Aufspaltung droht Historische Wende bei General Electric

John Flannery hat den Chefposten bei General Electric im Sommer übernommen. Quelle: AP

General Electric – einstmals das wertvollste Unternehmen der Welt – droht die Aufspaltung. Die Pläne werden just an dem Tag bekannt, an dem GE-Chef John Flannery eine weitere Milliarden-Belastung einräumen muss.

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Nach 126 Jahren könnte General Electric auseinanderbrechen. Anlass ist eine katastrophale Nachricht von der Finanzsparte GE Capital. Der Mischkonzern muss für vor Jahrzehnten abgeschlossene Pflegeversicherungen mindestens 6,2 Milliarden Dollar zurückstellen, mehr als doppelt so viel wie erwartet. Die Aktie fiel am Dienstag um gut 3,5 Prozent.

Die Reaktion der Börsen ist verständlich. Anleger hatten nach den vielen schlechten Nachrichten der vergangenen Wochen nicht mit einer weiteren Katastrophenmeldung gerechnet. Die Belastung in dem Ausmaß sei zu einem Zeitpunkt, in dem sich das Unternehmen nach vorne ausrichte, „tief enttäuschend“, sagte GE-Chef John Flannery.

Jetzt reagiert Flannery mit einer Radikalkur. Auf einer Telefonkonferenz mit Analysten schloss er eine Holdingstruktur für GE nicht mehr aus. Einzelne Geschäftsbereiche wie Flugzeugmotoren, Gasturbinen oder Gesundheit könnten an die Börse gebracht werden. Einzelheiten nannte er nicht, versprach aber mehr Informationen im kommenden Frühjahr.

Es ist ein Richtungswechsel für Flannery. Seit seinem Amtsantritt im vergangenen Sommer hat er alle Geschäftsbereiche gründlich analysiert, wie er auf einer Investorenkonferenz im November sagte. Eine Zerschlagung des Konglomerats lehnte er da noch ab. Stattdessen sollten Geschäftsbereiche wie der Bau von Lokomotiven im Wert von 20 Milliarden Dollar verkauft werden.

Flannery findet anscheinend auch keine Antwort auf die Grundfrage: Warum ein Mischkonzern? Früher hieß es, wenn eine Sparte gut läuft, kann sie eine schwache mitziehen. Das Argument will jedoch derzeit kein Aktionär hören. Flannerys Vorgänger Jeff Immelt betonte die Vorteile des Mischkonzerns beim Austausch von Innovationen unter den Sparten: Jeder kann sich am GE Store bedienen, Digitalisierung war das Paradebeispiel für eine konzernübergreifende Initiative. Die schwachen Ergebnisse zeigen jetzt: Vieles davon war Marketing, reine Kosmetik für ein Konglomerat.

Flannery büßt für Fehlentscheidungen des Unternehmens aus den 1990er-Jahren. Damals stieg das Unternehmen unter Führung von GE-Legende Jack Welch groß in das Geschäft mit Pflegeversicherungen ein, die Kosten für Pflegepersonal oder Altenheime übernehmen. Allerdings erwiesen sich die Verträge aufgrund von falschen Annahmen zu Lebenserwartungen oder Gesundheitskosten als Zeitbombe. Seit 2006 verkauft GE Capital keine Pflegeversicherungen mehr.

General Electric ist keineswegs der einzige Anbieter, der sich die Finger in dem Bereich verbrannt hat. Allerdings ist der Konzern stärker betroffen als andere. Nach Angaben der Investmentbank Evercore ISI haben Versicherungen in den vergangenen Jahren insgesamt vorsteuerliche Belastungen von 10,5 Milliarden Dollar auf sich genommen. GE verkündet jetzt eine Belastung von 9,5 Milliarden Dollar, was sich nach Steuern auf die genannten 6,2 Milliarden beläuft. Der Betrag könnte sich mit der US-Reform der Unternehmensteuern auf 7,5 Milliarden Dollar erhöhen.

Anleger fragen sich jetzt: Welche Leichen findet GE noch im Keller? Wenn John Flannery an eine extreme Maßnahme wie eine Zerschlagung denkt, könnten die Belastungen von GE Capital eventuell noch stärker ausfallen.

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