet Bolt können bisher nur neidisch auf die Orderbücher von Tesla schauen. Selbst wenn die Hersteller betonen, dass weitere Tesla-Fighter bereits in Planung sind: Es ist nicht die Technologie, die den Etablierten fehlt, sondern das Image.

Tesla muss personell massiv aufrüsten

„Elon Musk hat es geschafft, wieder Begehrlichkeiten für Autos zu schaffen“, sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM) der FHDW Bergisch-Gladbach. Tatsächlich sind die langen Schlangen vor den Tesla-Stores der beste Beweis dafür. Musk inszeniert die elektrische Mobilität als Lifestyle, das Model 3 ist nicht nur ein Auto, sondern ein Statement. Doch nun müsse es Musk auch gelingen, die hohen Erwartungen zu erfüllen, meint Bratzel. „Das Model 3 wird der Lackmustest für Tesla.“

Die am Montag offenbarten Probleme dürfen sich also definitiv nicht wiederholen. Mit 50.000 produzierten Fahrzeugen habe Tesla noch „fast den Charakter einer Manufaktur“, so Bratzel. Mit steigenden Stückzahlen müsse sich Tesla stärker an die Regeln der Branche anpassen. Kennziffern wie Auslastung werden in Zukunft wichtiger.

Um das Produktionsziel von 500.000 Fahrzeugen zu erreichen, müsse Tesla auch personell massiv aufrüsten. Die Fabrik in Fremont, die Tesla einst von Toyota übernahm, soll nach den Plänen von Musk bis an die Kapazitätsgrenze gehen. Unter Toyota waren das 500.000 Autos pro Jahr.

Neue Produktionsstätten, unter anderem in China, hat Tesla längst geplant. Zusätzlich bauen die Amerikaner weiter an ihrer Gigafactory für Batterien, um Kostenvorteile zu realisieren.


Einige Analysten misstrauen der Hochstimmung

Mit dem Einstieg ins Volumengeschäft werden auch die Ansprüche an das Supercharger-Netz, den Vertrieb und den Service steigen. Das ist Musk längst klar. Nicht umsonst kündigte er bei der Präsentation des Model 3 an, die Zahl der Shops und der Ladestationen deutlich ausbauen zu wollen. Kurzum: die Investitionen dürften in den kommenden Jahren weiter steigen. Schon 2015 hatte Tesla einen Verlust von 880 Millionen Dollar ausgewiesen. „Umso wichtiger wird es sein, mit dem Model 3 Geld zu verdienen, damit die Verluste nicht ausufern“, sagt Bratzel.

Die Euphorie um das Model 3 hatte die Aktie auf ein Allzeithoch bei fast 250 Dollar getrieben. Doch einige Analysten misstrauen der Hochstimmung. Brian Johnson, Autoexperte der britischen Bank Barclays warnt in einer Analyse sogar vor einer „Atmosphäre wie am Schwarzen Freitag“ – und weist damit auf eine mögliche Blase hin. Immerhin habe es Tesla schon bei vorangegangenen Modellen nicht geschafft, den vereinbarten Termin einzuhalten.

Vorschusslorbeeren wirken sich positiv aus

Andere sind optimistischer: In einem Report kommt Morgan Stanley zu dem Schluss, dass Tesla nun damit beginnen könnte, die Autobranche umzukrempeln. „Wir haben bisher immer betont, dass Tesla – trotz der vielen Fortschritte – noch nicht wirklich disruptiv in der Autoindustrie gewirkt hat”, schreiben die Analysten der britischen Bank. „Wir haben das Gefühl, dass sich das nun ändern könnte.“

Und auch auf die Finanzierung des Autobauers haben sich die Vorschusslorbeeren der Anleger positiv ausgewirkt. Würde jeder, der vorbestellt hat, auch tatsächlich ein Model 3 kaufen, könnte Tesla mit Einnahmen von rund zehn Milliarden Dollar rechnen. 1.000 Dollar beziehungsweise Euro müssen die Kaufinteressenten heute schon vorweisen. Ohne auch nur ein Auto gebaut zu haben, hat Tesla damit bislang 276 Millionen Dollar eingesammelt.

Das Geld will man vorerst nicht anrühren, heißt es aus dem Unternehmen. Immerhin muss der Vorschuss zurückgezahlt werden, wenn die Bestellung storniert wird. Aber es ist ein gutes Polster und immerhin sogar mehr, als 2010 beim Börsengang eingesammelt wurde. Das soll Elon Musk erst mal einer nachmachen.

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