Airbus-Hauptversammlung Die großen Baustellen des Luftfahrt-Riesen

Airbus-Chef Tom Enders könnte der Hauptversammlung am Mittwoch gelassen entgegensehen. Die Aktie steigt, das Geschäft brummt. Probleme gibt es trotzdem zuhauf. Was Enders jetzt angehen muss.

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Probleme mit A380, A400M und A320Neo wirbeln Airbus auf. Quelle: imago images

Der Aufstieg der Airbus-Aktie war in den vergangenen Monaten nicht aufzuhalten. Keine Negativmeldung konnte daran etwas ändern. Langsam, aber stetig kletterte der Kurs nach oben. Am Dienstagabend notierte das MDAX-Unternehmen bei 71,30 Euro, knapp unter dem jüngst erreichten Höchstwert und mehr als zehn Euro über dem des Vorjahres. Eine breite Mehrheit der Analysten ist sich seit Monaten einige: Die Aktie ist ein Kauf.

Dass die Airbus Group im ersten Quartal 2017 weniger Flugzeuge verkaufte als Erzrivale Boeing: geschenkt. Dass im März bekannt wurde, dass nicht nur britische, sondern auch die französischen Behörden einem Betrugs- und Korruptionsverdacht beim Konzern nachgehen: scheinbar eine Randnotiz. Dass der Nettogewinn von Airbus im vergangenen Jahr um fast zwei Drittel einbrach: ärgerlich, erwartbar, aber dennoch kein Beinbruch, befanden Analysten und Anleger gleichermaßen.

Tatsächlich stehen die Zeichen für die Airbus-Hauptversammlung am Mittwoch gut. Airbus verbuchte zuletzt regelmäßig Bestell-Rekorde im Geschäft mit den Verkehrsflugzeugen. Das ist der wichtigste Teil im Airbus-Dreiklang aus dem Zivilgeschäft, der Militärsparte Space&Defense und der Helikopter-Sparte.

Der Vorstandschef von Airbus, Tom Enders. Quelle: dpa


Damit tragen die Umstrukturierungen auf Druck des Konzernchefs Früchte. "Tom Enders hat einen maßgeblichen Anteil daran, dass Airbus in der Profitabilität deutlich in Richtung Boeing aufgeholt hat", sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.

Aktionäre können sich derweil über die Dividende freuen. Die soll trotz Gewinneinbruch um fünf Cent auf 1,35 Euro je Aktie angehoben werden. Also alles optimal im Airbus-Land? Sicher nicht. Branchenkenner warnen vor übertriebener Euphorie.

Enders hat große Baustellen vor der Brust. Manche sind selbst verschuldet, für andere kann der Konzern nichts. Fest steht: Airbus muss sie dringend angehen, bevor sie den Konzern in Zukunft nach unten ziehen.

Militärtransporter A400M

Den Hauptgrund für den verhagelten Jahresabschluss wird Airbus so schnell allerdings nicht los. Immer neue technische Probleme und weitere Verzögerungen bei der Auslieferung des Militärtransporters A400M hatten Airbus 2016 mit 2,2 Milliarden Euro belastet. Ein Ende des Desasters ist nicht absehbar.

Noch immer stehen bereits ausgelieferte Flieger in den Hangars. Insbesondere Probleme mit den Turboprop-Triebwerken bekommt der Konzern einfach nicht in den Griff.  Unzufriedene Abnehmer wie Deutschland fordern längst Schadenersatz.

Der A400M sei ein "finanzielles Damoklesschwert", sagte Tom Enders zuletzt unumwunden - in der Hoffnung, dass es nicht fällt.

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Passagierflieger A380

Verzweifelte Situation, verzweifelte Mittel: Seinen Ladenhüter A380 will Airbus den Fluglinien gerade mit dem Treppen-Trick schmackhaft machen. Auf der Branchenmesse Aircraft Interiors in Hamburg präsentierte der Konzern neue Möglichkeiten, die Kabine zu gestalten. Umgestaltete Treppen zwischen den Etagen, eine veränderte Bordküche und eine engere Bestuhlung sollen Platz schaffen. Bisher sei der weltgrößte Passagierjet im Liniendienst im Schnitt mit 497 Sitzen ausgestattet. Mit den Neuerungen könnte ihre Zahl auf 575 in vier Klassen steigen.


Dass knapp 80 Sitze mehr den Riesenvogel plötzlich zum Liebling der Fluggesellschaften machen, darf allerdings bezweifelt werden. Gerade mal 317 Bestellungen hat Airbus seit 2005 in den Orderbüchern stehen. Der Großteil ist bereits ausgeliefert - in relevanter Stückzahl nur an den Großkunden Emirates. "Und von den 100 A380-Orders, die noch in den Büchern stehen, sind mindestens 29 wenn nicht sogar 39 fragwürdig", urteilt Großbongardt.

Airbus hat das Interesse an dem Riesenvogel dabei von Beginn an überschätzt. Die meisten Fluggesellschaften setzen lieber auf kleinere Modelle mit nur zwei Triebwerken. Die sind im Einsatz flexibler und in der Wartung preiswerter.

Die hohen Entwicklungskosten von - je nach Schätzung - rund 20 Milliarden Euro wird der Konzern wohl nie reinholen. Für Airbus geht es vor allem um Schadensbegrenzung.

Was Airbus in Zukunft meistern muss


Probleme mit Zulieferer

Selbst bei den Produkten, bei denen es eigentlich gut läuft, gibt es Probleme.

