Airbus-Chef Enders rückt in den Linde-Aufsichtsrat vor

Bei seiner ersten Jahresbilanz als Linde-Chef kann Aldo Belloni keine großen Überraschungen präsentieren. Doch während der Umsatz stagniert, dreht sich bei dem Dax-Konzern das Personalkarussell weiter.

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Der Airbus-Chef soll Aufseher bei Linde werden. Quelle: Reuters

München Erstmals hat Aldo Belloni die Jahresbilanz von Linde als Chef vorgelegt. Als langjähriger Vorstand des Industriegasekonzerns war er früher nur Stichwortgeber, wenn der Vorstandsvorsitzende Spezialfragen an den Experten weiterreichte. Doch ausgerechnet da sind die Zahlen diesmal eher sekundär interessant. Denn derzeit wollen alle vor allem wissen, ob es zur umstrittenen Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair kommt.

Ist es für Linde besser, weiter auf eigenen Beinen zu stehen, oder ist die Fusion mit Praxair der richtige Schritt? Die Jahreszahlen gaben darauf keine klare Antwort. Denn im schwierigen Umfeld stagniert der Münchener Konzern. Während der Umsatz auf vergleichbarer Basis 2016 bei knapp 17 Milliarden Euro verharrte, legte der Konzerngewinn um gut sechs Prozent auf 1,2 Milliarden Euro zu, wie die Münchner am Donnerstag mitteilten.

Die Aktionäre sollen 3,70 Euro je Anteilsschein Dividende bekommen, rund sieben Prozent mehr als zuletzt. Die Logistiktochter Gist ist nicht mehr in den Bilanzkennzahlen enthalten, da Linde mit einem Verkauf der Briten bis Jahresende rechnet.

Für das laufende Jahr erwartet die Firma mehr oder weniger stabile Einnahmen und einen Zuwachs des operativen Gewinns von bis zu sieben Prozent.

Belloni ist derzeit intensiv in die Verhandlungen mit Praxair eingespannt. Im Dezember kehrte er aus dem Ruhestand zu Linde zurück. Seine Hauptmission: Nach den Turbulenzen der vergangenen Monate soll er den 60-Milliarden-Euro-Zusammenschluss glatt über die Bühne bringen. Widerstand gibt es vor allem im Arbeitnehmerlager, das eine heimliche Übernahme durch die Amerikaner und den Einzug harter US-Management-Methoden fürchtet.

Personelle Veränderungen hat es bei Linde in den vergangenen Monaten zuhauf gegeben. So nahmen der Finanzvorstand Georg Denoke und Vorstandschef Wolfgang Büchele ihren Hut. Pünktlich zur Bilanzvorlage folgte nun die nächste spannende Personalie: Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Michael Diekmann verlässt das Kontrollgremium im Mai.

Der Ex-Allianz-Chef Diekmann will nach seiner zweijährigen Abkühlphase am 3. Mai in den Aufsichtsrat der Allianz einziehen und den Vorsitz übernehmen. Vor diesem Hintergrund müsse er die Anzahl seiner Mandate reduzieren, erklärte Diekmann. Für ihn soll Airbus-Chef Enders in den Linde-Aufsichtsrat einziehen.

Den Eindruck, die Personalie könne etwas mit der geplanten Fusion mit Praxair zu tun, will Linde offenbar vermeiden. Reitzle betonte, Diekmanns Beiträge zum Merger hätten das Projekt nach vorne gebracht. Und Diekmann beteuerte: „Ich wünsche Linde für die laufenden Verhandlungen mit Praxair über einen Zusammenschluss unter Gleichen viel Erfolg.“ Die Fusion sei "ein bedeutsamer und wichtiger Schritt."


Vertrag soll vor der Hauptversammlung unterzeichnet werden

Zu den Verhandlungen hielt sich Linde vorerst weitgehend bedeckt. Die Vorbereitungen für den Zusammenschluss verliefen nach Plan, hieß es.

Vergangene Woche war Praxair-Chef Steve Angel nach Informationen des Handelsblatts nach München angereist, um mit Belloni und seinen Kollegen zu verhandeln. Dabei geht es vor allem um knifflige rechtliche und steuerliche Details und um die drohenden Kartellauflagen. Kritische Streitpunkte gibt es ansonsten zumindest zwischen dem Management auf beiden Seiten nicht. Im April dürften die Gespräche auf die Zielgeraden gehen.

Das Business Combination Agreement, also der Fusionsvertrag, soll noch vor der Hauptversammlung von Linde im Mai unterzeichnet werden. Abstimmen dürfen die Anteilseigner dann zum Ärger von Aktionärsschützern aber nicht. Spannend wird vor allem, wie der Linde-Aufsichtsrat abstimmt. Auf der Kapitalseite gibt es nach Informationen des Handelsblatts noch immer breite Zustimmung. Die Arbeitnehmerseite hat sich noch nicht festgelegt. Es gilt aber als möglich, dass sie geschlossen mit "nein" votiert. In diesem Fall würde Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle nach Einschätzung in Industriekreisen sein Doppelstimmrecht ziehen.

Im vergangenen Jahr zeigte sich einmal mehr, dass Praxair bei dem Fusionsplan der kleinere, aber profitablere Partner ist. Der Umsatz der Amerikaner sank 2016 auch wegen Währungseffekten zwei Prozent auf 10,5 Milliarden Dollar. Bereinigt um Sondereffekte sind die Erlöse leicht gestiegen. Die operative Umsatzrendite (EBITDA) lag bei stolzen 33,2 Milliarden Euro.

Linde und Praxair wollen sich zum größten Hersteller von Industriegasen weltweit zusammenschließen. Seit der Übernahme von Airgas besetzt derzeit Air Liquide diese Position. Sitz der neuen Holding soll nach Informationen des Handelsblatts Dublin werden. Umstritten ist vor allem, dass Praxair-Chef Angel den neuen Konzern aus den USA heraus führen soll.

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