Herr Enders, ist Ihnen langweilig?
(Erstaunt) Nein. In meinen bald 25 Jahren bei Airbus war es mir nie langweilig. Wie kommen Sie darauf?
Bei Airbus und um Sie herum türmen sich die Probleme. Und Sie nehmen sich Zeit, um bei München im Fallschirmspringeranzug einen Erlebnispark des Event-Anbieters Jochen Schweizer zu eröffnen.
Zur Person
Enders, 56, wurde im Juni 2012 Chef der EADS, seit Anfang 2014 Airbus Group. Der Sohn eines Schäfers und Major der Reserve studierte in Los Angeles und stieß 1991 zum EADS-Vorläufer Dasa, wo er Chef des Rüstungsgeschäfts, Co-Vorstandschef und Leiter des Zivilfluggeschäfts war.
Wir sind als Juniorpartner am Projekt Erlebnispark von Jochen Schweizer beteiligt. Das entsteht direkt neben unserem Münchner Firmengelände und passt gut zu uns, denn hier wird sich alles um die Faszination des Fliegens drehen. Es erhöht auch die Attraktivität des Standorts Ottobrunn. Leider ist unser Fallschirmsprung aufgrund des schlechten Wetters sprichwörtlich ins Wasser gefallen. Aber das war eine Nebensache, denn es stimmt schon, bei uns ist immer viel los!
Der Absturz ihres Militärtransporters A400M bei einem Testflug, die Affäre um Airbus und den US-Geheimdienst NSA, der Ukraine-Konflikt, eine sich anbahnende große Rüstungsfusion zwischen Deutschland und Frankreich: Wir haben den Eindruck, um Sie herum ist gerade viel mehr los als sonst.
Trotz großer Herausforderungen haben wir als Airbus-Gruppe viel erreicht. Wir haben 2014 operativ vier Milliarden Euro verdient, bei 60 Milliarden Euro Umsatz. Und wir sind auf gutem Wege, unsere Ziele für 2015, die wir dem Markt kommuniziert haben, zu erfüllen.
Trägt der Konflikt in der Ukraine, was die Rüstung angeht, etwas dazu bei?
Aktuell sehe ich da nichts. Derzeit unternimmt nur Polen größere Anschaffungen im Verteidigungsbereich, weil sie sich in unmittelbarer Nähe des Konflikts sehen. Wenn man so möchte, liegt das einzig Positive an der Ukraine-Krise in der Erkenntnis, dass unsere Streitkräfte unzureichend ausgerüstet sind.
Umsatzzahlen der Airbus-Geschäftsfelder
2014: 68 Prozent des Gesamtumsatzes
2012: 64 Prozent
2011: 59 Prozent
2014: 10 Prozent des Gesamtumsatzes
2012: 15 Prozent
2011: 20 Prozent
2014: 11 Prozent des Gesamtumsatzes
2012: 11 Prozent
2011: 10 Prozent
2014: 118 Prozent des Gesamtumsatzes
2012: 10 Prozent
2011: 11 Prozent
Quelle: Unternehmensangaben
Die Nato-Staaten haben erklärt, sie wollten mittelfristig zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Rüstung ausgeben. Freut Sie das nicht?
Die Ankündigung ist aus meiner Sicht nicht viel wert. Denn Deutschland als wirtschaftlich stärkste Nation in Europa liegt mit derzeit 1,2 Prozent deutlich unter diesem Zielwert und wird trotz gewisser Anstrengungen auch in Zukunft weit darunter bleiben. Auch andere Staaten erreichen den Zielwert nicht. Was heißt das für die Industrie? Nun, wir stellen uns etwa darauf ein, dass die Zukunft unseres Rüstungsgeschäfts künftig weniger im Bau bemannter Flugzeuge liegt, sondern eher im Wartungsgeschäft. Schließlich sind Flugzeuge wie der Eurofighter mehrere Jahrzehnte im Einsatz und das Wartungsgeschäft ist seit jeher profitabel. Wir werden auch – wie geplant – einige Unternehmensteile veräußern, die nicht mehr zu unserem Kerngeschäft gehören und in anderen Eigentümerstrukturen eine besser Zukunft haben, zum Beispiel in der Rüstungselektronik. Gleichzeitig wollen wir uns in Bereichen verstärken, in denen wir Marktführer sind: bei Verkehrsflugzeugen, Hubschraubern oder in der Raumfahrt.
Wäre Sikorsky, die Hubschrauber-Tochter des US-Konzerns UTC, die der gerade loswerden will, etwas für Airbus?
Wir sind der weltgrößte Hubschrauberhersteller und haben naturgemäß Interesse an dem, was sich bei Sikorsky tut. Schließlich ist das Hubschraubergeschäft langfristig ein Wachstumsmarkt. Sikorsky hat ein starkes Geschäft mit dem Pentagon und auch wir haben mit dem amerikanischen Rüstungsgeschäft bereits viele Erfahrungen gesammelt. Gute bei den leichten Hubschraubern für die US-Armee, bittere bei der Tankflugzeugausschreibung der US-Luftwaffe. Sprich: Wir wissen ziemlich genau, was in den USA im Verteidigungsbereich mitsamt seinen strikten Sicherheitsvorschriften machbar ist und was nicht. Insofern sind wir bei diesem Thema aufmerksam, aber bestimmt nicht euphorisch. Außerdem geht es hier um viel Geld, da ist eine gesunde Skepsis geboten.
Welche Bedeutung hat die geplante Fusion des deutschen Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann, kurz: KMW, mit dem französischen Wettbewerber Nexter für die deutsche Rüstungsindustrie?
In der Luftfahrt gab es bereits vor 15 Jahren eine Konsolidierungswelle, aus der nicht zuletzt wir hervorgegangen sind. Bei der Marineindustrie und den Panzerbauern ist dagegen so gut wie nichts passiert. Darum ist es erfreulich, wenn es da jetzt Bewegung gibt, nachdem bisher schon eine nationale Konsolidierung dieser Branche in Deutschland jahrzehntelang nicht möglich war. Ich glaube, dass dieses Projekt, wenn es richtig aufgesetzt wird, aus der Sicht beider Unternehmen sehr viel Sinn ergeben kann – unter der Voraussetzung, dass die Regierungen in Paris und Berlin das Projekt unterstützen.