Aktivistische Aktionäre machen Druck Angriff der Fondskrieger

Aggressive Investoren wie Carl Icahn und der Elliott-Fonds aus den USA oder Cevian aus Schweden mischen weltweit Unternehmen mit Forderungen nach Chefwechseln oder Aufspaltung auf. Auch Deutschland nehmen sie jetzt stärker ins Visier. Nutzen oder schaden sie den Unternehmen?

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Foto von Carl Icahn Quelle: REUTERS

Mit den korinthischen Säulen und der hohen Kuppel bietet die New Yorker Gotham Hall ein standesgemäßes Ambiente für den Auftritt eines treuen Förderers der Republikaner. Der Milliardär Paul Singer ist das seit vielen Jahren, was ihn nicht davon abhält, eine ausgeprägte Neigung zu eigenen Ansichten zu pflegen. So lobt er die Familie pflichtschuldig als „Fundament der Gesellschaft“, ergänzt aber unmittelbar, dass es „die Gesellschaft stärker macht, wenn auch Schwule und Lesben heiraten können“.

Singers Lust an Provokation und Einmischung hat den 69-Jährigen zum Schrecken börsennotierter Unternehmen gemacht. Und zu einer Legende, von der selbst ihre Opfer mit Respekt reden. Sein Hedgefonds Elliott sucht weltweit nach Unterbewertungen und Gesetzeslücken, seine Agenda verfolgt Singer ebenso rücksichtslos wie rational.

Mal fällt er bei Konzernen ein und piesackt das Management mit besserwisserischen Ideen, mal kauft er Anleihen von Pleitestaaten wie Argentinien oder Kongo und verklagt die auf vollständige Rückzahlung. In Deutschland klinkt er sich gerne in Übernahmen ein, um höhere Preise durchzuboxen. Fast immer heißt der Gewinner der Kämpfe Singer. Seit der Gründung 1977 hat sein Fonds im Durchschnitt eine jährliche Rendite von 14 Prozent erzielt.

Massiver Druck

Mit einem verwalteten Vermögen von 23 Milliarden Dollar ist Elliott einer der größten „aktivistischen Aktionäre“. Diese kaufen sich mit Minderheitsanteilen bei Unternehmen ein und setzen das Management gehörig unter Druck. Ihr Ziel: Große strategische Änderungen sollen den Wert des Unternehmens in kurzer Zeit deutlich steigern. Wenn es gut läuft, können sich die Hedgefonds schon nach Monaten mit sattem Gewinn verabschieden.

Grafik

Das Geschäft boomt. Aktivisten haben weltweit so viel Geld eingesammelt wie nie (siehe Grafik). Mit den frisch ergatterten Milliarden werden in den USA ansässige Fonds auch deutsche Unternehmen stärker ins Visier nehmen, bei denen sie verborgenes Potenzial wittern. Das erwarten Banker und Anwälte, die von deutschen Unternehmen Mandate für den Umgang mit den unwillkommenen Eindringlingen gewinnen wollen.

Deren Forderungen scheren sich wenig um gepflegte Tabus. So verlangen sie häufig, Unternehmensteile abzuspalten, Barmittel als Sonderdividende auszuschütten, dem Management weniger zu bezahlen oder es gleich ganz abzusetzen. Kurzfristig gehen die Aktienkurse bei ihrem Auftauchen nach oben. Ob der Angriff der Fondskrieger dem Unternehmen auch auf längere Sicht nützt, ist eine andere Frage.

Deutlich populärer als die Einmischung in Fragen der Unternehmensführung ist in Deutschland seit Jahren eine zweite Art des Aktivismus. Das hiesige Übernahmerecht mit seinem ausgeprägten Minderheitenschutz ist eine Art Einladung, erst mal ordentlich Krawall zu machen und dann abzukassieren. Einzelne Fonds haben sich darauf spezialisiert, so lange und so viel Ärger zu machen, bis der Käufer einknickt und einen höheren als den ursprünglich gebotenen Preis zahlt.

