Antibiotika Sollen Pharmakonzerne Staatsgelder erhalten?

Seite 2/2

„Die Analyse von Herrn Oschmann ist nicht falsch“

Die Gesundheitsversorgung in der Dritten Welt war auch – neben Freihandel und Klimaschutz – ein Thema auf dem G 20-Gipfel in Hamburg. Schon im Vorfeld empfahl die Beratung Boston Consulting Group (BCG) in einem Gutachten für das Gesundheitsministerium, der Staat sollte für Hersteller für vorab bestellte Wirkstoffe eine Milliardenprämie ausloben. Nach BCG-Berechnungen bringt ein neues Krebsmittel dem Hersteller durchschnittlich acht Milliarden Dollar Gewinn, während für ein neues Antibiotikum 100 Millionen Dollar Verlust anfallen.

        

„Die Analyse von Herrn Oschmann ist nicht falsch“, sagt Jörg Schaaber von der Buko Pharmakampagne aus Bielefeld – eine Initiative, die sich für eine bessere Gesundheitsversorgung in den Entwicklungsländern engagiert. „Öffentliches Geld für vernachlässigte Forschung ist notwendig“, findet der Gesundheitswissenschaftler. Aber dann müsse man sich auch über die Verwertung der Produkte Gedanken machen. Schaaber schlägt vor, die Forschung zu unterstützen, die Industrie könne sich darum bewerben: „Aber die Ergebnisse werden öffentliches Eigentum, herstellen kann im Prinzip jeder und der Preis wird fair festgesetzt.“  Schaabers Kollegin Claudia Jenkes schlägt einen globalen Forschungsfonds vor, in den Staaten gemäß ihrer Wirtschaftsleistung einzahlen, um so die Forschung für dringend benötigte Arzneimittel anzukurbeln. Dazu hat die BuKo-Pharmakampagne bereits auch eine Online-Petition gestartet.

„Das ist völlig absurd“, sagt die Medizinerin Christiane Fischer, Geschäftsführerin von Mezis, einem Zusammenschluss kritischer, unbestechlicher Ärzte, zu dem Vorschlag, „die Pharmaindustrie braucht nicht mehr Geld, denn davon hat sie genug.“ Es gebe natürlich einen Mangel an Antibiotika und dringenden Handlungsbedarf, sagt Fischer. Um das Problem in den Griff zu bekommen, setzt die kritische Ärztin statt auf finanzielle Anreize auf eine Regulierung der Forschung.  Ihr Vorschlag: Eine unabhängige Kommission soll darüber entscheiden, wofür die Pharmaunternehmen ihre Forschungsgelder verwenden sollen: „Die Baukonzerne dürfen ja auch nicht ohne weiteres Krankenhäuser bauen; da wird ja auch vorher über den Bedarf entschieden.“ Eine solche Kommission könnte international etwa bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angesiedelt sein , auf nationaler Ebene  bei der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, einem wissenschaftlichen Fachausschuss der Ärzte.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%