Beispiel A320neo: Der Mittelstreckenflieger gilt - ganz im Gegensatz zum A380 - als Besteller. Bestellungen im Wert von fast 230 Milliarden Euro hat die Jet-Familie dem Konzern mittlerweile eingebracht. Doch auch mehr als ein Jahr nach der ersten Auslieferung bekommt Airbus Probleme mit den Turbinen des US-Herstellers Pratt & Whitney nicht unter Kontrolle.


Das hat Auswirkungen für Airlines auf der ganzen Welt. Jüngst wurde bekannt, dass die US-Billig-Linie Spirit mehrere ihrer fabrikneuen A320neo wegen Triebwerksproblemen aus dem Dienst nehmen musste. Auch auf dem Airbus-Werksgelände bleiben die Flieger stehen. WirtschaftsWoche Online hatte darüber berichtet, dass aktuell allein auf dem Werksflughafen Hamburg deshalb bis zu acht unfertige Flieger im Wert von bis zu 200 Millionen Euro stehen. Sie warten auf ihre Triebwerke und Auslieferung. Am Hauptwerk in Toulouse parken offenbar ebenfalls mehrere Maschinen für eine längere Zeit ohne Triebwerke.

Das geht nicht nur ans Geld und Image. Ärger mit den betroffenen Linien ist absehbar.

Donald Trump

Als wären die hauseigenen Probleme nicht genug, muss sich Airbus auch auf die veränderte politische Situation einstellen. US-Präsident Donald Trump ist nur ein Beispiel für die Weltlage, in der sich der Rüstungs- und Luftfahrtkonzern immer wieder neu positionieren muss. Aber die Causa Trump zeigt eindringlich, was das so schwierig macht.

Einerseits belebt der US-Präsident das Geschäft, das militärische sogar kräftig. Nachdem Trump zu Jahresbeginn Nato-Mitglieder anprangerte, weil sie zu wenig Geld in den Verteidigungshaushalten steckten, war die Freude im Konzern groß. Es sei schließlich an der Zeit, diese "lange überfällige Diskussion" zu führen, so das Zitat aus der Konzernzentrale.

Kein Wunder: Von der Aufstockung europäischer Wehretats würde Airbus mit seiner Militärsparte Space & Defense stark profitieren. So tüftelt der Konzern bereits am Nachfolger des Kampfjets Tornado - und hätte dabei gerne viele spendierfreudige Regierungen an Bord.

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Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
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Lufthansa A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa
Lufthansa Airbus A350 Quelle: Lufthansa


Die Kehrseite: Trumps Protektionismus-Bestrebungen könnten Airbus langfristig in Schwierigkeiten bringen, glaubt Heinrich Großbongardt. Denn das Wachstum des Luftverkehrs ist eng mit dem freien Welthandel verknüpft. "Sollten wir in eine Welt voller Handelsschranken zurückkehren, wären all die schönen Marktprognosen von Airbus und Boeing Makulatur", warnt der Luftfahrtexperte. "Die Folgen für die Flugzeughersteller wären verheerend. Die Rüstungsausgaben können in Friedenszeiten gar nicht so stark steigen, dass sie das ausgleichen könnten."

Unsichere Zukunftsaussichten

Ohnehin ist die erfolgreiche Zukunft des Konzerns längst nicht so sicher, wie er glauben machen möchte. Denn neben der drängenden Baustellen muss sich jeder der drei Airbus-Sparten auf neue Bedingungen einstellen.

In der Raumfahrt ist Airbus mit innovativen Start-ups und vor allem Elon Musks SpaceX binnen weniger Jahre eine ernstzunehmende Konkurrenz gewachsen. Die Angreifer drücken schon jetzt die Preise und verändern ganze Geschäftsmodelle.

Der Erfolg der Militärsparte hängt nicht nur von der politischen Lage ab, sondern auch von der eigenen Entwicklung. Neben der A400M-Baustelle muss Airbus zum Beispiel das Auslaufen der Eurofighter-Produktion ab 2019 kompensieren.

Im Zivilgeschäft läuft es zwar gerade sehr gut. Der Order-Boom der Airlines wird jedoch nicht ewig halten – weder bei Airbus noch bei Boeing. Da sind sich Branchenkenner einig.

Manche rechnen bereits mit einem baldigen Abflauen, ausgelöst durch den schwankenden Ölpreis und eine gesättigte Nachfrage. "Sollte die Airlines-Konjunktur tatsächlich einknicken, könnte zum ersten Mal nötig werden, dass Airbus seine Produktion zurückfahren muss", sagt Großbongardt. Damit gibt es bisher keine Erfahrung.

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Konzernumbau

In dieser Gemengelage muss Tom Enders dann auch noch sein Meisterstück zur Vollendung bringen: den Umbau des gesamten Konzerns.

"Das Unternehmen muss schneller und schlanker werden und damit wir uns in allen Bereich schneller verändern können", verkündete Enders im vergangenen Jahr, als die letzte Stufe seines Plans in Angriff nahm. Die umfasst vor allem Personaleinsparungen wie Zusammenlegungen. Die Einsparungen, so Enders Hoffnung, sollen schon in diesem Jahr beim Gewinn spürbar sein.

Eine zentrale Einsparung dürfte bald offensichtlich werden: die beim Namen. Unter Tagungspunkt 10 soll die Hauptversammlung am Mittwoch die Umbenennung des Konzerns genehmigen. Aus Airbus Group SE würde dann Airbus SE. Das klingt auch gleich viel schlanker.

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