Anwälte der Aktionäre

Foto von Daniel Loeb Quelle: REUTERS

Stets treten Aktivisten als Anwälte der angeblich vernachlässigten Eigentümer auf. Vorstände, so ihre Argumentation, entschieden vor allem so, wie es für sie selbst am besten sei. Das sei aber nicht immer auch das Beste für das Unternehmen und seine Aktionäre. Die eigentlich für die Kontrolle Verantwortlichen ließen die Manager jedoch gewähren, egal, wie mittelmäßig die ihren Job auch erledigten. „Gerade in Europa fordern Aktionäre und Aufsichtsrat das Management zu wenig heraus“, klagt ein hochrangiger Manager eines Fonds.

Da ziehen er und seine Kollegen ganz andere Saiten auf. Ihre Einmischung folgt einem vielfach erprobten Eskalationsszenario. Erst wollen sie mit dem Management nur reden, Ideen vortragen, die Strategie verstehen. Oft ist dann Schluss – von etwa der Hälfte der Interventionen erfährt die Öffentlichkeit nichts. Wenn die Fonds mit der Reaktion des Vorstands aber nicht zufrieden sind, ziehen sie die Daumenschrauben an.

Sie verfassen offene Briefe an das Management, suchen weitere Aktionäre als Unterstützer, veranlassen Sonderprüfungen, klagen gegen das Unternehmen oder suchen die offene Konfrontation auf der Hauptversammlung.

Der von ihnen angezettelte Radau zahlt sich aus wie selten zuvor. So verzeichnete der „Aktivisten-Index“ des Fachdienstes Hedge Fund Research 2013 im Vergleich mit allen anderen Indizes die beste Wertentwicklung. Über die vergangenen zwei Jahre erzielten Aktivisten durchschnittlich Renditen von 40 Prozent – fast doppelt so viel wie gewöhnliche Hedgefonds. Die besten Fonds schafften allein 2013 Renditen von 50 Prozent und mehr auf das von ihnen eingesetzte Geld.

Aktivistische Aktionäre entdecken Europa

Das macht sie zu attraktiven Anziehungspunkten für Kapital, das angesichts der weltweiten Niedrigzinsen verzweifelt nach etwas mehr Rendite sucht. Fast 100 Milliarden Dollar haben Aktivisten 2013 bei Investoren eingesammelt, mehr als je zuvor. Damit steigt für sie aber auch der Druck, rentable Anlagen zu finden.

Bisher ist Europa kein bevorzugter Tummelplatz aggressiver Anteilseigner. Die Zahl der Angriffe hat sich von 2010 bis 2013 von 31 auf 74 gesteigert. Mit 25 Attacken im Jahr ist Großbritannien der mit Abstand beliebteste Kampfplatz. In Deutschland gab es dagegen gerade mal drei Kampagnen.

Die geringe Zahl börsennotierter Unternehmen, die Sprachbarriere, die in Details unbekannten Gesetze und die häufige Beteiligung von Familien oder anderen Großaktionären wirken wie ein unsichtbarer Schutzwall – der zunehmend bröckelt. Die Fonds wachsen und bauen Expertise auf, um auch im Ausland zuzuschlagen.

„Auf der Suche nach Chancen geraten Europa und besonders Deutschland zunehmend ins Blickfeld“, sagt Dirk Albersmeier, Leiter des Geschäfts mit Fusionen und Übernahmen bei JP Morgan in Frankfurt. „Egal, wie groß ein Unternehmen ist, keiner sollte sich zu sicher fühlen, sondern ständig prüfen, wo man angreifbar ist.“

In den USA sind Aktivisten längst Teil des Alltags, geschätzt jedes fünfte börsennotierte Unternehmen hatte mit ihnen zu tun. Ihr Image ist alles andere als blütenweiß, ihre Rolle als Aufspürer von Verkrustungen und Fehlbewertungen aber akzeptiert. Selbst Mary Jo White, die bissige Chefin der US-Börsenaufsicht SEC, schlägt milde Töne an: „Das schlechte Bild dieser Investoren hat seine Wurzeln in den Achtzigerjahren, aber das ist nicht die gegenwärtige Sicht und nicht die einzige Sichtweise.“

