Airbus-Umbau So schnell wie SpaceX

Airbus-Chef Tom Enders vereint Konzernführung und das Zivilflugzeuggeschäft. Das soll den bisweilen behäbigen Luftfahrtriesen schneller und profitabler machen im Kampf gegen neue Wettbewerber.

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Tom Enders. Quelle: dpa

Auf den ersten Blick hat Airbus-Chef Tom Enders wenig von einem Revolutionär. Der 57-Jährige tauscht zwar auf offiziellen Anlässen gern Anzug und Krawatte mit Trachtenjanker oder gar Lederjacke. Doch er spricht stets so ruhig, klar und entspannt, dass ihn flüchtige Beobachter leicht für ein wenig behäbig halten könnten.

Davon kann spätestens jetzt keine Rede mehr. Wie Enders am Freitag lapidar in einer Pressemitteilung mitteilte, will er Europas größten Luft- und Raumfahrtkonzern endgültig auf den Kopf stellen. Dabei wird er nicht nur die Konzernspitze mit endgültig dem weitaus größten Geschäftsfeld Flugzeugbau fusionieren. Der Umbau soll auch die bislang häufig etwas behäbige Arbeitsweise des Technologie-Riesen antreiben. „Das Unternehmen muss schneller und schlanker werden und damit wir uns in allen Bereich schneller verändern können“, so Enders.

Teil des Pakets ist, so Enders, ein „nicht unbedeutender Personalabbau“. Der trifft vor allem das Management. Zwar hat Enders die einst akribisch getrennte Konzernspitze und das Airbus-Zivilgeschäft schon ab 2013 näher aneinandergerückt: Die Konzernzentrale residierte nun in Toulouse - fast gegenüber vom Airbus Commercial genannten Zivilgeschäft. Auch Konzernvorstände waren für ihr Fachgebiet bei beiden Einheiten zuständig. Finanzchef Harald Wilhelm etwa hütet bei beiden Bereichen die Zahlen.

Doch nun geht Enders quer durch alle Verwaltungsbereich. „Es hilft nicht nur in der Produktion schlanker zu werden, wir müssen an der Spitze anfangen“, so Enders.

Als Erstes spürt das Fabrice Brégier, der den Passagierflugzeugbau bislang weitgehend alleine leiten konnte. Künftig ist im mit gut 60 Prozent Umsatzanteil wichtigsten Feld wieder Enders der unmittelbare Chef. Der ehrgeizige Brégier darf sich nun Leiter des Tagesgeschäfts und Treiber der Digitalisierung im Konzern die Sporen für Enders Nachfolge verdienen.

Aufträge von Airbus und Boeing im Vergleich

Dass der Schritt viele überraschte, kann Enders nicht nachvollziehen. „Wir haben das doch bereits im Sommer angekündigt“, sagte der ehemalige Luftlandesoldat trocken, als in der vorigen Woche erstmals Gerüchte über einen Umbau aufkamen. Wo Unternehmen wie Lufthansa mit Monate langen Diskussion um die Details des überfälligen Umbaus ringen, genügte Enders eine bessere Randbemerkung auf einer Analystenkonferenz. „Enders macht so wenige Interviews und öffentliche Auftritte, dass es sich lohnt zuzuhören. Und wer das nicht tut, hat eben Pech gehabt“, so ein Insider.

Tatsächlich ist der Umbau am Ende nur der letzte, wenn auch größte Schritt, den Enders in seinem Plan unternimmt, mit den Konzern seit fünf Jahre führt. Er hat bereits zuvor den von übertriebenem technologischen Optimismus und politischem Proporz dominierten Riesen durchgerüttelt. Er hat durch eine neue Aktionärsstruktur die Mitspracherechte der Regierungen vor allem in Paris und Berlin gekappt. Sie sind nur noch in wenigen Bereichen vorhanden - wie dem An- und Verkauf von Geschäftsfelder oder Standortwechseln zum Beispiel.

