Es ist einer der größten Feiertag für die europäische Luftfahrtbranche wenn die französische Luftwaffe heute im spanischen Sevilla offiziell ihren ersten Militärtransporter Airbus A400M übernimmt. Neben EADS-Chef Tom Enders und seiner Königliche Hoheit, dem Prinz von Asturien, kommen der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian sowie weitere prominente Politiker und Luftfahrtmanager.
Und obwohl das Flugzeug mehr als fünf Jahre später kommt als geplant, werden alle das Flugzeug loben: Es fliegt nicht nur effizienter als alle Konkurrenten und schafft dabei ebenso schier unglaublich enge Kurven wie Starts auf weichen Graspisten mit weniger als einem Kilometer Länge. Dazu ist es ein Musterbeispiel europäischer Rüstungskooperation, denn während sich Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien bei anderen Systemen Kampfflugzeugen und Panzern noch nach Kräften mit eignen Modellen weltweit die Kunden abjagen, arbeiten sie beim Militärtransporter zusammen.
Doch leider ist der Flieger auch in anderer Hinsicht ein Beispiel für europäische Kooperation: Nämlich wie man Waffen und besonders Flugzeuge besser nicht baut: Airbus stellte zu ambitionierte Vorgaben auf, veränderte diese ständig, lies sich von Politiker reinreden und übernahm trotz eines zu niedrigen Preises fast das komplette Risiko. Bei allem schaffte es der Konzern dennoch die technischen Wunder rechtzeitig hinzubekommen. „Im Prinzip ist der sicherste Weg ein erfolgreiches Flugzeug zu bauen, in möglichst vielen Dingen abseits der reinen Technik das Gegenteil vom A400M zu tun“, lästert etwa der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.
Begonnen hatte die Sache mal vielversprechend. Im Jahr 1982 begannen die Vor-Vorläufer-Firmen der EADS, British Aerospace (heute BAE) und Lockheed (noch ohne Martin) die Arbeit für einen transatlantischen Transporter, der sowohl die C-130 Hercules aus den USA als auch die deutsch-französische Transall C-160 ersetzen sollte. Doch schon damals knirschte es. Weil jedes Land andere Fertigkeiten erwartete und sich einen möglichst großen Arbeitsanteil sichern wollte, kam das Projekt kaum voran. So stieg Lockheed 1989 aus und renovierte lieber seine C-130.
Erster Fehler: Zu vielseitig
Als sich die verbliebenen Länder und Unternehmen mit den Neulingen Italien und Spanien dann zur Jahrtausendwende endlich geeinigt hatten, war der Flieger zu einem extrem anspruchsvollen Projekt geworden. Als „Eierlegende Wollmilchsau“ sollte der Alleskönner nicht nur auf besseren Waldwegen landen und extreme Manöver abkönnen wie sehr enge Kurven oder steile Landungen der Gattung „kontrollierter Absturz“. Besonders Deutschland und Frankreich wollten, dass die Wundermaschine sowohl besonders langsam und tief fliegen kann als auch besonders schnell und hoch. Und sie wollten den Panzertransporter nicht nur im Flug betanken können, sondern auch als fliegende Tankstelle für andere Maschinen wie Kampfjets nutzen.
Wie oft das in der Praxis gebraucht wurde, war nicht entscheidend. Denn die Ansprüche hatten eine Nebenfunktion. Sie dienten den Luftwaffen und dem inzwischen zur EADS & Co. konsolidierten Hersteller-Konsortium auch dazu, unliebsame Konkurrenz abzuwehren. Denn angesichts der hohen Kosten, forderten nicht zuletzt deutsche Parlamentarier, statt des A400M lieber günstigere aber technisch überholte Transporter aus den USA oder Russland zu kaufen. Das ließ sich mit den anspruchsvollen Vorgaben jedoch trefflich verhindern. Denn die Technik hielten Hersteller zwar für schwierig genug, doch am Ende beherrschbar.
Technische Daten zum A400M
45,1 Meter
42,4 Meter
14,7 Meter
76,5 Tonnen
37 Tonnen für 116 Passagiere oder 66 Krankenliegen oder ein gepanzertes Fahrzeug
50,5 Tonnen
780 Stundenkilometer
4500 Kilometer mit 30 Tonnen Zuladung oder 8700 Kilometer leer
Zweiter Fehler: Änderungswünsche
Während Hersteller bei Zivilflugzeugen nach dem Ende der Designphase nur minimale technische Anpassungen erlauben, gestattete die EADS beim A400M die bei Rüstungsprojekten üblichen reihenweisen Änderungen. Und am Ende wollte natürlich jedes Land - wie bei allen Projekten, bei denen zwischen Idee und Bau Jahrzehnte vergehen - immer mehr technische Neuerung. Die meisten waren für sich genommen zwar klein. Am Ende aber summierten sie sich und schlossen sich teilweise sogar aus. Für eine Landung im Staub braucht die Maschine eine Propellertriebwerk, weil ein Düsenmotor zu viel Schmutz einsaugt. Gleichzeitig sollte die Maschine aber lange Strecken und möglichst schnell fliegen, doch ein Propeller schafft beim besten Willen mit gut 700 km/h nur 100 Stundenkilometer weniger als ein Jet und setzt die Maschine in kräftige Schwingungen. Also mussten vier besonders kraftvolle Propellermotoren her, die sich jedoch am Flügel nicht parallel, sondern gegeneinander drehen mussten, damit es den Flügel nicht langsam aber sicher zermürbte. Am Ende war das Flugzeug fast schon zu vielseitig.