Comeback des Altstars

Paul Singer Quelle: Getty Images

Während der Finanzkrise 2008 waren die Fonds mitsamt ihren Frontmännern abgetaucht. Nun schwimmen sie wieder ganz oben, allen voran der 78-jährige Carl Icahn. Der Altstar der Szene kaufte sich mit seinem nach ihm benannten Unternehmen unter anderem bei Apple ein und verlangte vom Management stärkere Aktienrückkäufe. Seit einigen Wochen fordert Icahn von Ebay die Abspaltung des hochprofitablen Bezahldienstes PayPal. Mit seinen Attacken schaffte er es jüngst auf die Titelseite des US-Magazins „Time“.

Für ähnlichen Aufruhr sorgte Daniel Loeb mit seinem Fonds Third Point. Er zog sich sogar den Zorn von Hollywoodstar George Clooney zu, weil er vehement eine teilweise Abspaltung der Unterhaltungssparte inklusive Filmstudios beim japanischen Elektronikriesen Sony forderte.

Auch die wenigen Aktivisten aus Europa werden aktiver. Der vom öffentlichkeitsscheuen Briten Chris Hohn geführte „The Children’s Investment Fund“ (TCI) erlebte 2013 ein Rekordjahr mit Milliardengewinn und einer Rendite von 47 Prozent. 2005 hatte TCI in Deutschland das bisher drastischste Exempel aktivistischer Macht statuiert, als er die bereits ausverhandelte Übernahme der London Stock Exchange durch die Deutsche Börse erfolgreich torpedierte. Die Mehrheit der Aktionäre verweigerte Börsenchef Werner Seifert die Gefolgschaft, er musste ebenso gehen wie der Aufsichtsratsvorsitzende Rolf Breuer.

Langfristige Wertsteigerung als Ziel

Seit 2012 ist der schwedische Investor Cevian am Baukonzern Bilfinger beteiligt. Gerade erst hat er seine Beteiligung am kriselnden Stahlkonzern ThyssenKrupp auf 15 Prozent aufgestockt. Geschäftsführer Jens Tischendorf geht auf Distanz zu forschen Krawallbrüdern. „Wir sind nicht an schnellen Gewinnen, sondern an langfristiger Wertsteigerung interessiert“, sagt er.

Und: „Wir betrachten uns selbst als Miteigentümer von Unternehmen, die signifikantes Wertsteigerungspotenzial besitzen“. Um das glaubhaft zu machen, übernehmen Cevian-Manager auch Posten im Aufsichtsrat. Dort tun sie ihre Forderungen mit allem gebotenen Nachdruck kund.

Aktionäre trauen den Investoren schon aufgrund vergangener Erfolge zu, dass sie Unternehmen voranbringen. Allein ihr Einstieg sorgt dafür, dass die Kurse nach oben gehen. Binnen 20 Tagen nach Bekanntwerden des Engagements entwickelten sich die Aktien durchschnittlich um sieben Prozent besser als der Markt. Viele akademische Studien haben den kurzfristigen Nutzen der Aktivisten nachgewiesen.

Dagegen sorgt ihr Auftauchen im Vorstandszimmer für Schluckbeschwerden. Top-Manager wollen selbst gestalten und sich keine Agenda aufzwingen lassen. Den Angreifern unterstellen sie deshalb reflexartig, sie seien nur auf kurzfristigen Reibach aus. Das langfristige Schicksal des Unternehmens und seiner Angestellten sei ihnen egal. Einem kurzen Hoch würde ein umso kräftigerer Absturz folgen.