Aus Enders Sicht drängt die Zeit

Enders geht auch ohne Rücksicht auf nationale Bestandsdenken vor. Er trocknete die auf Paris und München verteilte Konzernzentrale aus und holte die Arbeit ins südfranzösische Toulouse an den Sitz des Zivilflugzeuggeschäfts. Dazu stutzte der gebürtige Westerwälder das aus deutscher Sicht zentrale Rüstungsgeschäft des Konzerns, entmachtete praktisch die spanische Domäne beim Bau von Militärtransportern und schleift nur endgültig die Strukturen beim in Frankreich als Nationalheiligtum geltenden Flugzeugbau.

Denn so gut bei Airbus die Zahlen derzeit auch sind: Aus Enders Sicht wird das auf Dauer so nicht bleiben. Die Zeit drängt. Das Zivilfluggeschäft sitzt auf einem Auftragsbuch, das die Werke theoretisch für bis zu acht Jahre auslastet. Doch beim Abbau des Orderbergs häufen sich die Probleme. Beim Superjumbo A380 musste Airbus mangels neuer Aufträge die Produktion von 27 Flugzeugen pro Monat auf 12 kappen, womit Airbus bei seinem Dauersorgenkind nun beim Bau wieder draufzahlt. Dass die gut 20 Milliarden Euro Entwicklungskosten je verdient werden, glaubt niemand mehr. Auch der Militärtransporter A400 verliert Geld.

Die größten Problemflieger des Luftfahrtriesen
A320neo Quelle: dpa
A380 Quelle: dpa
A350Das neue Leichtbauflugzeug für die Langstrecke hat die größte Verspätung aller Airbus-Zivilflugzeuge. Es kam Ende 2014 nicht nur ein Jahre später als geplant. Zuvor war Airbus bei den Airlines mit einem ersten Entwurf unterwegs, der bereits 2011 fliegen sollte. Quelle: REUTERS
A340 Quelle: AP
A400M Quelle: dpa
Eurofighter Quelle: REUTERS
Tiger

Noch sichtbarer hakt es im Kerngeschäft. Viele Mittelstreckenjets der A320neo–Familie stapeln sich auf den Airbus-Werksflughäfen, weil einer der beiden Triebwerkstypen auch neun Monate nach Auslieferungsstart nicht wie geplant funktioniert.

Gleich daneben stehen viele neue Leichtbaujets vom Typ A350. Die haben zwar Triebwerke. Doch die Zulieferer der Inneneinrichtung schaffen nicht die versprochene Qualität. Die Nacharbeiten sowie andere technische Probleme sorgen für höhere Kosten als geplant.

Das kann sich Airbus immer weniger leisten. Erzrivale Boeing war schon bisher immer profitabler. Nun haben die Amerikaner - nicht zuletzt weil der schwächere Dollar die Verkaufserlöse der Jets drückt - ein Sparprogramm aufgelegt. Dazu drängen neue staatlich subventionierte Wettbewerber wie Bombardier aus Kanada sowie aus China in das Geschäft mit den Jets für mehr als 130 Sitze. Das dominierte Airbus bislang.

Weniger sichtbar aber noch drängender sind die anderen Geschäftsfelder. In der Raumfahrt fürchtet Enders Neulinge wie SpaceX von Elon Musk oder die Sierra Nevada Corporation der türkisch-stämmigen Unternehmer Eren und Fatih Özmen bei den Satelliten. Nachdem Erstere im Raketenbau mit Kampfpreisen von bis zu einem Drittel der Airbus-Tarife Enders zusetzen, könnten Letztere dank der Staatsaufträge aus den USA beim Satellitenbau Airbus nun auch im internationalen Geschäft so zusetzen wie die Bremer OHB in Europa.

So abgeklärt Enders seine Pläne vorträgt, er erwartet trotzdem schnelle Ergebnisse. „Ich würde erwarten, dass wir bereits im nächsten Jahr einige Einsparungen beim Gewinn spüren“, gab der Manager die Richtung vor.

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