Dritter Fehler: Zu Europäisch
Doch der Einfluss der Länder ging noch weiter. Denn die Staaten wollten nicht nur Geld geben, sondern auch möglichst viele Arbeitsanteile und Jobs in ihre Länder holen – egal ob ihre heimischen Firmen dafür gerüstet waren oder nicht. Bestes Beispiel war das Triebwerk. Die EADS wollte es ursprünglich beim Weltmarktführer in Sachen Propeller kaufen, der in Kanada ansässigen Propeller-Tochter des US-Triebwerksriesen Pratt & Whitney. Doch das verboten die europäischen Auftraggeber und verordneten stattdessen ein pan-europäisches Konsortium um die MTU aus München, die britische Rolls Royce und Snecma aus Frankreich, die allesamt vorwiegend Jet-Erfahrung hatte. Der Crash-Kurs der Propeller-Lehrlinge endete wie erwartet mit Problemen beim Umsetzen der extrem breiten Ansprüche. Als es dann krachte und der Motor nicht fertig wurde, wiesen sich die Unternehmen erst mal gegenseitig die Schuld zu, bevor sie das Problem lösten.
Vierter Fehler: Zu niedriger Preis
Spätestens die Propellerprobleme machten klar, dass EADS die Flugzeuge deutlich zu billig verkauft hatten. Am Ende sollte jede ursprünglich 198 bestellten Maschinen nur etwa 100 Millionen Euro kosten. Das ist deutlich weniger als Airbus auch nach Abzug der üblichen Rabatte etwa für den ungefähr gleich großen Passagierjet A330 verlangt, der technisch deutlich einfacher gestrickt ist.
Der A400M-Preis ruhte auf der Hoffnung, mehrere hundert der Wundervögel außerhalb Europas zu verkaufen. Das damit verdiente Geld hätte einen Teil der Entwicklungskosten bedeckt. Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Zwar hat Südafrika im Dezember 2004 ebenso acht Flieger bestellt wie Malaysia im Dezember 2005. Doch weitere Aufträge aus Kanada und Chile verliefen im Sand. Auch um die Idee der USA, 118 Maschinen zu kaufen wurde es still. Stattdessen schmolz das Auftragspolster stetig. Südafrika hat seine Flieger bereits abbestellt und wer nicht abbestellte, reduzierte seine Order. Deutschland etwa nimmt statt 60 Flieger nur noch 53, von denen wiederum 13 an andere Länder abgestoßen werden sollen. Und bis diese sowie die von Spanien angebotenen 13 Maschinen einen Abnehmer haben, können die Airbus-Verkäufer eigentlich Däumchen drehen.
Fünfter Fehler: Überfordertes EADS-Management
So richtig entfalten konnte sich das ganze Durcheinander, weil der A400M bei der EADS seinerzeit nicht nur die Ingenieure, sondern auch das Management überforderte. In ihrer Euphorie, endlich ein großes europaweites Vorzeigeprojekt auf die Beine gestellt zu haben, unterschrieben die Verantwortlichen einen Liefervertrag, der in vielen Bereichen zum Nachteil des Unternehmens war. „Im Grunde galt: Der Kunde darf alles, vor allem ändern – und wir nichts, außer das Risiko tragen“, lästert ein EADS-Manager heute. Denn die EADS hat praktisch zum ersten Mal bei einem Rüstungsprojekt einen Festpreis von 20 Milliarden Euro akzeptiert. Bis heute ist es gerade bei Waffensystemen mit unerprobter Technologie üblich, dass im Prinzip die Besteller das technische Risiko tragen, wenn die nötigen Erfindungen später als geplant kommen. Der Hersteller bekommt bei diesem „Cost-Plus“ genannten Grundsatz in jedem Fall den größten Teil seiner Kosten und einen Gewinnzuschlag.
Als ob das nicht gereicht hätte, traute sich die EADS-Führung lange nicht, das Ungleichgewicht offen zu adressieren. Das lag wohl nicht zuletzt daran, dass der Konzern die wichtigsten Bestell-Länder nicht verärgern wollte, weil die direkt oder indirekt Aktionäre waren, gleichzeitig noch bei anderen Großprojekten Auftraggeber und auch die Entwicklung der Zivilmaschinen mit günstigen Krediten förderten. Erst als die Probleme überhandnahmen, die Baukosten für die Flieger um bis zu neun Milliarden stiegen und der EADS wegen der noch größeren Milliardenlöcher beim Riesen-Passagierjet A380 das Geld knapp zu werden drohte, zog der damalige Airbus-Chef und heutige EADS-CEO die Notbremse. Er setzte den Staaten die Pistole auf die Brust: „Entweder ihr zahlt mehr oder wir bauen das Ding nicht.“ Und die Länder zeterten - und zahlten, weil sie angesichts wachsender weltweiter Militäreinsätze die Maschinen dringend brauchten.
Seitdem läuft die Sache einigermaßen rund. Doch bis zum nächsten Freudentag in Sachen A400M ist es noch etwas hin. Denn bereits die Türkei dürfte ihre erste Maschine zum Jahresende deutlich kühler entgegennehmen als Frankreich und bis zum ersten deutschen Flieger im November 2014 ist es noch lang hin.