Ist das so? Der Aktienkurs der Deutschen Börse hat sich seit der Konfrontation mit TCI 2005 mehr als verdoppelt. Der Preis, den Ex-Chef Seifert für die Londoner Börse zahlen wollte, war zu hoch. Allerdings hätte der Kauf eine Antwort auf immer noch ungelöste Fragen wie die Internationalisierung gegeben. Ein weiterer Versuch mit der New York Stock Exchange ist gescheitert.

Mitunter profitieren die Fonds schlicht von falschen Wertannahmen der anderen Eigentümer. Eindrücklich gelang das TCI bei der Royal Mail. Unmittelbar nach der Privatisierung der britischen Post war der Fonds deren größter Anteilseigner. Innerhalb von drei Monaten verdoppelte sich der Aktienkurs nahezu – was der britischen Regierung den Vorwurf einbrachte, Staatsvermögen verschleudert zu haben.

Aktivismus mit positiven Folgen

Die reichsten Fonds-Manager
Platz 7: David TepperEigenkapital: 5,5 Milliarden DollarFür Tepper war 2012 bislang ein sehr erfolgreiches Jahr. Sein Palomino Fonds kletterte um 13,3 Prozent nach oben im ersten Halbjahr, nachdem er 2011 um 5,09 Prozent gesunken war. Der frühere Goldman-Sachs-Händler entschloss sich 1993, auf eigene Faust Appaloosa Management zu gründen. Zuvor hatte sich der gebürtige Pittsburgher vergeblich nach einem Partner umgesehen. Appaloosa managt derzeit 12 Milliarden Dollar. 2009 machte der in New Jersey lebende Tepper einen der legendärsten Trades in der Geschichte. Er verdiente 7 Milliarden, indem sein Hedgefonds Anteile von kriselnden Banken aufkaufte, darunter die Bank of America. In 2011 riss Tepper das Sagaponack Standhaus ab, welches er der Ex-Frau des ehemaligen Gouverneurs Jon Corzine erst 2010 für 43 Millionen Dollar abgekauft hatte. Tepper hält eine Minderheit an den Pittsburgh Steelers. Quelle: Creative Commons-Lizenz
Platz 6: Steve CohenEigenkapital: 8,8 Milliarden DollarDer Wharton-Absolvent Cohen startete 1978 als Optionen-Händler bei Gruntal & Co. Die Legende besagt, dass er bereits am ersten Arbeitstag 8000 Dollar Profit machen konnte. Cohen machte sich 1992 selbständig und gründete SAC Capital mit 25 Millionen an Assets. Heute wird der Manager als eine der mächtigsten Kräfte im Equity Trading angesehen. Seine Firma in Stamford managt 13 Milliarden Dollar. 2011 schlug er die Konkurrenz mit einer 8-Prozent-Rendite, und das in einem Jahr, wo der durchschnittliche Hedgefonds um 5 Prozent sank. SACs Flagschiff-Fonds stieg im August 2012 um 8 Prozent. Der begeisterte Kunstsammler erwarb 2012 einen 4-Prozent-Anteil an den New York Mets für 20 Milliarden Dollar. Jedoch gelang es ihm nicht, einen noch größeren Anteil an den Los Angeles Dodgers zu kaufen. Quelle: Presse
Ray Dalio Quelle: Presse
Platz 4: John PaulsonEigenkapital: 11 Milliarde DollarPaulson machte vor fünf Jahren den größten Trade aller Zeiten klar. Doch nachdem seine größten Fonds in den vergangenen 18 Monaten zweistellige Verluste gemacht haben, muss er nun nervöse Anleger beruhigen. Die Privatbank-Sparte der Citigroup drohte mit einem Investmentstopp, während die Bank of America standhaft blieb. Von Paulson & Co gemanagte Assets sanken um 14 Milliarden Dollar auf 21 Milliarden. Sein persönliches Vermögen sank um 4 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr. Lange setze er auf Gold, doch nun scheint Paulson auf Immobilien zu vertrauen. Einer seiner Fonds riss sich kürzlich 875 Hektar in Las Vegas unter den Nagel. Für sich selbst kaufte er das 90-Hektar-Anwesen Hala Ranch in Aspen, Colorado, und in der Nähe eine 38-Hektar-Parzelle namens Bear Cabin, die einem saudischen Prinzen gehörte. Dafür zahlte Paulson 49 Millionen. Der ehemalige Managing Director von M&A/Bear Stearns gründete seinen Hedgefonds 1994. Zum Milliardär wurde er 2007, indem er Subprime Securities shortete und eine Auszahlung von 3,5 Milliarden erhielt. 2010 betrug sein Take 4,9 Milliarden, ein Rekord in der Hedgefonds-Branche. Quelle: rtr
