Agco-Chef Richenhagen "Die Sozialisierung in der DDR beeinflusst Angela Merkels Sicht auf Russland"

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"Wir haben bei der Osterweiterung der Nato große Fehler gemacht"

In der Autoindustrie gab es gerade viel Diskussionen um Hacker, die selbstfahrende Autos manipulieren. Wie sicher sind ihre Traktoren?

Wenn das bei Autos geht, ist das bei Traktoren natürlich auch möglich. Angreifer könnten versuchen, einen Traktor vom Feld in ein anderes Land zu schicken und da zu vermarkten. Wir müssten einen Hacker einstellen, damit wir verstehen, wo diese Hacker angreifen. Das weiß ja bei uns gar keiner.

Autonome Erntehelfer
Eine landwirtschaftliche Maschine auf einem Feld Quelle: Claas
Traktoren mit Lenksystem Quelle: Claas
Agrobot, mechanischer Erntehelfer Quelle: Agrobot
Feldroboter Quelle: David Dorhout
Ein Flugroboter wird über einem Feld fliegen gelassen Quelle: dpa
Satellitenbild Quelle: NASA astronauts
Ein Landwirt ruft Daten in einem Traktor ab Quelle: Claas

Auch Industriespione versuchen, über vernetzte Maschinen an Daten zu kommen.

Ja, wir hatten schon mehrfach Angriffe auf unsere IT. Wir wissen allerdings nicht, wer genau dahinter steckt. Die Vermutung ist, dass es Angreifer aus China sein könnten. Wir arbeiten da sehr eng zusammen mit dem FBI.

Und worauf zielten diese Angriffe?

Auf unser Werk in Kansas, dort wurden Produktinformationen und technische Spezifikationen und Lieferanteninformationen abgezapft. Wir haben sofort nachgerüstet und eine Software installiert, die diese Angriffe entdeckt, eine Art Einbruchsicherung. Aber auch dadurch ist man nicht komplett geschützt, man wird nur über Angriffsversuche informiert. Viele Manager nehmen dieses Thema noch viel zu sehr auf die leichte Schulter, das muss zum Chef-Thema werden.

Verbrechen 4.0 - das ist möglich

Als Landwirtschaftsmaschinenhersteller geht es Ihnen gerade nicht sehr gut: Im vergangenen Jahr ist der globale Markt um rund zehn Prozent eingebrochen. Wie lange wird diese Tiefphase noch anhalten?

Dieses Jahr erwarten wir noch mal einen Rückgang in derselben Größenordnung, und nächstes Jahr wird es wohl auch nicht besser. Viele in der Branche sagen: Es hat noch nie eine Rezession in diesem Markt gegeben, die länger als zwei Jahre gedauert hat. Aber ich bin da vorsichtiger. Landwirte investieren nur, wenn sie ein gutes Einkommen haben. Und die Preise für die Getreide und die anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind immer noch niedrig. Wichtiger ist aber noch ein anderer Faktor: In großen Märkten gibt es eine große politische Unsicherheit, wie durch die schlechte Wirtschaftslage in China, Brasilien, Frankreich oder auch durch die Sanktionen gegen Russland.

Wie sehr ist ihr Geschäft von den Sanktionen gegen Russland und dem russischen Einfuhrverbot von Lebensmitteln betroffen?

Wir sind von den Sanktionen nicht betroffen, trotzdem leidet unser Geschäft unter dem schwachen russischen Konsum. Schlimmer sind aber die Kollateralschäden: Die europäische Landwirtschaft leidet sehr unter den Einfuhrverboten. Polen zum Beispiel ist der zweitgrößte Apfelproduzent nach Neuseeland, neunzig Prozent der Ernte gingen nach Russland. Aber mit den Sanktionen geht das nun natürlich nicht. Die Landwirte dort kaufen jetzt nicht unbedingt neue Maschinen von uns.

Die Sanktionen der EU und USA gegen Russland

Die EU hat die Sanktionen nun noch einmal verlängert. War das die richtige Entscheidung?

Ich halte Sanktionen für ein veraltetes Mittel der Politik. Die Beispiele Iran und Kuba haben gezeigt, dass Sanktionen nichts bringen. Es gibt niemanden, der sich in der Wirtschaft über diese Sanktionen freut. Für Deutschland ist das schädlich. Das einzige, was etwas bringt, ist sich zu unterhalten. Wer Putin kennt, weiß, dass er auf Druck überhaupt nicht reagiert. Da scheint die Bundeskanzlerin allerdings völlig anderer Meinung zu sein. Ich glaube, Angela Merkel hat aufgrund ihrer Sozialisierung in der DDR da eine etwas spezielle Sicht. Die negativen Erfahrungen aus dieser Zeit beeinflussen die Art und Weise, wie sie über Russland denkt.

Welche Fehler hat die Kanzlerin in ihren Augen gemacht?

Wir haben bei der Osterweiterung der Nato große Fehler gemacht. Nach der deutschen Wiedervereinigung gab es die informelle Übereinkunft, dass sich das Nato-Gebiet nicht weiter ausweiten würde. Als man weitere Staaten aufnehmen wollte, hätte man die Russen einbeziehen müssen, zum Beispiel über einen Beirat. Vor der Ukraine-Krise waren wir kurz davor, eine russisch-deutsche Freundschaft einzuläuten. Das haben wir leichtsinnig auf Spiel gesetzt.

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