Airbus-Chef Tom Enders Deutschland muss sich zur Rüstungsindustrie bekennen

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"Ich kann mir keine EU ohne Großbritannien vorstellen"

Die Zukunft von Airbus dürfte vor allem von der neuen Version ihres Kassenschlagers abhängen, des Mittelstreckenjets A320 mit neuen sparsameren Triebwerken. Erstkunde ist Qatar Airways. Rechnen Sie nach den gerade bekannt gewordenen Problemen mit einem Motorentyp mit Verspätungen bei der Auslieferung?

Nein. Wir sind bei der A320neo im Plan und halten an der Erstauslieferung Ende des Jahres fest. Momentan ist die Testflugreihe mit den Pratt & Whitney-Triebwerken zwar unterbrochen, weil wir ein Problem identifiziert haben. Das dürfte aber bald behoben sein und dann geht’s hier planmäßig weiter. Unterdessen ist der erste Testflug mit den CFM-Triebwerken vor einigen Tagen sehr erfolgreich verlaufen.

Wann wird es wieder einmal ein ganz neues Flugzeug von Airbus geben?

In den letzten acht Jahren haben wir drei nagelneue Modelle auf den Markt gebracht. Das ist Weltrekord. Und es kommt hinzu, dass – verglichen mit der ersten A320 – die A320neo wirklich neu ist, weil wir seit dem Start in den 1980er Jahren fast alles an diesem Flieger verbessert haben. Wann genau ein komplett neu entwickeltes Modell kommt, hängt davon ab, wann es den nächsten Technologiesprung gibt und was unsere Wettbewerber in den USA oder künftig in China machen. Wahrscheinlich kommt ein solches Mittelstreckenflugzeug erst gegen Ende des nächsten Jahrzehnts.

Die Passagierjets machen Airbus zu einem der größten Exporteure Europas. Wie wichtig ist für Sie das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP mit den USA?

Nun, in unserer Branche haben wir bereits weltweit gemeinsame Standards. Insofern berührt uns das Thema vordergründig gar nicht so sehr. Mir persönlich ist vielmehr etwas anderes wichtig: Europa darf sich in der Globalisierung nicht abkoppeln. Wenn wir nicht wollen, dass Amerika und Asien die Standards setzen, dürfen wir uns TTIP nicht verschließen. Die USA verhandeln auch über ein transpazifisches Abkommen und werden das wahrscheinlich vor TTIP abschließen. Im Gegensatz zu uns haben die Amerikaner auch Alternativen. TTIP ist eine Chance, die es nur einmal pro Generation gibt. Dies dürfen wir nicht aufs Spiel setzen und schon gar nicht wegen der Frage, ob uns Europäern die Schiedsgerichte für Streitfälle transparent genug sind. Das Erstaunlichste an der Diskussion ist für mich, dass TTIP im lange als protektionistisch verschrienen Frankreich populärer ist als in Deutschland.

Wie schlimm wäre ein Austritt Großbritanniens aus der EU?

Ob die EU für Großbritannien wichtig ist, müssen die Briten selbst entscheiden. Wir sollten aber nicht glauben, dass die Briten uns mehr brauchen als wir sie. Ich bin dafür, dass wir offen und auch kontrovers in der EU diskutieren, was man besser machen kann: mehr Subsidiarität, weniger Bürokratie, klarere Verantwortung. Die neue EU-Kommission hat mit manch neuem Ansatz bereits recht positive Signale gesetzt. Da sollten wir weitermachen. Ich kann mir eine EU ohne Griechenland vielleicht vorstellen, aber keine ohne Großbritannien. Das gilt insbesondere bei wichtigen Zukunftsfragen wie der Außen- und Sicherheitspolitik oder einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftspolitik.

Warum?

Wenn wir mal vernünftig über Themen wie Deregulierung und Öffnung reden, werden gerade wir Deutschen erkennen, wie wertvoll die britischen Positionen sind.

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