Platz 3: James SimonsEigenkapital: 11 Milliarden DollarDer „Quant King“ hat sich 2010 offiziell von seinem 15-Milliarden-Dollar-Hedgefonds, Renaissance Technologies, zurückgezogen. Doch auch mit 74 Jahren spielt er noch eine wichtige Rolle im Unternehmen und verfolgt sämtliche Schritte. Renaissance’s Institutional Equities Fonds stiegen um 9,9 Prozent bis Ende Juli 2012, während der Future-Fonds im Juni um 3 Prozent absank. Der Absolvent des Massachusetts Institute of Technology begann seine Karriere als theoretischer Mathematiker und knackte Geheimcodes für das US-Verteidigungsministerium während des Vietnam-Kriegs. Später leitete Simons die Rechnungsabteilung von SUNY-Stony Brook. 1982 gründete er Renaissance Technologies, Sitz ist East Setauket, New York. Mithilfe von Computerprogrammen sucht der Fonds nach ineffizienten flüssigen Papieren. Quelle: AP
Platz 2: Carl IcahnEigenkapital: 14,8 Milliarden Dollar Selbst im Alter von 76 macht Icahn keine Anstalten, kürzer zu treten. Sein Hedgefonds war einer der Top-Performer im Jahr 2011. Weiterhin weist der Fonds eine starkes Kapital auf, dank der Wettem auf Amylin, Hain Celestial und El Paso energy. Die Aktien von Icahns Konglomerat Icahn Enterprises, das auf Triebwagen, Einzelhandel, Spiele, Energie und Fahrzeuge setzt, blieben seit vergangenem August auf flachen Kurs. Icahn hat nun beschlossen, weniger auf externe Anlagen zu setzen und sich künftig auf Investments in seine eigenen Fonds zu konzentrieren. Quelle: rtr
Platz 1: George SorosEigenkapital: 19 Milliarden DollarDer legendäre Investor hat sich 2011 zur Ruhe gesetzt. Seinen Hedgefonds wandelte er in ein Familienunternehmen um. Nur knapp eine Milliarde Dollar sind für externe Anleger noch an Assets verfügbar. Mit diesem Schritt entzog er sich den neuen strengen Richtlinien für Hedgefonds. Investment-Experten verwalten die verbleibenden Vermögenswerte seiner Familie und seiner Gesellschaften. Der in Budapest geborene Soros überlebte die Besatzung der Nazis und studierte an der London School of Economics. Anschließend gründete er den Hedgefonds Quantum Fund Management in 1969. Als bekannter Gegner der europäischen Integration bezeichnete der Manager kürzlich die Euro-Einführung als „sehr fehlerhaft“ und umriss die Situation als eine „existenzielle europäische Krise“. Seit 1979 spendete Soros 8,5 Milliarden Dollar für Menschenrechte, Bildung und für Organisationen der öffentlichen Gesundheit. Im August 2012 verkündete der Investor auf seinem 82. Geburtstag in Southhampton, dass er und seine 42-jährige Freundin Tamiko Bolton verlobt sind. Quelle: rtr

Die langfristigen Folgen des Aktivismus haben kürzlich die drei US-Professoren Lucian Bebchuk, Alon Brav und Wei Jiang untersucht. Dafür werteten sie Daten von 2000 Unternehmen aus, bei denen sich Fonds zwischen 1994 und 2007 engagiert hatten. Fünf Jahre nach der Attacke war deren operative Leistungsfähigkeit, gemessen an der Gesamtkapitalrendite, höher als in den Jahren vor dem Einstieg.

