Abschied vom Süßwarengeschäft Warum Nestlé Vitamine statt Zuckerbomben will

Nestlé-Süßigkeiten in einer Schale Quelle: REUTERS

Nestlé-Chef Mark Schneider treibt die Neuausrichtung des Konzerns mit Hochdruck voran. Fast im Wochentakt kaufen und verkaufen die Schweizer Marken und Unternehmen, um sich ein profitableres und gesünderes Sortiment aufzubauen.

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Jetzt geht es Schlag auf Schlag. Nachdem der Nestlé-Konzern mit Sitz in Vevey in der Schweiz schon vor wenigen Tagen seine australische Schokoriegelmarke Violet Crumble an ein dortiges Familienunternehmen verkauft hatte, folgt nun das gesamte US-amerikanische Süßwarengeschäft. Gerechnet wurde damit schon seit mehreren Wochen - jetzt ist es amtlich: Die Geschäftsaktivitäten gehen für umgerechnet 2,4 Milliarden Euro an den italienischen Nutella-Hersteller Ferrero.

Der neue Nestlé-Chef Mark Schneider hatte das US-Süßwarengeschäft neben einigen anderen Aktivitäten ins Schaufenster gestellt. Der Nahrungsmittelkonzern will unter der Führung des seit Anfang vergangenen Jahres amtierenden Konzernchefs deutlich profitabler werden und gesündere Produkte anbieten. Vom Umsatz sollen bis 2020 zwischen 17,5 und 18,5 Prozent als operativer Gewinn übrig bleiben. 2016 betrug diese operative Ergebnismarge 16 Prozent.

Der frühere Fresenius-Lenker will das Wachstum beschleunigen und setzt dabei vor allem auf das vielversprechende Gesundheitsgeschäft. Schokoriegel und Eiscreme passen nicht mehr zu dieser Strategie. Aber Vitamine: Im Dezember schluckte Nestlé für 2,3 Milliarden Dollar den kanadischen Vitaminhersteller Atrium Innovations.

Nestlé erhofft sich von dem Kauf des Vitamin-Herstellers weitere Wachstumsmöglichkeiten im Bereich Consumer Healthcare. Atrium vertreibt Nahrungsergänzungsmittel wie Multivitaminpräparate, Proteinnahrung oder Mahlzeitenersatz. Die wichtigste Atrium-Marke „Garden of Life“ sei Marktführer im Bereich natürliche Nahrungsergänzungsmittel in den USA. Atrium dürfte Nestlé zufolge dieses Jahr nahezu 700 Millionen Dollar Umsatz erwirtschaften.

Zudem soll Nestlé angeblich der Favorit für die Übernahme des Geschäfts mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten des Darmstädter Merck-Konzerns sein. Nestlé will abseits des Süßwarengeschäfts in den USA durchaus weiter investieren und auf Innovation setzen. Dies gilt für Kategorien, bei denen der Konzern bereits eine Führungsposition hat, etwa bei Produkten für Heimtiere, Wasser, Kaffee, Tiefkühlkost und Säuglingsnahrung.

Diese Lebensmittel sind wahre Zuckerbomben
Ein Mars-Schokoriegel... enthält wirklich sehr viel Zucker - umgerechnet 13 Stück Würfelzucker stecken in einem einzelnen Riegel. Die empfohlene Tagesmenge an Zucker für einen erwachsenen Menschen liegt laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) übrigens bei rund acht Würfeln, also etwa 25 Gramm. Wir legen zugrunde, dass ein Stück Würfelzucker drei Gramm wiegt. Quelle: dpa
Eine Dose AnanasFangen wir damit an, was unbestritten dieser Frucht zugeschrieben werden kann: Sie ist ballast- und mineralstoffreich. Und sie soll gegen Entzündungen helfen und das Blut schneller fließen lassen. Das waren dann aber auch schon alle Vorteile: Denn gerade Ananas aus der Dose ist voller Zucker. Auf 100 Gramm kommen immerhin vier Stück Würfelzucker. Quelle: Fotolia
Ein Glas Cola... enthält 18 Gramm Zucker. Das entspricht etwa sechs Würfeln. Quelle: AP
Ein Glas Saft... gehört zu den größten Zuckerfallen. Alleine in 200 Millilitern Apfelsaft sind 20 Gramm Zucker enthalten. Quelle: dpa
Ein Glas Milch... scheint auf den ersten Blick gesund - und Milch hilft in der Tat sogar beim Abnehmen. Ein Forscher-Team der Ben-Gurion-University in Be'er Sheva hat herausgefunden, dass Menschen, die täglich 180 Milliliter Milch zu sich nehmen, schneller abnehmen Das liegt daran, dass Calcium und Vitamin D die Fettverbrennung ankurbeln. Nichtsdestotrotz sind auch in einem Glas Milch immerhin noch umgerechnet drei Würfel Zucker enthalten. Quelle: dpa
Fruchtzwerge-Packungen Quelle: ZB
Eine Flasche Ketchup... fasst insgesamt 43 Stück Würfelzucker - das entspricht 130 Gramm. Wussten Sie nicht? Vielleicht suchen Sie beim nächsten Grillen nach gesünderen Alternativen. Quelle: AP

Schon im Laufe des vergangenen Jahres hatten die Schweizer mit dem britischen Eishersteller R&R Ice Cream ein Gemeinschaftsunternehmen namens Froneri gegründet, in das Nestlé Eiscrememarken wie Schöller eingebracht hatte. Aber auch Sortimente abseits von Zucker, Eis und Schokolade müssen weichen. So hatte ebenfalls erst vor wenigen Wochen die US-Tochter Nestlé Waters North America die Teemarken Sweet Leaf Tea und Tradewinds an die Beteiligungsgesellschaft Fireman Capital Partners und an den Getränkehersteller Dunn's River Brand verkauft. Die Zürcher Kantonalbank schätzte den Verkaufspreis auf rund 100 bis 200 Millionen Franken.

Nestlé hatte die beiden Marken 2011 nach Angaben der Bank für rund 100 Millionen Franken übernommen. Eine für Nestlé insgesamt sehr kleine Transaktion, die aber deutlich zeigt, dass sich Nestlé nach wenigen Jahren wieder aus einer Wachstumsnische verabschiedet, weil der Konzern offensichtlich die kritische Größe nicht erreicht hat.

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