Der Aktienkurs entwickelte sich ebenfalls dauerhaft besser als vor dem Einstieg. „Wir sollten uns von den Vorurteilen verabschieden“, urteilen die Autoren. Denn die Fonds suchen sich selten Perlen als Ziele, sondern verwenden den größten Teil ihrer Ressourcen darauf, Unternehmen zu finden, deren Wert sich noch steigern lässt. So gut deutsche Unternehmen wirtschaftlich alles in allem auch dastehen, bieten sie dennoch viele Angriffspunkte.

„Indikatoren für eine Gefährdung sind im Vergleich mit Wettbewerbern niedrigere Bewertungen, eine unklare oder nicht stringente Langfriststrategie, wenig Synergien zwischen einzelnen Geschäftsbereichen in Konglomeraten oder überproportional viel Bargeld in der Bilanz ohne absehbare Investitionsmöglichkeiten“, sagt Alexander Gehrt, Leiter des Fusionsgeschäfts bei der UBS in Frankfurt.

Wo sich aktivistische Aktionäre 2013 engagiert haben

Trügerische Sicherheit

Kurz gesagt: Kaum ein Unternehmen kann sich sicher fühlen. So haben sich schon etliche Investoren und Analysten darüber Gedanken gemacht, ob die Lkw-Sparte zwingend zu Daimler gehören muss. Welche Synergien die unterschiedlichen Sparten bei BASF und Bayer bringen. Ob Metro den Verkauf einiger Beteiligungen nicht entschlossener vorantreiben könnte. Wie lange Adidas oder Lanxess noch schlechter abschneiden wollen als ihre internationalen Wettbewerber? Was Siemens eigentlich mit den Milliarden von Cash anstellen will? Und ob Gerhard Cromme dort wirklich noch der richtige Aufsichtsratsvorsitzende ist?

Auch ein Großaktionär bremst die Fonds nicht aus. So engagiert sich Cevian bei ThyssenKrupp, obwohl mit der Krupp-Stiftung ein Schwergewicht an Bord ist. Und TCI beteiligte sich 2012 am Flugzeugausrüster Safran, obwohl da sogar der französische Staat eine Sperrminorität hält.

Letztlich hilft nur gute Vorbereitung auf den Ernstfall. „Wenn Hedgefonds auftauchen, muss das Management sachlich reagieren und zeigen, dass es sich nicht treiben lässt, sondern weiter die Kontrolle hat“, rät Maximilian Schiessl, Partner bei der Kanzlei Hengeler Mueller in Düsseldorf. Dafür sollte es das Unternehmen schon vorher auf potenzielle Angriffspunkte überprüfen. „Im Idealfall können die Aktivisten keinen Vorschlag mehr machen, den die übrigen Aktionäre nicht schon kennen“, sagt Schiessl. Wenn sie nur Bekanntes präsentieren, nimmt das den Angreifern den Wind aus den Segeln.

Schiessl zählt zu den erfahrensten deutschen Beratern bei großen Firmenkäufen. Er hat die Fonds damit auf dem Feld kennen gelernt, auf dem ihr Wirken für den meisten Ärger sorgt. „Deutschland ist zur weltweit größten Spielwiese für Hedgefonds verkommen“, schimpft ein kürzlich betroffener Konzernchef. Ein Banker spricht von „legaler Erpressung“. Überalterte Regeln würden in das Gegenteil dessen verkehrt, was sie bezwecken sollten.

Dabei geht es um den Schutz von Minderheitsaktionären bei Übernahmen. Sie seien „ein weltweiter Leuchtturm der Fairness“, sagt ein Hedgefondsmanager. Jedenfalls eröffnen sie an mehreren Ecken die Chance, den Preis für den Käufer hochzutreiben. „Bei Übernahmen können Hedgefonds innerhalb kurzer Zeit große Pakete aufbauen, weil die übrigen Aktionäre verkaufsbereit sind“, sagt Anwalt Schiessl.

Zukäufe werden zum Risiko

Tipps vom Profi

So können die Fonds etwa versuchen zu verhindern, dass ein Käufer für den ursprünglich gebotenen Preis auf einen Schlag 75 Prozent der Aktien an dem Unternehmen bekommt. Nur dann kann er einen Beherrschungsvertrag schließen, der ihm den vollen Zugriff auf seinen Neuerwerb sichert. Ähnliche Optionen bietet der sogenannte Squeeze-out.

Der ermöglicht es nur Eignern mit mehr als 90 Prozent der Anteile, die übrigen Aktionäre gegen Zahlung einer Abfindung herauszudrängen. Letztlich bietet auch die Höhe der Ausgleichszahlungen einen willkommenen Angriffspunkt für Klagen und Frageorgien auf der Hauptversammlung.

Fonds wollen sich lästig machen

Inzwischen ziehen Übernahmen in Deutschland oft Scharen von Hedgefonds an, die auf ein paar schnell verdiente Euro schielen. Für Unternehmen sind Zukäufe dadurch zum schwer planbaren Risiko geworden. So denken sie intensiver als früher darüber nach, ob sie direkt eine Mindestannahmequote von 75 Prozent haben wollen oder ob es fürs Erste auch 50 Prozent tun. Und sie kalkulieren ihre erste Offerte durchaus niedriger, weil sie damit rechnen, dass am Ende noch mal ein Nachschlag für Aktivisten fällig wird.

Für die Fonds geht es darum, sich so lästig wie möglich zu machen. Keiner beherrscht das Spiel so wie Elliott. Vor mehr als zehn Jahren tauchten Singers Leute erstmals bei der Übernahme des Kosmetikkonzerns Wella durch den US-Riesen Procter & Gamble auf und traktierten das Unternehmen so lange, bis sie für ihre Anteile zehn Euro mehr kassieren konnten als beim ersten Angebot.

Seitdem hat sich Elliott bei so unterschiedlichen Zielen wie dem Zeitarbeitsvermittler DIS, dem Maschinenbauer Demag Cranes und dem Energiedienstleister Techem eingeklinkt. Aktuell triezen Singers Männer Vodafone bei der Übernahme von Kabel Deutschland. Zwar hatte Elliott dem Käufer geholfen, die angestrebte 75-Prozent-Mehrheit zu bekommen, indem der Fonds einen Teil seiner Aktien an Vodafone abtrat. Für den Rest verlangt der Fonds jetzt aber eine höhere Abfindung.

Pokern bis zum Schluss

Den spektakulärsten Ritt legte Elliott bei der Übernahme des Pharmahändlers Celesio durch den US-Gesundheitskonzern McKesson hin. Dessen Offerte von 23 Euro bedeutete einen Aufschlag von fast 40 Prozent auf den aktuellen Kurs. Für Elliott war das zu wenig. Der Fonds hielt die Synergien für unterbewertet und setzte mehr aufs Spiel als bei allen anderen Aktionen in Deutschland zuvor.

Für eine Celesio-Beteiligung von gut 25 Prozent investierte der Fonds knapp eine Milliarde Euro. Es folgte ein Pokerspiel, das fast gescheitert wäre, weil McKesson im ersten Anlauf die angestrebte Mehrheit der Stimmrechte verfehlte. Schließlich half nur ein Trick: Haniel kaufte Elliott seine Beteiligung ab, um sie an McKesson weiterzuverkaufen.

Letztlich ging es doch. Wie meistens. „Hedgefonds sind eigentlich Verbündete des Bieters, weil ein Scheitern der Transaktion für sie meist eine Katastrophe wäre“, sagt Anwalt Schiessl. Doch tun sie alles dafür, eine Preiserhöhung zu bekommen. Schiessl: „Am Ende kann es darauf ankommen, wer die besseren Nerven hat.“

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